Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Sobald Cora und Alice saßen, hieß der Kundschafter, ohne einen Blick auf das Element zu werfen, Heyward eine Seite des gebrechlichen Fahrzeugs unterstützen, während er sich selbst auf die andere stellte, und so brachten sie es, gefolgt von dem niedergeschlagenen Besitzer des todten Füllen, stromaufwärts. Auf diese Weise gingen sie eine gute Strecke fort, und beobachteten ein Stillschweigen, das nur durch das Schlagen der Wogen, wenn Wirbel sie umgaben, und durch das leise Geräusch, das ihre vorsichtigen Fußtritte machten, unterbrochen wurde. Heyward überließ die Lenkung des Canoe’s durchaus dem Kundschafter, welcher sich dem Ufer bald näherte, bald sich von ihm entfernte, um Felsblöcke oder tiefere Stellen zu vermeiden, mit einer Gewandtheit, welche seine Kenntniß des eingeschlagenen Weges genügsam bekundete. Gelegentlich hielt er an und inmitten dieser Todtenstille, welche das dumpfe, jedoch zunehmende Rauschen des Wasserfalls nur noch mehr bezeichnete, horchte er mit ängstlicher Aufmerksamkeit, ob nicht etwa ein Laut aus dem schlummernden Walde hervordringe. Wenn er sich überzeugt hatte, daß Alles ruhig war, und er selbst mit seinen geübten Sinnen kein Zeichen annähernder Feinde entdecken konnte, fuhr er mit großer Bedächtlichkeit langsam und vorsichtig weiter. Endlich erreichten sie eine Stelle in dem Fluß, wo Heyward’s umherschweifendes Auge eine Gruppe schwarzer Gegenstände gewahrte, die sich auf einem Punkte beisammen fanden, wo das höhere Ufer einen tieferen Schatten auf die finsteren Gewässer warf. Er zögerte, weiter zu fahren, und richtete die Aufmerksamkeit seines Begleiters auf diese Stelle, »Nun,« versetzte der ruhige Mann, »die Indianer haben hier die Thiere mit der den Eingebornen eigenen Vorsicht untergebracht. Das Wasser läßt keine Spur zurück und selbst die Augen einer Eule würden in der Finsterniß einer solchen Höhle erblinden.«
Die ganze Parthie war jetzt vereinigt und eine zweite Berathung zwischen dem Kundschafter und seinen neuen Genossen erfolgte, während welcher sie, deren Schicksal von der Treue und Rechtlichkeit dieser unbekannten Waldbewohner abhing, ein wenig Muße hatten, sich genauer umzusehen.
Der Fluß war zwischen hohe und rauhe Felsen eingezwängt, von denen einer über die Stelle, wo das Canoe ruhte, herüberhing. Da diese wieder von hohen Bäumen überragt wurden, welche an dem Rande des Absturzes zu schwanken schienen, so war es, als ob der Strom ein tiefes und enges Thal durchflösse. Unter diesen fantastischen Felsrändern, und den zackigen Baumgipfeln, welche sich hier und da dunkel an den gestirnten Zenith malten, lag Alles in dichter Finsterniß. Hinter ihnen begränzte die Krümmung der Ufer bald die Aussicht durch dieselbe dunkle und waldige Säumung, aber vorne und scheinbar in geringer Entfernung schien das Wasser zum Himmel emporgethürmt, und stürzte von da in Höhlen, aus denen jene unheimlichen Töne, welche die Abendluft erfüllten, sich vernehmen ließen. Der Ort schien wirklich der Abgeschiedenheit geweiht, und die Schwestern empfanden ein wohlthuendes Gefühl von Sicherheit, als sie seine romantischen, wenn gleich nicht schrecklosen Schönheiten betrachteten. Eine allgemeine Bewegung unter ihren Führern rief sie jedoch bald von dem Anschauen dieser Zauber, welche die Nacht dem Orte verliehen hatte, zu dem peinlichen Bewußtseyn wirklicher Gefahr zurück.
Die Pferde waren an einigen zerstreuten Gesträuchen, die aus den Spalten der Felsen wuchsen, angebunden und mußten hier, im Wasser stehend, die ganze Nacht zubringen. Der Kundschafter hieß Heyward und seine angstvollen Begleiter sich in das vordere Ende des Canoe setzen und nahm selbst Besitz von dem andern, so aufrecht und fest, als ob er in einem Fahrzeug von viel stärkerem Material dahinführe. Die Indianer zogen sich behutsam zu der Stelle zurück, die sie verlassen hatten, als der Kundschafter, seine Ruderstange gegen einen Felsen stemmend, mit einem kräftigen Stoss die gebrechliche Barke mitten in die stürmische Strömung trieb. Mehrere Minuten war der Kampf zwischen dem leichten Fahrzeug, in dem sie fuhren, und dem ungestümen Strome ernst und zweifelhaft. Da die Reisenden keine Hand rühren durften und beinahe nicht zu athmen wagten, um nicht das schwache Schifflein der Wuth des Stromes preiszugeben, starrten sie, in fieberhafter Spannung auf die schäumenden Wogen hin. Oft glaubten sie, die wirbelnde Springfluth stürze sie in unvermeidliches Verderben – doch jedesmal stemmte die Meisterhand des Steuermanns den Bug des Canoe’s der Strömung entgegen. Eine lange, kräftige, und wie es den Frauen schien, verzweiflungsvolle Anstrengung beschloß den Kampf. Gerade als Alice ihre Augen vor Entsetzen geschlossen hatte, weil sie glaubte, von dem Strudel am Fuße des Wasserfalls verschlungen zu werden, blieb das Canoe an der Seite des flachen Felsens, der mit dem Wasser von gleicher Höhe war, wie angewurzelt stehen.
»Wo sind wir? Was ist zunächst zu thun?« fragte Heyward, als er wahrnahm, daß die Anstrengungen des Steuermanns aufgehört hatten.
»Ihr seyd am Fuße des Glenn,« versetzte der Andere, mit lauter Stimme, ohne beim Brausen des Wasserfalls schlimme Folgen zu befürchten; »das Nächste ist, festen Fußes auszusteigen, damit das Canoe nicht aufstoße und ihr den schwierigen Weg, den wir gemacht haben, schneller hinabfahret, als ihr heraufgekommen seyd. Es ist ein hart Stück Arbeit, gegen die Strömung zu fahren, wenn der Fluß etwas angeschwellt ist, und fünfe sind eine starke Zahl, wenn man sich in einem Kahn, mit Harz verstrichen, in solchen Strudeln und Wirbeln trocken halten will. Da, tretet alle auf den Felsen, und ich will die Mohikaner mit dem Wildpret bringen. Leichter schläft sich’s ohne Skalp, als wenn man mitten im Ueberfluß Hunger leiden soll.«
Froh befolgten seine Gefährten diese Weisung. Wie der letzte Fuß den Felsen berührte, wirbelte das Canoe von seinem Standort; die hohe Gestalt des Kundschafters war einen Augenblick sichtbar, wie er über die Fluthen dahinglitt, ehe er in der undurchdringlichen Finsterniß, die über dem Bette des Flusses lag, verschwand. Verlassen von ihrem Führer, blieben die Reisenden einige Minuten in hülfloser Unwissenheit, indem sie zögerten, sich auf den durchbrochenen Felsen fortzubewegen, damit nicht ein Fehltritt sie in eine der tiefen und schäumenden Höhlen stürze, in welche das Wasser auf allen Seiten heranzubrausen schien. Bald waren sie jedoch von ihrer Ungewißheit befreit. Unterstützt von der Kunst der Eingebornen schoß das Canoe zurück durch die Wirbel und lag wieder zur Seite des flachen Felsens, ehe sie glaubten, daß der Kundschafter Zeit gehabt habe, bei seinen Freunden einzutreffen.
»Nun haben wir Bollwerk, Besatzung und Proviant!« rief Heyward in munterer Laune, »und können Montcalm und allen seinen Verbündeten die Spitze bieten. Jetzt, meine scharfsichtige Schildwache, könnt Ihr etwas von euren Irokesen, wie Ihr sie nennt, auf dem Lande drüben sehen?« »Ich heiße sie Irokesen, weil mir jeder Eingeborne, der eine fremde Sprache spricht, als Feind gilt, wenn er auch vorgibt, dem Könige zu dienen! Wenn Webb von einem Indianer Treue und Redlichkeit haben will, so hole er die Stämme der Delawaren und schicke diese raubsüchtigen, lügenhaften Mohawks und Oneidas mit ihren sechs Nationen von Lumpenkerls dahin, wohin sie ihrer Natur nach gehören, zu den Franzosen’«
»Dann würden wir einen kriegerischen Freund gegen einen unbrauchbaren vertauschen. Ich habe gehört, daß die Delawaren das Schlachtbeil niedergelegt haben und sich’s gefallen ließen, Weiber genannt zu werden.«
»Ja, Schande auf die Holländer und die Irokesen, die sie durch ihre Teufeleien zu einem solchen Vertrage verleitet haben! Aber ich kenne sie seit zwanzig Jahren und nenne den einen Lügner, welcher sagt, daß Memmenblut in den Adern eines Delawaren fließe. Ihr habt ihre Stämme von dem Seegestade vertrieben und glaubt nun gerne, was ihre Feinde sagen, um Nachts ruhiger auf euren Kissen zu schlafen. Nein, nein; bei mir ist jeder Indianer, der eine fremde Sprache redet, ein Irokese, mag nun die Burg seines Stamms in Canada oder in York stehen.«
Als Heyward sah, daß die hartnäckige Anhänglichkeit des Kundschafters an seine Freunde, die Delawaren oder Mohikaner – sie waren Zweige desselben zahlreichen Volkes – eine nutzlose Erörterung herbeiführen dürfte, so ging er auf einen andern Gegenstand über.
»Vertrag oder nicht, ich sehe jetzt wohl, daß eure zwei Begleiter wackere und vorsichtige Krieger sind. Hörten oder sahen sie etwas von unsern Feinden?«
»Einen Indianer spürt man vorher, ehe man ihn sieht,« antwortete der Kundschafter, den Felsen hinansteigend und den Rehbock nachläßig hinwerfend, »Ich verlasse mich