Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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verhandele mit seiner Mutter, damit sie ihn mir schickt und ich ihn erst einmal in meine Gewalt bekomme.“

      „Der ist ein Ketzer! Meine Schwester und ein Ketzer, diese Verbindung war doch niemals ernst gemeint!“

      „Und wenn dein Bruder d’Anjou die Königin von England heiraten würde? Auch Elisabeth ist eine Ketzerin, und dabei eine große Königin, von eigenen Gnaden.“

      „Sie bringt ihre Katholiken um“, sagte Karl, mehr scheu als empört. Seine Mutter war ihm zu klug. Nicht einmal durch die Religion ließ ihr erfinderischer Geist sich aufhalten. Aber bei ihren ungeheuersten Worten blieb sie die Gelassenheit selbst.

      „Die englischen Katholiken mögen sich allein helfen — und übrigens auch die französischen“, setzte sie hinzu.

      Karl sah zu Boden und knurrte, mehr wagte er nicht. „Der König von Spanien ist auch noch da“, knurrte er.

      „Meine Tochter, die Königin von Spanien, ist tot“, erklärte Katharina ohne alle Trauer. „Seitdem habe ich von Don Philipp nur noch zu fürchten, daß er meine Verlegenheiten ausnützt. Ich brauche daher meine Protestanten.“ In ihrem Kopf sagte sie noch: ,Wenn ich sie aber nicht mehr nötig habe, werde ich genau so mit ihnen verfahren, wie die Königin von England mit ihren Katholiken.‘

      Wozu hätte sie das ihrem unbegabten Sohn verraten sollen? Jetzt kam sie zu dem, was sie von ihm erwartete.

      „Deine Schwester muß endlich zur Vernunft gebracht werden.“

      „Das ist wahr! Das mit dem Guise —“

      „Der dir die Krone wegnehmen wird“, ergänzte sie schnell. Da brüllte er:

      „Her mit meiner Schwester! Ich will sie lehren, mich zu entthronen!“

      Schon stürzte er davon, seine Mutter fing ihn grade noch beim Hemd.

      „Daß du hierbleibst! Ihr Guise kann bei ihr sein, und er ist bewaffnet.“

      Das hielt ihn sofort auf.

      „Und wenn sie dich sieht, kommt sie bestimmt nicht her. Ich aber will, daß die Sache nirgend sonst vor sich geht, als nur bei mir.“

      Sie klatschte in die Hände, und zu einer ihrer Frauen, die eintrat, sagte sie:

      „Bitte die Prinzessin, meine Tochter, mich aufzusuchen, damit ich ihr eine sehr wichtige Nachricht mitteilen kann. Versichere ihr, daß es etwas Gutes ist.“

      Hiernach warteten die beiden — Katharina ohne Regung, mit gefalteten Händen, aber ihr vierschrötiger Sohn rannte vor Ungeduld im Zimmer umher, sein Nachtgewand flatterte, und er keuchte schon im voraus, während er knurrte.

      Endlich öffnete die Tür sich weit für eine Erscheinung, die jeder bewundert hätte, außer diesen beiden. Marguerite von Valois trug trotz der frühen Stunde schon ein weißes Seidenkleid mit viel glitzerndem Behang. Sie hatte rote Schuhe, und auch ihre Perücke war rötlich, dem Gesicht aber verlieh ihre große Erfahrung im Schminken genau den Ton, der für eine solche Blonde paßte.

      Ihr Auftritt geschah ganz im Sinn ihrer gewählten Schönheit — hochmütig, obwohl leicht. So hätte sie auch einen Festsaal betreten können. Ein Blick aber auf ihre Mutter und einen auf ihren Bruder genügten ihr, um zu ahnen, was ihr zugedacht war. Ihre erlesene Miene wurde starr, das stolze Lächeln ging in Schrecken über, und sie machte einen überstürzten Schritt rückwärts. Zu spät, schon hatte Katharina gewinkt, und die Tür war von außen zugeschlagen worden.

      „Was wollt ihr von mir?“ fragte die Arme, ganz hoch oben, indes ihr der Atem stockte. Karl der Neunte sah seine Mutter an, und da sie es nicht bemerken wollte, war er sicher, daß ihm alles erlaubt war. Aufbrüllend fiel er über seine Schwester her. Mit dem ersten Griff riß er ihr die blonden Haare vom Kopf, die schwarzen fielen ihr ungeordnet in die Stirn; von jetzt ab hätte sie sich keine große Haltung mehr geben können, auch wenn sie noch Zeit gehabt hätte. Aber schon schlug ihr königlicher Bruder ihr ins Gesicht, links und rechts, hartnäckig, so sehr sie versuchte, ihm auszuweichen.

      „Mit dem Guise schlafen!“ brüllte er. „Mich entthronen!“ keuchte er.

      Ihre Schminke blieb an seinen Händen kleben, statt dessen trug sie auf den Wangen rote Streifen. Da sie sich krümmte und fortbog, trafen seine Fäuste ihre vollen Schultern.

      „Dicke Margot!“

      Hierbei lachte er wild und riß ihr das Kleid herunter. Bei der Berührung mit ihrem Körper kam ihm der heftige Wunsch, sie überall zu bearbeiten. Das Mädchen schrie endlich auf, das Entsetzen hatte sie stumm gemacht, und sie versuchte zu fliehen, sie lief in die Arme ihrer Mutter.

      „Da bist du ja“, sagte Madame Catherine, und sie hielt die Prinzessin fest, bis Karl der Neunte sie wieder gefaßt hatte.

      „Leg sie doch übers Knie!“ riet Madame Catherine, und er tat es, trotz allem Sträuben des Opfers. Sein Arm blieb eisern um sie befestigt, während seine andere Hand auf ihren entblößten, üppigen Körperteil einschlug. Madame Catherine hielt das nicht für genug, sie half selbst nach Kräften mit, nur leider, ihre fleischigen Händchen vermochten nicht viel. Daher beugte sie sich über den schönen Hintern und biß hinein.

      Marguerite heulte auf wie ein Tier. Ihr Bruder, der erschöpft war, ließ sie los, ließ sie einfach hinfallen, während er dabeistand mit stierem Blick wie ein Betrunkener. Auch Madame Catherine war außer Atem, und in ihren stumpfen, schwarzen Augen glitzerte es. Indessen faltete sie schon wieder die Finger vor dem Magen und sagte ruhig wie immer:

      „Steh auf, mein Kind, wie siehst du denn aus!“

      Sie gab Karl einen Wink, damit er seiner Schwester die Hand reichte und ihr half. Dann ging sie selbst daran, die Kleidung ihrer Tochter zu ordnen. Als die Prinzessin Margot sah, daß die Gefahr vorbei war, bekam sie sofort ihr herrisches Gesicht zurück.

      „Alles ist zerrissen. Du Dummkopf!“ schrie sie ihren Bruder an. „Hol doch meine Kammerfrau!“

      „Nein“, entschied ihre Mutter. „Die Sache bleibt besser unter uns.“

      Sie selbst nähte in dem weißen Seidenkleid die Löcher zu, glättete es und ließ sich auch nicht nehmen, die von Tränen und Backenstreichen entfernte Schminke neu aufzutragen. Karl holte auf Befehl Katharinas die Perücke, die er seiner Schwester vom Kopf gerissen hatte, zog sie unter dem Bett hervor, staubte sie ab und setzte sie ihr auf. Da war sie wieder die stolze und anmutige junge Dame, die vorhin das Zimmer betreten hatte!

      „Geh nur und lies deine lateinischen Bücher“, knurrte Karl der Neunte. Katharina von Medici setzte hinzu:

      „Aber vergiß nicht, was ich dir soeben zu deiner Belehrung mitgeteilt habe!“

      England

      Eine zweite mächtige Frau bekümmerte sich um den jungen Henri, während er selbst hauptsächlich an sein Vergnügen dachte. Elisabeth von England empfing in ihrem Schloß zu London ihren Pariser Gesandten.

      „Du kommst einen Tag zu spät, Walsington.“

      „Die See war stürmisch. Eure Majestät hätte wahrscheinlich

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