Krisenkommando. Will Berthold
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Ich rollte weiter, in die Arme des Frühlings. Ein Tag wie aus dem Bilderbuch, eine Rarität aus der meteorologischen Schatztruhe. Die Sonne vergoldete auch noch die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Pullach, an der ich eben vorbeifuhr. Ich dachte nicht an meine Kollegen und Rivalen, schon weil ich uns für besser hielt. Unser Job war leichter, oder auch schwerer, je wie man es betrachtete.
Unbegrenzte Mittel – dafür kein Fangnetz.
Natürlich hatte das Kind auch einen Namen, aber ich möchte ihn hier so wenig nennen wie interne Einzelheiten. Unsere Organisation arbeitet international mit dem stillen Einverständnis des amerikanischen und des deutschen Geheimdienstes, und wir werden auch von parlamentarischen Sicherheits-Ausschüssen kontrolliert. Der Unterschied liegt darin, daß wir, wenn wir unangenehm auffallen, Privatleute sind, ohne jede Rükkendeckung. Deshalb können und müssen wir mehr riskieren und Kastanien aus dem Feuer holen, an denen sich zum Beispiel CIA und BND nicht die Finger verbrennen wollen. Natürlich gibt es, bei aller Rivalität, Kontakte zwischen den verschiedenen Diensten, und in der Bundesrepublik arbeiten wir mit Vorliebe mit den GSG-9- Männern zusammen, die in Mogadischu einen glänzenden Einstand in der Terror-Bekämpfung gehabt hatten und den Pfusch beim Olympia-Massaker vergessen machen konnten. Freilich waren hier hochkarätige Einzelkämpfer mit Verve und Mut am Werk gewesen und nicht ein redseliger Innenminister und ein wichtigtuerischer Polizeipräsident.
Es tat gut, sich einmal ein paar Stunden Privatleben zu stehlen, noch dazu an einem Tag wie heute, wie zum Verlieben geschaffen. Und an der nächsten Ecke lauerte auch schon die Gelegenheit:
Sie war schlank und blond, selbstbewußt und wohlgerundet: Schätzungsweise 89:56: 89. Sie lächelte und winkte gleichzeitig, und in dieser Situation hätte wohl selbst ein Eunuch gehalten.
»Panne?« fragte ich: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Und ob«, erwiderte sie. »Ich hab’ einen Plattfuß.«
»So sieht das nicht aus«, entgegnete ich und betrachtete anzüglich ihre Beine.
Sie folgte meinem Blick: »Ich mach’ Ihnen einen Vorschlag«, lachte sie mich an, »Sie sehen zuerst nach meinem Reifen und dann –«
»Und dann?« wiederholte ich.
»– können Sie vielleicht mich näher in Augenschein nehmen«, erwiderte sie mit ihrer spöttisch-zärtlichen Stimme.
Ich machte mich ans Werk, und während ich den Wagenheber ansetzte, stellte ich fest, daß diese schöne Wegelagerin genau auf meinen Typ abgestimmt war.
Zu genau? begann ich zu überlegen.
Unsinn, tat ich es ab. Ein Bankier sieht lauter faule Wechsel, ein Fleischbeschauer bloß Trichinen, ein Pfarrer nur Sünden und ein Agent bloß Stolpersteine.
Das Mißtrauen war mein Handwerkszeug. Ein paar Jahre Untergrund hatten mich betriebsblind gemacht für die sorglosen Freuden des Lebens.
Während ich den kleinen Flitzer aufbockte, stand sie dicht neben mir, rauchte und schwieg, rührte keine Hand, und das war nur natürlich, denn beim Reifenwechsel hört bekanntlich die Gleichberechtigung auf. Fraglos verlangsamte sie das Tempo und beschleunigte sie den Puls vorbeirollender Herrenfahrer. Mancher, der mit zwei linken Händen zur Welt gekommen war, hätte ihr wohl gerne geholfen.
Ich verstaute den platten Pneu im Kofferraum und griff mir den Ersatzreifen. Während ich die Schrauben anzog, sagte ich lachend mit dem schweren Atem der Mühe: »Blondinen am Morgen – Kummer und Sorgen.«
Ich stülpte die Radkappe über mein Werk, wischte meine Hände an einem Taschentuch ab und wunderte mich flüchtig, daß sie bei weit schmutzigeren Dingen wesentlich sauberer geblieben waren.
»Fertig«, sagte ich. »Und wohin wollen Sie eigentlich?«
»Eine kleine Spazierfahrt«, versetzte sie.
»Das trifft sich bestens«, antwortete ich. »Ich bin ein gelernter Faulenzer.«
Ich machte ihr den Vorschlag, ihren Wagen stehenzulassen, in meinen umzusteigen, den Reifen an der nächsten Tankstelle flicken zu lassen und uns bis dahin gemeinsam die Zeit zu vertreiben. Sie nahm ohne Gegenrede an, vermutlich anstelle eines an sich verwirkten Trinkgeldes.
Ich begriff sofort, daß sie mit Männern umgehen konnte. Männer waren ihr Fall, wenn auch vielleicht nicht ihr Sündenfall. Eigentlich begann ich bereits, sie zu idealisieren, auch das war schon faul.
Ich betrachtete sie von der Seite, und das lohnte sich in jeder Hinsicht. Ihre langen Haare verhüllten wie ein Vorhang einen Teil ihres Gesichts und gaben dabei einen ständig wechselnden Ausschnitt frei. Sie hatte große, flirrende Augen, bald grün, bald blau, türkis. Ihre Stirn war gewölbt; volle Lippen ließen auf einen beherzten Appetit schließen. Ich war mit den Augen bei ihrer feinen Nackenlinie angelangt und witterte eine Ausstrahlung von kühler Hitze.
Ich griff mir einen Namen aus der Mottenkiste und stellte mich vor.
»Meine Freunde nennen mich Diana«, erwiderte sie.
»Viele Freunde?«
»Ich laß’ die Schar nicht übermächtig werden«, konterte sie lächelnd. »Wenn sie anfangen, mich zu langweilen, wechsele ich sie aus wie müde Pferde.«
»Und was machen Sie sonst – außer Ihrem Dressurakt?«
»Nicht viel«, entgegnete sie.
»Zu viel Geld?« fragte ich.
»Mitgiftjäger?« schoß sie zurück.
Wir erreichten ein Ausflugslokal, hoch über der Isar. Wir waren die einzigen Gäste. Es war zu spät für das Frühstück und zu früh für den Mittagstisch, und noch verfrühter für braune Jung’s aus Schottland, selbst wenn man sie mit Eis verdünnte.
Wir saßen nebeneinander und ließen uns von der Sonne vernaschen, und ich dachte an das Roman-Dilemma: »Fortsetzung folgt«.
»Und was machen Sie?« fragte mich Diana.
»Nichts Besonderes«, gab ich es ihr zurück: »Eigentlich bin ich nur ein ehrlicher Tagedieb.«
»Sie leben in München?« wollte sie wissen.
»Ja.«
»Aber Sie sind kein Münchner?«
»Wahlmünchner«, behauptete ich, und das war die erste Wahrheit.
Als Sohn eines Amerikaners und einer Deutschen bin ich zweisprachig aufgewachsen. Mein Geburtsort Berlin war nur ein Zufall, denn ich lag noch im Kinderwagen, als meine Eltern nach London zogen, dann nach Rom, dann nach Washington. Japan machte ich nicht mehr mit; da war ich schon an der Universität und wurde von der Organisation nach dem Examen einfach geshanghait.
Ich bin nicht dazugekommen, darüber nachzudenken, ob ich nun ein Patriot war oder ein Abenteurer. Jedenfalls arbeitete ich nicht bei unserem Verein, um zu moralisieren, sondern um womöglich Konflikte und Kriege zu verhindern: Die höhere Moral.