Krisenkommando. Will Berthold
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»Wie steht’s eigentlich mit Ihrem Arabisch?« fragte der Vize am Schluß.
»Null«, antwortete ich.
»Blitzkurs«, ordnete der Colonel an.
Damit hatte ich meine Erfahrung, denn mir war schon einmal ein ganzes Jahr chinesischer Sprachunterricht aufgenötigt worden, und ich mußte mich hinterher in Rio de Janeiro wundern, wie wenig chinesisch die Brasilianer sprachen.
3
Schon bei meiner Ankunft in München war mir aufgefallen, daß mir die Organisation kein Hotel als Quartier zugewiesen hatte. Nach der ersten Besprechung wurde ich im Fuchsbau unter »Hausarrest« gestellt. Die geheimen Unterlagen, mit denen ich mich auf meinen Einsatz vorbereiten sollte, durften nicht einmal den Raum, und schon gar nicht die Residenz verlassen.
Es war Nachmittag. Das Apartment erwies sich als ein komfortables Verließ, mit Schlafzimmer, Bad und Wohn-Arbeitsraum. Selbst eine kleine, gut assortierte Bar war vorhanden, obwohl trinken bei uns im Dienst nur »zu Schulungszwecken« erlaubt ist.
Das Essen würde vorzüglich sein und per Aufzug in meine luxuriöse Klause kommen. Alles war – wenn auch nicht in München – schon einmal dagewesen. Der Freiheitsentzug hieß Gastfreundschaft, und eine delikate Küche gehörte genauso zur Organisation wie die Anonymität.
Die Gemütlichkeit endete, als ich das brisante Material überflog, das mir zur Verfügung gestellt worden war: Eine sorgfältig recherchierte Analyse der Situation im mittleren Osten, unter besonderer Berücksichtigung Palästinas. Die Levante war immer das Pulverfaß der Weltgeschichte gewesen, und das Heilige Land auch das blutige Land. Aber alle Probleme wurden in eine neue, hochexplosive Dimension versetzt, als die Araber nach dem Jom-Kippur-Krieg die Ölwaffe erfunden hatten. Schon die Androhung genügte, um die westlichen Industrieländer in Massenhysterie zu versetzen. Auf Anhieb waren die Abnehmer von den Sultans, Emiren, Scheichs und Obristen zu Sonntagsfahrverboten, Geschwindigkeitsbeschränkungen und einschneidenden Sparmaßnahmen gezwungen worden.
Zwar hatten sich die Verhältnisse inzwischen dahingehend konsolidiert, daß das Erdöl nach mehrfacher Preiserhöhung etwa um den Prozentsatz zu teuer war, als es vor der Krise zu billig gehandelt worden ist, aber wenn man den Ölhahn ganz abdrehte, würde man die westlichen Staaten in eine Art industrielle Steinzeit zurückversetzen.
Daran hatten die Ölproduzenten kein Interesse. Sie wollten verdienen, und zwar möglichst das Fünffache bei halber Lieferung – Mengenlehre auf arabisch – und um profitieren zu können, mußte die Weltwirtschaft im freien Westen funktionieren. Während die Ölwaffe zuerst eingesetzt worden war, um ein wenig außerhalb der Freiwilligkeit eine Parteinahme gegen die Israeli zu erzwingen, stellte sich nunmehr die verblüffende Tatsache heraus, daß die verwünschten Ölscheichs und ihre erpreßten Abnehmerländer gewissermaßen in einem Boot saßen.
Diese zuerst ungläubig aufgenommene These wurde zur Binsenweisheit, als eine Terroristengruppe unter Leitung des berüchtigten Carlos in Wien nach einer wilden und blutigen Schießerei sämtliche Ölminister der OPEC-Staaten – darunter sicher einige ihrer eigenen Finanziers – entführt und erst nach langen Verhandlungen wieder freigelassen hatte.
Ein Anschlag auf die Ölversorgung brachte für die Polit-Desperados gleich zweifachen Nutzen: Er schadete den Ölscheichs, die sicher keine Kommunisten waren – auch wenn sie solche bezahlten, um sie sich vom Leib zu halten –, und er legte die westliche Wirtschaft lahm. Terrortrupps, die bereit waren, unter Einsatz ihres Lebens dieses dreckige Geschäft mit dem Schwarzen Gold zu besorgen – sei es für Moskau oder auf Rechnung irgendeiner wahnwitzigen Splittergruppe –, gab es in Nahost im Dutzend.
Nunmehr hatte unsere Organisation erfahren, daß Selbstmordkommandos aus der Wüste unterwegs waren, um in Zusammenarbeit mit deutschen Terroristen, die bei den Fällen Ponto, Buback und Schleyer gezeigt hatten, daß sie vor nichts zurückschreckten, in Deutschland – und simultan in anderen westlichen Ländern – Anschläge planten, die ein unvorstellbares Chaos auslösen könnten.
Es gab nicht nur Schwierigkeiten und Drohungen aus dem nahöstlichen Untergrund, wir mußten auch Fehlreaktionen im eigenen Lager befürchten, die den Dritten Weltkrieg zünden konnten. Wir mußten zum Beispiel versuchen, die gefährlichen Spielereien eines hohen NATO-Diplomaten zu stoppen. »Wenn wir Libyen besetzen«, hatte er laut gedacht, »werden die Russen wohl kaum den Atomkrieg riskieren.«
Ein Spiel mit dem Tod. In Millionenzahl. Ich betrachte es als eine Aufgabe unserer Organisation, Wege zu finden, die weniger verlustreich, weniger gewaltsam, weniger blutig und weniger verbrecherisch sind.
Und trotzdem erfolgreich.
4
Gegen 16.30 Uhr kam der General persönlich in mein Apartment. Er war hier gewissermaßen der Hausherr, doch er klopfte höflich an und wartete auf meine Antwort, vielleicht nur, weil er nicht allein erschienen war. Zuerst erkannte ich nur ihn; seine massige Gestalt verdeckte seine Begleiterin.
Dann sah ich rot.
Oder besser: blond.
Ich hatte noch keinen Tropfen aus der Hausbar genascht, aber ich starrte in das Gesicht Dianas, meines Flirts von heute morgen.
Sie lächelte, und an meiner Wahrnehmung war nicht länger zu zweifeln, und so stand außer Frage, daß sie von meiner eigenen Organisation auf mich angesetzt worden war. Dieser Unfug war Usus bei uns, natürlich eine original amerikanische Idee.
Da gab es zum Beispiel einen Elektro-Multi, dessen leitende Manager einmal im Jahr jeweils bei ihrem unmittelbaren Vorgesetzten in einem Gespräch unter vier Augen eine Art profaner Ohrenbeichte ablegen mußten. Dabei war alles aufs Tapet zu bringen, was intim und peinlich war: Daß die Ehe lahmte, weil die Midlife-crises den Hausherrn Bocksprünge machen ließ, daß der Jüngste wegen Latein sitzengeblieben sei und die Tochter sich mit einem türkischen Studenten herumtrieb.
So ähnlich ist es mit den Inspektionen, die unser Verein bei seinen Männern im Außendienst leistet. Sicher war es in meinem Fall nicht darum gegangen, mir meinen Malus gegenüber den Schönen anzukreiden, sondern um meine Beobachtungsgabe zu testen.
Ich betrachtete diese perfide Unschuld namens Diana; ihre fast schulterlangen Haare fielen zur Seite, der blonde Gesichtsvorhang war weit aufgezogen. Des Vizes Helferin trug einen türkisfarbenen, hinreißend geschnittenen Hosenanzug, genau auf die Farbe ihrer Augen abgestimmt. Im Gegensatz zu heute morgen spürte ich keine Ausstrahlung von kühler Hitze, sondern witterte bewährte Unnahbarkeit.
Es war wenig sinnvoll, in meiner Situation den Steher im Ring zu mimen, den kein Boxhieb zeichnet. Meine morgendliche Halb-Eroberung hatte mir einen ganz schönen Tiefschlag versetzt.
»Seien Sie nicht kindisch, Ferry«, sagte der Quadrat-Schädel: »Wir mußten diesen kleinen Test mit Ihnen anstellen.« Sein Lächeln war vergiftet wie Großstadtluft. »Unseren Freund hier«, nickte er Diana zu, »kann man ohne weiteres in die Hölle schicken, aber nicht ungeprüft einem Harem aussetzen.«
»Sir«, griff ich ihn an. »Mir steht keine Kritik an Ihren seltsamen Methoden zu, aber erlauben Sie mir bitte die Feststellung, daß ich Sie für unfair halte.«
»Unsere Gegenspieler sind auch nicht fair«, schnippte der Vize meinen Einwand weg. »Nun regen Sie sich schon ab, Ferry. Sie haben übrigens eine ganz gute Figur gemacht und das Examen bestanden.«
»Mag