Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 152
»Hier ist nichts zu sehen als das Dunkel und die Ruhe einer lieblichen Nacht,« flüsterte Duncan. »Wie sehr würden wir in jedem andern Augenblick eine solche Scene in ihrer athemlosen Einsamkeit bewundern, Cora! Stellen Sie sich vor, Sie wären in Sicherheit und das, was jetzt vielleicht Ihren Schrecken vermehrt, dürfte vielleicht Ihren Genuß erhöhen!« –
»Horcht!« unterbrach Alice.
Die Aufforderung war unnöthig. Noch einmal erscholl derselbe Laut, als ob er aus dem Flußbette käme und aus den engen Klüften der Klippen brechend durch die Wälder in entfernten und dahin sterbenden Cadenzen fortwogte.
»Kann einer,« fragte Hawk-eye, als sich das letzte Echo in den Wäldern verlor, »einem solchen Ton einen Namen geben, so spreche er: ich für meinen Theil glaube, daß er nicht der Erde angehört.«
»Hier ist Jemand, der euch enttäuschen kann,« sprach Duncan: »mir ist der Ton recht wohl bekannt, oft hab ich ihn auf dem Schlachtfeld gehört, und in Lagen, die sich im Soldatenleben nicht selten wiederholen. Es ist der schreckliche Angstschrei eines Pferdes in dem Todeskampf, oft durch Schmerz, zuweilen durch Angst ihm ausgepreßt. Mein Pferd ist entweder in den Krallen der Bestien des Waldes, oder sieht es die Gefahr, ohne ihr entrinnen zu können. Der Ton konnte mich täuschen, so lange ich in der Höhle war, aber hier in freier Luft erkenne ich ihn zu gut, um mich zu irren.«
Der Kundschafter und seine Gefährten hörten dieser einfachen Erklärung mit der Aufmerksamkeit von Leuten zu, die eine neue Idee begierig auffassen, zugleich aber der alten, die ihnen unangenehm wird, sich noch nicht entschlagen können. Die beiden Letztern stießen ihr gewöhnliches, ausdruckvolles »Hugh!« aus, als die Wahrheit des Gesagten ihnen einzuleuchten anfing, während der Erstere nach kurzem Nachdenken antwortete:
»Ich kann euern Worten nicht widersprechen, denn ich verstehe mich wenig auf Pferde, obgleich ich in einem Lande geboren bin, wo man sie in Menge findet. Die Wölfe müssen über ihren Köpfen am Ufer umherschwärmen, und die furchtsamen Geschöpfe rufen den Menschen um Hülfe an, so gut sie können, »Uncas« – hier sprach er delawarisch – »fahr’ mit dem Canoe hinunter und wirf einen Feuerbrand unter das Pack; sonst thut die Furcht, was die Wölfe nicht thun können, und wir haben morgen keine Pferde, wo wir sie am nöthigsten brauchen, um unsere Reise möglichst zu beschleunigen.«
Der junge Eingeborne war schon an das Wasser hinabgestiegen, um seinem Befehle zu folgen, als ein langes Geheul vom Ufer des Flusses sich hören ließ und sich schnell in die Tiefen des Waldes entfernte, als ob die Raubthiere, von plötzlichem Schrecken ergriffen, ihre Beute freiwillig im Stiche ließen. Uncas kam mit instinktmäßiger Eile zurück, und die drei Waldbewohner hielten wieder leise ihre ernstliche Berathung.
»Es ging uns, wie den Jägern, welche die Richtungspunkte am Himmel verloren, und vor denen sich die Sonne den ganzen Tag verborgen hatte,« sprach Hawk-eye, von seinen Gefährten sich abwendend.
»Jetzt fangen wir wieder an die Kennzeichen unseres Weges zu gewahren, und die Pfade sind von Dornen gereinigt. Setzt euch in den Schatten, welchen der Mond von jenem Ufer her wirft – er ist dunkler als der von den Fichten – und laßt uns erwarten, was dem Herrn gefallen wird, über uns zu verfügen. Wir wollen einander nur noch zuflüstern, und vielleicht wäre es noch besser, wenn jeder eine Weile sich nur mit seinen eigenen Gedanken unterhielte.«
In dem Tone des Kundschafters lag hoher Ernst, aber ohne länger ein Zeichen unmännlicher Furcht zu verrathen. Offenbar war seine augenblickliche Schwäche mit der Erklärung des Wunders, das seine eigene Erfahrung nicht ergründen konnte, verschwunden, und wenn er auch die Gefahr ihrer jetzigen Lage wohl erkannte, so war er doch bereit, ihr mit der ganzen Energie seines entschlossenen Charakters Trotz zu bieten. Dies Gefühl schienen auch die Eingebornen zu theilen: sie setzten sich so, daß sie beide Ufer überschauen konnten, während sie selbst der Beobachtung aus der Ferne entzogen waren. Unter solchen Umständen verlangte die gewöhnliche Klugheit Heywards und seiner Begleiter, eine Vorsicht nachzuahmen, die aus einer so verständigen Quelle floß. Der junge Mann holte aus der Höhle ein Bündel Sassafras, legte es in die Felsenspalte, welche sich zwischen beiden Höhlen befand, und hieß die Schwestern sich darauf niederlassen, die so durch die Felsen vor jederlei Geschoß geschützt waren, während man ihre Besorgnisse durch die Versicherung hob, daß keine Gefahr ohne vorherige Warnung herannahen könne. Heyward selbst stellte sich in ihre Nähe, so daß er mit ihnen sprechen konnte, ohne seine Stimme auf eine gefährliche Höhe zu erheben, während David, dem Beispiele der Waldmänner folgend, seine Person in den Spalten der Felsen auf eine solche Weise unterbrachte, daß seine unförmlichen Gliedmaßen dem Auge nicht länger anstößig waren.
So vergingen mehrere Stunden ohne weitere Unterbrechung. Der Mond erreichte sein Zenith und goß sein mildes Licht auf die lieblichen Gesichter der Schwestern, die einander in den Armen entschlummert waren. Duncan warf den weiten Shawl Cora’s über ein Schauspiel, das er so gerne betrachtete, und suchte dann für sein eigenes Haupt ein Kissen auf dem Felsen. David begann Töne hören zu lassen, die während des Wachens seine zarten Organe verletzt haben würden; kurz Alle, außer Hawk-eye und den Mohikanern, versanken, vom Schlafe bewältigt, in einen Zustand der Bewußtlosigkeit. Aber die Wachsamkeit ihrer unermüdeten Beschützer schlummerte nie. Unbeweglich, wie der Fels, von dem sie einen Theil zu bilden schienen, lagen sie da, während ihre Augen unabläßig an dem dunkeln Rande der Bäume umherschweiften, welche die nahen Ufer des engen Stromes begränzten. Kein Laut entschlüpfte ihnen, und die schärfste Beobachtung konnte nicht entdecken, daß sie athmeten. Offenbar stützte sich diese außerordentliche Vorsicht auf eine Erfahrung, die keine List ihrer Feinde berücken konnte, und dauerte so lange ohne scheinbaren Erfolg, bis der Mond untergegangen war, und ein blasser Lichtstreif über den Gipfeln der Bäume an einer Krümmung des Flusses weiter unten den Anbruch des Tages verkündigte. Jetzt rührte sich Hawk-eye zum ersten Mal. Er kroch auf dem Felsen heran und rüttelte Duncan aus seinem tiefen Schlafe auf.
»Jetzt ist es Zeit, daß wir aufbrechen,« flüsterte er, »weckt eure Frauen und haltet euch bereit, in das Canoe zu steigen, wenn ich es an den Landungsplatz bringe!«
»Habt Ihr eine ruhige Nacht gehabt?« fragte Heyward. »Bei mir hatte, glaub’ ich, der Schlaf über’s Wachen gewonnen.«
»Alles ist still wie die Mitternacht. Schweigt, aber seyd flink bei der Hand.«
Jetzt war Duncan völlig wach und hob sogleich den Shawl über den schlafenden Mädchen weg. Bei dieser Bewegung fuhr Cora mit der Hand empor, als wollte sie ihn zurückstoßen, während Alice mit ihrer sanften, zarten Stimme flüsterte: nein, nein, lieber Vater, wir waren nicht verlassen, Duncan war bei uns! »Ja, liebliche Unschuld,« flüsterte der Jüngling, »Duncan ist hier, und so lange er lebt, oder Gefahr droht, wird er dich nie verlassen, Cora! Alice! erwachet! die Stunde zum Aufbruch ist da!«
Ein lauter Angstschrei der jüngern Schwester, und der Anblick der ältern, die in wirrem Schrecken aufrecht vor ihm stand, war die unerwartete Folge seines Zurufs. Während die Worte noch auf Heywards Lippen schwebten, erhob sich ein so entsetzlicher Aufruhr gellenden Geheuls, daß er den schnellen Strom seines Bluts von seinem pochenden Laufe zu dem Herzen zurück trieb. Es war, als ob alle Dämonen der Hölle die Luft um sie her erfüllten, und ihre wildeste Laune in diesen barbarischen Tönen austoben wollten. Das Geschrei kam aus keiner besonderen Richtung, sondern erfüllte rings umher die Wälder, und wie sich die bestürzten Horcher leicht einbildeten, selbst die Höhlen der Wasserfälle, die Felsen, das Bett des Flusses und die obere Luft. David erhob inmitten dieses höllischen Lärms seine hagere Gestalt und rief, indem er sich mit beiden Händen die Ohren zuhielt:
»Woher kommen diese Mißtöne? Ist die Hölle los, daß man solche Töne von Menschen vernimmt?«
Helle