Krisenkommando. Will Berthold
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»Dave«, nannte er mir den Namen eines Top-Agenten. »Sie haben schon mit ihm zusammengearbeitet.«
»Ja«, antwortete ich, »damals in Bangla Desh.« Ich setzte hinzu: »Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Sir: Entweder Dave so lange unter Verschluß zu halten, wie ich an diesen Fall gesetzt bin, oder ihn mir an die Hand zu geben.«
»Entscheidungen treffe ich«, rettete sich der General in einen halbwegs geordneten Rückzug.
Er schloß die Türe hinter sich.
Diana und ich lächelten uns an, ziemlich unbefangen.
»Ich hab’ dich lieb«, begann ich. »Wie sagt man so etwas auf arabisch?«
»Am besten gar nicht«, erwiderte sie. »Fangen wir lieber bei den Grundbegriffen an. Bitte wiederholen Sie: Mumkin ähud ilfutûr sabâhan?«
Ich versuchte es. »Und was heißt das?« mißtraute ich ihr.
»Kann ich morgens ein Frühstück bekommen?« antwortete Diana.
Der Tag begann mir wieder zu gefallen. Ich wünschte, daß ich diese zweisame Etappe nicht allzuschnell mit einer Front von Blut, Bluff und Dreck vertauschen müßte.
5
Doppelgänger war nun wirklich übertrieben, aber dieser Grenzlein hatte fraglos eine Ähnlichkeit mit mir, aus der sich etwas machen ließe, und in meiner Branche, die zum ständigen Wechsel der Identität zwingt, ist man so etwas wie ein Verkleidungs-Künstler. Auch unsere Gegenspieler selbst sehen oft ihren Fahndungsfotos längst nicht mehr ähnlich. Eine der Maschen der Terroristen ist es, Aussehen und Persönlichkeit ständig zu wechseln. Wer den ganzen Tag Theater spielt, ist wohl auch noch am Abend eine Art Freizeit-Mime, und so vermischen sich irgendwie die Konturen.
Ich ließ mein angebliches Konterfei während des Kreuzverhörs nicht aus dem Auge. Manchmal sah ich wie in einen verstaubten Spiegel, und mitunter stellte er sich auch als Zerrspiegel heraus. Dieser Bursche war ein ziemlich harter Brokken, ein Kotzbrocken. Er wirkte auf eine verschlagene Weise intelligent. In stundenlangen Vernehmungen prallte die harte Tour von ihm ab, und auf die weiche fiel er ohnehin nicht herein.
Der Mann war körperlich gut in Form und dialektisch geschult. Er sprach in einem modischen Soziologen-Welsch, und machte sich gleichzeitig darüber lustig, als wollte er vorführen, daß bei ihm gegen entsprechenden Eintrittspreis alle Türen offenstünden.
Ich war heute morgen vom Fuchsbau in einem geschlossenen Wagen in das Untersuchungsgefängnis gefahren worden. Lothar Grenzlein wurde im Nebenraum durch die Mangel gedreht; auch wenn er gelegentlich schwarz-weiß redete, konnte ich ihn in Farbe sehen. Gleich viermal, denn vier versteckte Kameras hatten ein Vernehmungszimmer fast in ein TV-Studio für live-Sendungen verwandelt.
Seine Stimmlage war etwas höher als meine, sein Blick wirkte unstet, aber das lag vermutlich an der Situation. Seinen rollenden Gang konnte man erlernen, und den halben Zentimeter Länge, der ihn von mir unterschied, durch Schuhe mit besonders flachen Absätzen ausgleichen. Ein Kilo Gewichtsunterschied macht nichts aus, wenn man nicht gerade Mannequin ist. Seine Augen waren grau-blau und meine blau-grau.
Seine brünetten Schnittlauchlocken wirkten eine Spur heller als meine Haarzier und waren ganz erheblich länger: Die Farbe konnte man tönen, und da selbst der Vize mir keinen schnelleren Haarwuchs befehlen konnte, würden wir seine Lockenpracht stutzen, und sein korrigiertes Konterfei als Fahndungsfoto nach dem angeblichen Ausbruch veröffentlichen.
Natürlich war die deutsche Justiz unabhängig, und wir konnten mit dem Mann nicht einfach umspringen, wie wir wollten, aber der Verhaftete stellte einen Sicherheitsfall dar. Deshalb arbeiteten wir uns über Bundesanwalt, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst unauffällig an ihn heran.
»Mir brummt schon der Schädel von dieser dämlichen Fragerei«, sagte Grenzlein zu einem Kriminalkommissar. »Ich habe hundsmiserabel geschlafen.«
»Gleich kommen mir die Tränen«, grinste der Kripo-Mann.
»Setzen Sie nicht auf meine Anpassungs-Schwierigkeiten«, sabberte der Student mit den vielen Semestern. »Bei mir kommt nicht so schnell Väterchen Frust.«
»Wer, bitte?«
»Die Frustration«, dozierte er hochmütig. »So etwas wie zum Beispiel Ihre Beamtenlaufbahn.«
Während Grenzlein kleine Wölkchen aus seiner Pfeife paffte – eine bestimmte Sorte dänischen Tabaks –, sah es aus, als hätte der Vernehmende den Faden verloren. Jedenfalls war der lohnabhängige Kommissar sein Gehalt wert.
»Also, zum letztenmal«, polterte der 30jährige mit der Terror-Erfahrung. »Ob ich diesen Ali kenne oder nicht, richtet sich ausschließlich danach, ob wir endlich ins Geschäft miteinander kommen oder nicht. Ich hab’ nichts gegen Sie, aber für diesen Fall sind Sie mir einfach zwei Schuhnummern zu klein. Entweder bringen Sie mir bis heute mittag einen Fachmann aus der Pullacher BND-Zentrale, oder ich trete in den Aussage-Streik.«
»Das ist nicht so einfach, Herr Grenzlein«, erwiderte der Kripomann und leistete sich einen hübschen Witz. »Ihr Antrag ist auf dem langen Marsch durch die Institutionen«, setzte er hinzu, ohne das Gesicht zu verziehen.
Pause. Der U-Häftling wurde allein gelassen. Der Beamte ging ein wenig zu schnell. Es war ziemlich sicher, daß mein Double auf die Subalternmasche hereinfiel.
Was nunmehr auch geschehen würde, das Drehbuch dazu hatte unsere Organisation geschrieben. Es wußte niemand, daß Grenzlein in Stadelheim einsaß. Wir hatten von vornherein dafür gesorgt, daß die Erfolgsmeldung über seine Verhaftung nicht im Polizeibericht stand.
Wir konnten auf die Dauer aber nicht verhindern, daß er mit seinem Anwalt in Verbindung trat, und der Verteidiger würde darauf bestehen, daß gegen Grenzlein ein Haftbefehl ausgestellt oder er aber aus dem Gefängnis entlassen würde. Bei dem Sündenkonto Grenzleins konnte es nicht schwer sein, vom Ermittlungsrichter die legale Grundlage zu erhalten, aber wenn der Haftbefehl ausgestellt war, setzten sich automatisch die Mühlen der Justiz in Bewegung, und dann wäre es sicher schwierig, mit dem Revoluzzer zu einem echten – oder auch falschen – Arrangement zu kommen. Natürlich konnten wir, um ihn seinem Anwalt zu entziehen, einen der üblichen Tricks anwenden und ihn von einer Haftanstalt in die andere verlegen, so daß sich Arrestant und Beistand eine Weile lang verfehlen würden wie die berühmten Königskinder.
Schließlich würden wir einen Ausbruch in Wildwestmanier inszenieren und dann ganz klein beigeben. Leider wäre nicht zu vermeiden, daß die deutsche Polizei mit Vorwürfen überschüttet würde, weil wegen ihrer Nachlässigkeit ein langgesuchter Extremist getürmt sei.
Der Witz bei der Sache bliebe nur, daß ich den Geflüchteten darstellen würde – während Grenzlein auf Nummer sicher bliebe, gehütet wie ein Augapfel, und zwar aus gutem Grund. Sollte er auftauchen, während ich im nahöstlichen Operationsraum arbeitete, wäre mein Leben nicht mehr wert als der Schuß Pulver, der es auslöschen würde.
Bisher war er meine schlechte Kopie – in der Stunde X würde er zwangsläufig zum Pseudo-Original. Jetzt schon wußte ich ein bißchen mehr über sein Leben, als daß er fast vegetarisch aß, mit Vorliebe Mehlspeisen,