Maigret beim Minister. Georges Simenon
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Maigret beim Minister - Georges Simenon страница 5
Point blickte Maigret verlegen an.
»Hier habe ich einen Fehler gemacht«, fuhr er fort. »Vielleicht, weil sich dieser Piquemal so seltsam benommen hat. Er kam mir beinahe vor wie ein Anarchist, der eine Bombe legen will.«
»Wie alt ist er?«, fragte Maigret.
»Vielleicht fünfundvierzig. Weder gut noch schlecht gekleidet. Sein Blick ist der eines Verrückten oder eines Fanatikers.«
»Haben Sie sich über ihn erkundigt?«
»Nicht sofort. Es war fünf Uhr. In meinem Vorzimmer warteten noch vier oder fünf Personen, und am selben Abend musste ich für einige Ingenieure ein Essen geben. Nachdem meine Sekretärin sich vergewissert hatte, dass mein Besucher weg war, ist sie wieder ins Zimmer gekommen, und ich habe den Calame-Bericht in meine Aktentasche gesteckt.
Natürlich hätte ich den Ministerpräsidenten anrufen müssen. Ich habe es nur deshalb nicht getan, das schwöre ich Ihnen, weil ich mir noch nicht sicher war, ob Piquemal nicht vielleicht doch ein Verrückter war. Nichts bewies, dass das Dokument keine Fälschung war. Besuche von Geistesgestörten sind bei uns an der Tagesordnung.«
»Bei uns auch.«
»Nun, dann verstehen Sie mich vielleicht. Meine Termine haben bis sieben Uhr gedauert. Ich hatte gerade noch Zeit, in meiner Wohnung vorbeizugehen, um mich umzuziehen.«
»Haben Sie Ihrer Frau etwas von dem Bericht gesagt?«
»Nein. Ich hatte meine Aktentasche mitgenommen. Ich habe ihr nur gesagt, ich würde nach dem Abendessen noch zum Boulevard Pasteur gehen. Wir kommen nämlich nicht nur sonntags her, um gemeinsam ein kleines Essen einzunehmen, das sie liebevoll zubereitet, sondern ich gehe manchmal auch allein in die Wohnung, wenn ich eine wichtige Arbeit habe und ungestört sein will.«
»Wo fand das Bankett statt?«
»Im Palais d’Orsay.«
»Haben Sie die Aktentasche mitgenommen?«
»Sie ist abgeschlossen in der Obhut meines Chauffeurs geblieben, dem ich voll und ganz vertraue.«
»Sind Sie unmittelbar danach hierhergekommen?«
»Gegen halb elf. Minister haben den Vorteil, nach ihrer Rede nicht mehr bleiben zu müssen.«
»Waren Sie im Anzug?«
»Ich habe mich umgezogen, bevor ich mich hier an den Schreibtisch setzte.«
»Haben Sie den Bericht gelesen?«
»Ja.«
»Schien er Ihnen echt?«
Der Minister nickte.
»Hätte er wirklich die Wirkung einer Bombe, wenn er veröffentlicht würde?«
»Ohne jeden Zweifel.«
»Warum?«
»Weil Professor Calame die Katastrophe vorausgesagt hat, die dann eingetreten ist. Auch als Minister für Öffentliche Arbeiten fühle ich mich nicht in der Lage, seine Überlegungen nachzuvollziehen, geschweige denn die technischen Details, mit denen er seine Meinung untermauert. Jedenfalls hat er klar und deutlich gegen das Projekt Stellung bezogen, und jeder, der den Bericht gelesen hatte, musste gegen den Bau von Clairfond stimmen, so wie er geplant war, oder zumindest eine weiterführende Untersuchung fordern. Verstehen Sie?«
»Ich beginne zu verstehen.«
»Wie La Rumeur Kenntnis von dem Dokument erhalten hat, weiß ich nicht. Ebenso wenig, ob die Zeitung eine Abschrift davon besitzt. Allem Anschein nach war ich gestern Abend der Einzige, der ein Exemplar des Berichts besaß.«
»Was ist dann geschehen?«
»Gegen Mitternacht wollte ich den Ministerpräsidenten anrufen, aber man sagte mir, er sei bei einer Versammlung in Rouen. Fast hätte ich ihn dort angerufen …«
»Sie haben es nicht getan?«
»Nein, weil ich eben an den Abhördienst dachte. Ich hatte das Gefühl, eine Kiste Dynamit hier bei mir zu haben, die nicht nur die Regierung in die Luft sprengen, sondern manche meiner Kollegen ins Verderben stürzen könnte. Es ist unverzeihlich, dass diejenigen, die den Bericht gelesen haben, darauf bestehen konnten …«
Maigret ahnte, wie es weiterging.
»Haben Sie den Bericht in der Wohnung gelassen?«
»Ja.«
»Im Schreibtisch?«
»Er ist verschließbar. Ich hielt den Bericht hier für sicherer als im Ministerium, wo zu viele Leute ein und aus gehen, die ich kaum kenne.«
»Ist Ihr Chauffeur, während Sie den Bericht studierten, die ganze Zeit unten geblieben?«
»Ich hatte ihn nach Hause geschickt. Ich habe mir später an der Ecke des Boulevards ein Taxi genommen.«
»Haben Sie nach Ihrer Rückkehr mit Ihrer Frau darüber gesprochen?«
»Nein. Bis zum nächsten Tag um ein Uhr mittags, als ich den Ministerpräsidenten in der Kammer traf, habe ich niemandem gegenüber ein Wort darüber erwähnt. In einer Fensternische habe ich ihn darüber in Kenntnis gesetzt.«
»Wirkte er erregt?«
»Ich glaube schon, dass er es war. Jeder Regierungschef wäre es an seiner Stelle gewesen. Er hat mich gebeten, den Bericht zu holen und ihm persönlich in sein Arbeitszimmer zu bringen.«
»Der Bericht war nicht mehr in Ihrem Schreibtisch?«
»Nein.«
»War die Tür aufgebrochen worden?«
»Ich denke nicht.«
»Waren Sie noch mal beim Ministerpräsidenten?«
»Nein. Mir war auf einmal sehr schlecht. Ich habe mich zum Boulevard Saint-Germain fahren lassen und all meine Termine abgesagt. Meine Frau hat den Ministerpräsidenten angerufen und gesagt, ich fühlte mich nicht wohl, ich sei zusammengebrochen und würde am nächsten Morgen zu ihm kommen.«
»Weiß Ihre Frau inzwischen davon?«
»Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich sie belogen. Ich weiß nicht mehr genau, was ich ihr erzählt habe, und ich habe mich wohl mehrmals unterbrochen.«
»Weiß sie, dass Sie hier sind?«
»Sie glaubt, ich sei in einer Versammlung. Versetzen Sie sich in meine Lage! Ich bin plötzlich ganz allein, mit dem Gefühl, dass, sobald ich den Mund aufmache, alle Welt über mich herfallen wird. Niemand wird mir diese Geschichte glauben. Ich habe den Bericht in den Händen gehabt – als Einziger neben Piquemal. Außerdem war ich im Lauf der letzten Jahre mindestens dreimal bei Arthur Nicoud, dem Bauunternehmer, auf seinem Besitz in Samois zu Gast.«
Plötzlich sackte er in sich zusammen. Seine Schultern