Tod dem Management. Siegfried Kaltenecker
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»Bei solchen Unfällen sind wir verpflichtet, die genaueren Umstände zu klären«, fühlte sich Obermayr sofort zu einer Erklärung angehalten, merkte aber selbst, wie fadenscheinig diese klang.
»Verstehe«, erwiderte der CEO nach einer weiteren Pause. Allerdings war ihm deutlich anzusehen, dass das Gegenteil zutraf. Demonstrativ blickte er auf seine Armbanduhr, die mit Sicherheit ein paar Monatsgehälter verschlungen hatte – zumindest von den Gehältern, die ein Kriminalkommissar durchschnittlich verdiente. Dann presste er seine Fingerspitzen aufeinander, um mit seinen Händen eine jener Rauten zu formen, die die deutsche Bundeskanzlerin weltberühmt gemacht hatte. Das sollte zweifellos eine Botschaft sein.
»Wie genau kann ich Ihnen helfen?«
»Erzählen Sie uns doch für den Anfang einmal, wie es so war, mit Joschak zusammenzuarbeiten.«
Während Nemecek sein Notizbuch aus der Tasche kramte, fiel ihm auf, dass Obermayr ebenfalls eine Händeraute gebildet hatte. Spiegeln, nannte sie diese Strategie, die sie schon bei vielen Gesprächen eingesetzt hatte. Verstohlen blickte Nemecek zwischen seiner Kollegin und dem Acros-Chef hin und her. Beide hatten jetzt die Augenbrauen ein wenig zusammengezogen und den Mund leicht gespitzt. Konnte es sein, dass Obermayr nun sogar die Mimik ihres Gegenübers nachahmte?
»Ich muss vorsichtig sein«, setzte Pflückinger an, »da ich ja erst ein paar Monate im Unternehmen bin. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass Joschak zu denen gehörte, die ich als alte Garde bezeichne.«
»Das klingt in meinen Ohren ziemlich negativ«, merkte Obermayr an, was Pflückinger mit einem kurzen Prusten quittierte. Gleich darauf ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, als suchte er dort nach den richtigen Worten.
»Ich will Ihnen nichts vormachen. Joschak war das, was man mit Fug und Recht als Urgestein bezeichnen darf. Seine Karriere erzählt viel über die Unternehmensgeschichte, die er fast zwanzig Jahre lang mit gestaltete.«
Es folgte eine weitere Pause, in der Pflückinger anscheinend seine Gedanken sortierte. Mit Sicherheit überlegte er, wie viel er preisgeben sollte. Fragte sich nur, wie diplomatisch er seine Aussagen anlegen würde – was ihm als Schweizer vermutlich besonders im Blut lag. Während Pflückinger weiter mit sich selbst beschäftigt war, warf Nemecek einen bangen Blick zur Seite, da er befürchtete, dass Obermayr wieder aufs Tempo drücken würde. Doch seine Kollegin saß ganz entspannt in ihrem Ledersessel und wartete, was als Nächstes kommen würde.
»Zweifellos hatte Joschak seinen Anteil an unserer Erfolgsgeschichte«, begann Pflückinger schließlich das Ergebnis seiner Überlegungen zu präsentieren.
»Das klingt nach einem Aber-Satz.«
»Andererseits«, nahm der CEO Obermayrs Anmerkung auf, »legte er dabei einen Managementstil an den Tag, der einem die Zusammenarbeit alles andere als leicht machte – wenn Sie verstehen, was ich meine?«
»Er war kein Teamplayer?«, versuchte Obermayr den säuerlichen Ausdruck zu deuten, den Pflückingers Gesicht angenommen hatte. Der Schweizer lachte auf, aber es war alles andere als ein fröhliches Lachen.
»Man soll ja bekanntlich nicht schlecht über Tote reden. Aber offen gesagt war gerade Joschak eine echte«, Pflückinger zögerte kurz, um das richtige Wort zu finden, »Herausforderung. Für mich als Vorstand, für seine Kollegen und fürs ganze Unternehmen.«
»Weil er immer sein eigenes Ding durchziehen wollte?«
»Weil er extrem machtorientiert war«, stieß Pflückinger mit unerwarteter Heftigkeit hervor. »Weil er seine Mitarbeitenden wie ein Marionettenspieler zu dirigieren versuchte, weil er sich ständig in die laufenden Arbeitsprozesse einmischte und weil für ihn letztendlich nur seine eigene Meinung zählte. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung fühlte er sich immer im Recht.«
»Das stand in krassem Widerspruch zu den umfassenden Veränderungen, mit denen Ihr Unternehmen gerade beschäftigt ist«, spekulierte Nemecek. »Stichwort Agilität?«
»Das sagt Ihnen etwas?«, wunderte sich sein Gegenüber.
»Wir hatten in einem unserer Fälle damit zu tun.«
»Sie erahnen wahrscheinlich, wie gut ein solcher, nennen wir es einmal traditioneller Managementstil mit agilen Werten vereinbar ist.«
»Agile Werte?« Obermayr runzelte die Stirn. Nemecek musste zugeben, dass er selbst Mühe hatte, sich zu erinnern. War das nicht etwas mit Offenheit gewesen? Oder Vertrauen?
Pflückinger schien ihre Verwirrung zu spüren. Oder er fühlte sich aufgrund von Obermayrs Stirnrunzeln zu einer Antwort verpflichtet. Jedenfalls hob er unversehens die linke Hand und erklärte mit gestrecktem Zeigefinger: »Commitment, verstanden als die Bereitschaft, mich für eine Sache wirklich verantwortlich zu fühlen und alles in meiner Macht Stehende zu tun, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Einfachheit«, schnellte schon der Mittelfinger in die Höhe, »als Gegenentwurf zu unserer Neigung, vieles komplizierter als nötig zu machen.« Nemecek verfolgte gespannt, wie der CEO kurz durchatmete und dann seinen Ringfinger in Bewegung setzte. »Respekt als fundamentale, vorurteilsfreie Anerkennung jeder Person, wie sie ist. Schließlich Mut«, wie erwartbar vom kleinen Finger angezeigt, »im Sinne von Ehrlichkeit, offenem Feedback und der Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren und alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen.«
Während Nemecek noch Pflückingers spontanem Wertevortrag nachhing, zeigte sich Obermayr wenig beeindruckt. Gut möglich, dass seine Kollegin sogar ein wenig genervt über die ungebetene Belehrung war. Ihre Stimme klang jedenfalls sonderbar, als sie wieder zu ihrem eigentlichen Gesprächsthema zurückkam: »Doch Joschak waren offenbar ganz andere Dinge wichtig?«
Pflückinger schien es nichts auszumachen, dass seine Gesprächspartnerin sang- und klanglos über seine agilen Werte hinwegging. Auf alle Fälle antwortete er wie aus der Pistole geschossen: »Joschak ging es vor allem darum, alle Fäden in der Hand zu behalten. Sich im eigenen Fachsilo einmauern, alle Mitarbeitenden engmaschig kontrollieren, Fehlleistungen drastisch sanktionieren – wollen Sie noch mehr hören?«
»Ich frage mich gerade, wie das Ganze zur bevorstehenden Beförderung passt, von der uns seine Frau erzählt hat.«
»Beförderung?« Pflückinger staunte.
»Laut seiner Frau hat er fix damit gerechnet, die offene Stelle des Technikvorstands zu übernehmen.«
Wieder dieses bittere Lachen. Dann fuhr sich der Acros-Chef rasch mit beiden Händen über das Gesicht, als könnte er damit seine Bitterkeit wegradieren. Mit matter Stimme setzte er fort. »Glauben Sie mir: Das ist das absolute Gegenteil dessen, was wir mit ihm vorhatten.«
»Joschak sollten entlassen werden?« Nemecek konnte seine Überraschung nicht verbergen.
Pflückinger hob die Hände. »Das stand zumindest im Raum.«
»Dann gab es in den letzten Wochen also jede Menge Konfliktstoff«, fasste Obermayr die Ausführungen des CEO zusammen. Für Nemeceks Ohren klang das Ganze nach einem echten Pulverfass. Ihm war, als könnte er die explosive Mischung geradezu riechen. Fragte sich, wie sich Joschak dazu verhalten