Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Sie glaubte es zu sprechen, hatte es in Wahrheit nur gedacht; aber mit diesen Worten war von Jeanne d’Albret das Opfer ihres Lebens gebracht.
Auch der Rat war zu Ende. Ihr Sohn und der Admiral verabschiedeten sich von ihr.
Eine Einzige ganz im Ernst
Draußen traf Henri seinen Vetter Condé und den jungen La Rochefoucauld, gleichfalls einer, vor dem er sich gehen ließ. Ihnen sagte er:
„Nun also! Ich heirate die Schwester des Königs von Frankreich. Das ist auch der einzige Platz, der bei Hof noch frei ist. Sie haben schon einen Kanzler, Sekretär, Schatzmeister und Narren. Nur einen Hahnrei brauchen sie noch, der werd ich sein!“
Er lachte und sprang in die Luft, so hinreißend lustig, daß beide mittaten, trotz ihrer inneren Befremdung.
Jeanne kehrte nach ihrem Land Béarn zurück, es war Herbst, der Abgesandte Katharinas suchte sie nochmals heim, er hieß Biron, und sie sagte ihm nicht mehr nein; sie stellte nur Bedingungen, ihre ersten und vorläufigen. Mehreres, an Protestanten verübtes. Unrecht war zu sühnen, im Süden eine Stadt zu räumen, in Paris ein lästerliches Kreuz zu entfernen. Sie erklärte grade heraus, daß sie nicht betrogen werden wollte, wie so manche andere, die im guten Glauben zu Hof gereist wäre!
Herbst war es gewesen, wurde aber Winter, bevor sie sich recht in Bewegung setzte. Sie hatte Fieber bekommen, ihr Sohn war gestürzt; man konnte glauben, Jeanne würde durch diese Unfälle gewarnt, zu reisen. Dennoch kam es endlich dazu, daß Mutter und Sohn sich trennten: die Stadt hieß Agen, der Tag war der dreizehnte Januar, angebrochen war das Jahr zweiundsiebzig. Den blauen Lüften, dem besonnten Weg hätte niemand angesehen, daß dieser Abschied endgültig war. Die Pferde zogen an, schon rollte die lederne Kutsche, noch winkten und lächelten die bleiche Jeanne und ihre Tochter Kathrin. Der Sohn stand neben seinem Reittier, und sein Blick ging von einer zur anderen. Die Schatten unter den Augen der Mutter hatten sich ausgebreitet in letzter Zeit, so sah er, bis hinab über ihre Wangen. Ihr Lächeln wurde inzwischen starr, daraus erkannte er, daß sie sein Gesicht schon nicht mehr genau unterschied, wohl wegen der zunehmenden Entfernung und auch, weil Tränen in ihre Augen traten.
Die Geschwister mit ihren frischeren Augen verständigten sich noch eine Weile, Henri bedeutete seiner Schwester: „Denke immer daran!“ Sie erwiderte: „Ich weiß.“ Er sagte: „Bei dem ersten Anzeichen von Gefahr, sofort einen Eilboten!“ Sie bat so inständig: „Wenn du doch schon wieder bei uns wärest!“ Sein Blick rief noch schnell: Gib acht auf unsere liebe Mutter, gib acht! Da nahm der Wagen eine Biegung, und fort war alles. Vom letzten der berittenen Edelleute hing im Sonnenlicht noch der Staub, aber auch er verflog.
Sechs Monate lang bekam Henri Briefe von Jeanne, die teuersten seines Lebens; denn wie viele Frauen er anbeten, an wie viele er die Kraft seines Lebens noch wenden soll, im Grunde wird er immer fühlen, daß nur eine einzige ganz im Ernst für ihn gekämpft und nur um seinetwillen geatmet hat bis auf den Rest ihrer Lungen.
Zu Tours, im Februar, hätte sie sich gern entschlossen, umzukehren, nur ging es nicht mehr. Den Reden der Herren, die Katharina zu ihrem Empfang entsandt hatte, hörte sie es gleich an, daß sie wirklich betrogen werden sollte. Die alte Königin und ihr Sohn, der König, befanden sich in Blois, kamen ihr aber ein Stück entgegen. Da hütete sich Jeanne d’Albret, von ihrer kostbaren Lebenszeit noch etwas zu verlieren: sofort verlangte sie, daß die Braut ihres Sohnes zum Protestantismus überträte. Das Gefährliche war, daß die alte Königin nicht einfach nein sagte; sie tat, als glaubte sie gar nicht, daß es ernst gemeint wäre. Ein Einfall im wolkigen Hirn einer Aufgeregten, die man beruhigen mußte durch fortwährende gute Laune, und daran ließ Katharina es nicht fehlen. Immer blieb diese schreckliche alte Frau zu Scherz und Spott aufgelegt, während des ganzen Winters und bis in den Mai: so lange verhandelten sie im Schloß zu Blois. Jeanne aber, die ihre Kräfte abnehmen fühlte, mußte haushalten mit ihnen, niemals durfte sie außer sich geraten, das hätte wieder Tage gekostet.
Die alte Königin scherzte: „Aber gute Freundin! Was macht es denn Ihrem tüchtigen Hahn aus, welchen Glauben meine hübsche Henne hat, wenn er sie ...“ Laut und deutlich, sogar noch andere hörten es und brachen in Lachen aus. Wollte Jeanne auch zornig werden, das Gelächter hätte sie nicht überschreien können. Daher verzog sie selbst das Gesicht, daraus wurde ein geringschätziges Lächeln, etwas Abseitiges inmitten der vereinigten Fröhlichkeit der andern. Aber Jeanne wahrte doch, so gut sie es konnte, die Überlegenheit des Gesunden. Nur keine Krankheit verraten! Dann hätten sie mit ihr gemacht, was sie wollten.
Katharina log im Scherz, dagegen war schwer aufzukommen. Sie behauptete einfach, der Erzieher des Prinzen von Navarra hätte gemeldet, daß der Prinz für seine Person ganz bereit wäre, sich katholisch trauen zu lassen — in Vertretung sogar, während er noch dort unten säße; es könnte ihm nicht schnell genug gehn.
Jeanne erwiderte trocken: „Wie sonderbar, daß ich die Wünsche meines Sohnes nicht kennen sollte, während Sie, Madame, darüber Bescheid wissen!“
„Ihnen wollte er es auch sagen, aber das hat er wohl vergessen über seinen galanten Abenteuern“, scherzte Katharina und wiegte sich in ihren dicken Hüften, als ob sie jetzt gleich tanzen sollte auf ihren kurzen Beinen.
Nachher aber, als Jeanne sich erschöpft zurückgezogen hatte, erzählte die furchtbare Alte ihrem Hof alles umgekehrt. Jeanne selbst war es danach, die gebeten hatte, man möchte ihren Sohn auf alle Fälle nehmen, ob katholisch oder nicht, nur ohne Aufschub! Alle sprachen sie darauf an, die protestantischen Herren machten ihr heftige Vorwürfe, während die zahllosen Ehrenfräulein Katharinas ihr vorschwärmten von dem Wunderprinzen, auf den sie sich freuten wie die Kinder. Diese Ehrenfräulein hatten sämtlich keine Ehre mehr zu verschenken, sondern nur noch Vergnügen, und das taten sie auf jeden Wink ihrer ruchlosen Herrin. Sie befolgten wohl den Auftrag, die Sittenlosigkeit dieses Hofes der empfindsamen Jeanne unverhohlen vorzuführen, um sie eher abzunutzen. Am Abend, oder auch schon vorher, ging es hier zu wie in einem besonderen Haus. Abseits blieb nur Margot, die Braut.
Ein Florentiner Teppich
Die Mutter Henris konnte nicht leugnen, daß die Prinzessin von Valois sich wohlverhielt und daß sie von fehlerloser Gestalt, wenn auch zu sehr geschnürt war. Sie hatte ein völlig weißes Gesicht, gelassen heiter wie der Himmel, so kennzeichnete es ein Hofmann namens Brantôme; Jeanne aber durchschaute natürlich, was an all dem Geziertheit und was Schminke war. Sie legten hier so dick auf, wie sonst nur in Spanien. Diese Höflinge übertrieben auch, ganz wie Götzenanbeter. Jeanne beobachtete aus sicherer Entfernung eine der gottlosen Prozessionen, die Hauptperson darin war kein Pfaff und auch der Bischof nicht: Margot, in Perlen und Edelsteinen schimmernd, mit ihnen bestirnt bis über den Scheitel, war Gegenstand der gesamten Verehrung von Adel und Volk. Die Gemeinen knieten am. Wege hin. Wer im Zuge ging, fühlte sich getragen. Gemurmel wie Gebete stieg aus dem Gedränge auf. Wahrscheinlich war es Lästerung.
Als Margot ins Schloß zurückgekehrt war, ließ Jeanne sie in ihr Zimmer bitten, und sie kam sogleich, noch trug sie ihr Staatskleid und allen Schmuck. Jeanne konnte sich der Beobachtung nicht erwehren, daß diese so erfolgreiche Schönheit dennoch Hängebacken hatte, oder wenigstens ließ sich voraussehen, die Wangen würden herabfallen, wenn das Mädchen nur noch wenig älter wäre, und langsam entstand dann wohl das Bild der alten Katharina.
„Liebe Tochter“, sagte Jeanne, zärtlicher als sie gewollt hatte. „Du bist schön und gut. Mein einziger Wunsch ist, daß du so bleiben mögest. Dein Mann wird wahrhaft glücklich sein.“