Gesammelte Beiträge von Max Weber. Max Weber
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Daß die vorstehenden »Typen« des »Bauerngemeinwesens«, der »Adelspolis«, des »bureaukratischen Stadtkönigtums«, der »Hopliten«- und »Bürgerpolis«, der »Leiturgiemonarchie«, selten reinlich geschieden neben- oder nacheinander existierten, braucht kaum bemerkt zu werden. Diese »idealtypischen« Begriffe dienen hier nur dazu, den einzelnen Staat danach orientierend zu klassifizieren: ob er sich, im ganzen oder in bestimmten einzelnen Beziehungen, zu einem gegebenen Zeitpunkt dem einen oder dem anderen jener begrifflichen Typen mehr oder minder annähert. Denn die realen Staatswesen spotten naturgemäß in den historisch wichtigsten Bestandteilen ihrer Eigenart meist jeder so einfachen Klassifikation. Vor allem ein historisch wichtiger Typus ist dabei gar nicht zu seinem Recht gekommen: die militärisch, als Hoplitenverband, konstituierte Samtgemeinde von Bauernschaften, wie sie im Altertum mehrfach, allerdings m. E. immer sekundär: unter teilweiser Uebernahme städtischer Institutionen, auftritt (Altisrael, Aitoler, Samniten). –
Immerhin kann die vorstehende Klassifikation außer dem terminologischen wohl auch den Nutzen haben, uns gegenwärtig zu halten, wie grundverschieden die Entwicklungsstadien sind, in denen uns der Zufall des Beginns historischer Quellen die einzelnen antiken Nationen antreffen läßt. Die mesopotamischen und das ägyptische Staatswesen haben zahlreiche Jahrtausende städtischer oder (Aegypten) stadtartiger Entwicklung schon hinter sich, als die ältesten für uns erreichbaren Quellen zu fließen beginnen. Sie sind bereits »Leiturgiekönigtümer«. Die Römer haben in der Zeit sicher beglaubigter Ueberlieferung das Stadium der »Bürgerpolis« der Sache nach schon überschritten. Für die Hellenen lassen sich manche ziemlich sichere Schlüsse noch für das Stadium der »Adels-polis«, ja selbst des »Burgenkönigtums« machen. Die unsicheren Nachrichten über die Kelten (die hier nicht mit abgehandelt werden) zeigen diese in allen drei ersten »Stadien«. Dabei sind aber, ferner, die Entwicklungsvorgänge von Sparta, der attischen Demokratie in der Hegemoniezeit, und Roms durchaus »einzigartige« in den historisch relevantesten Punkten, und es schließen sich überhaupt oft Einzelzüge aus verschiedenen jener begrifflich geschiedenen »Stadien« zu einem spezifisch gearteten konkreten Ganzen zusammen.
Schließlich und vor allem kreuzt der offene oder latente Kampf weltlich-politischer mit theokratischen Gewalten, die ganze Struktur des sozialen Lebens beeinflussend, jene nach rein militärischen Konstituenzien geschiedenen »Typen«. Wohl überall besteht ursprünglich eine Kombination von fürstlicher und priesterlicher Funktion. Allein eine Funktionsspezialisierung war mit ausgebildeterer Priestermacht und theologischer Entwicklung unvermeidlich. Die Machtstellung der Priesterschaft beruhte, neben dem materiellen Schwergewicht ihres Besitzes an Stiftungsgut und Einnahmen und der Beherrschung der Massen durch die Angst vor den Folgen von Sakrilegien, auch darauf, daß alle ursprüngliche »Wissenschaft« in ihrer Hand lag. Daraus folgte zweierlei: 1. allgemein: ihre Kenntnis des Rechts, welche, solange dasselbe nicht kodifiziert war, den im Besitz der Priestertümer befindlichen Geschlechtern überall eine unerschütterliche Machtstellung gab, – 2. speziell in den bureaukratisch regierten Königsstaaten: daß alle Bildung, welche Vorbedingung der Verwendung in den königlichen Aemtern war, fast nur durch die Unterweisung der Priester zugänglich wurde. Ueberall hat die orientalische Priesterschaft sich den Unterricht anzueignen gesucht: so ist sie als die Bildungsstätte in Aegypten im »neuen Reich« an die Stelle der profanen »Lehre« beim weltlichen Beamten getreten. – Kämpfe der Tempelpriesterschaften mit dem Militäradel und der Königsgewalt in den bureaukratischen Königsstaaten, und Kämpfe der nichtadligen Bürger gegen das Rechtsmonopol der adligen Priester in den Geschlechterstaaten durchziehen daher – in den verschiedensten Frontstellungen – die Frühzeit der Antike und beeinflussen auch die materielle Kulturentwicklung: Säkularisationen und Restaurationen (durch Usurpatoren, welche die Legitimität erstreben) wechseln ab. Auf die wichtigen Unterschiede orientalischer und okzidentaler Kultur in dieser Hinsicht wird weiter unten einzugehen sein. –
Es kann hier weder der Versuch einer Klassifikation noch einer Geschichte aller bekannten Agrarverfassungen gemacht, sondern nur eine Skizze des über die Agrargeschichte der historisch wichtigsten Staaten Bekannten versucht werden. Denn das im letzten Jahrzehnt publizierte Material spottet nach Umfang und Anforderungen an die Beherrschung des kulturhistorischen Gesamtmaterials der Kräfte eines jeden nicht spezialistisch (und das heißt: philologisch-archäologisch) geschulten Bearbeiters.
II. Die Agrargeschichte der Hauptgebiete der alten Kultur.
1. Mesopotamien.
Was den asiatischen Orient anlangt, so liegt das Material, welches die erstaunlichen Leistungen der Keilschriftforschung zutage fördern, bis jetzt, auch nach der Auffindung des »Codex Hammurabi«, nicht in einer solchen Verfassung vor, daß derjenige, welcher auf das Studium der übersetzt vorhandenen Texte und im übrigen auf das Schöpfen aus zweiter Hand angewiesen ist, von definitiven Resultaten für die Analyse des Wirtschaftslebens wird sprechen dürfen. Gerade die für die juristische