Tod dem Management. Siegfried Kaltenecker
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»Mit seinem Verhalten hat sich Joschak sicher nicht nur Freunde gemacht«, griff Obermayr im nächsten Moment seine Gedanken auf. »Was Sie erzählen, klingt eher nach gepflegten Feindschaften.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, doch Pflückinger schien das nicht zu stören. Offensichtlich bot ihm das Gespräch eine willkommene Gelegenheit, ein wenig Dampf abzulassen. Ob sie dieser Dampf in ihren Ermittlungen weiterbrachte, würde sich zeigen.
»Weder auf Kunden- noch auf Mitarbeiterseite. Joschak wollte einfach nicht anerkennen, dass der Markt heute völlig andere Anforderungen stellt als vor 20 Jahren! Und dass dies bedeutet, dass wir uns nicht nur anders organisieren, sondern diese Organisation auch anders managen müssen.«
»Ich nehme an, Sie sind nicht der Einzige, der das so sah.«
»Gottlob nicht. In vielen Bereichen greift die agile Veränderung ausgezeichnet. Die neuen Teams arbeiten großartig zusammen, die Stimmung ist gut und sogar die Leistung hat sich schon nach wenigen Wochen verbessert.«
»Ich gehe auch davon aus, dass Joschak nicht der Einzige war, der sich dieser Entwicklung verweigerte«, spitzte Nemecek seine konfliktorientierten Argumente weiter zu.
»Nein«, gestand der CEO schweren Herzens. Nemecek war klar, dass sein Gegenüber lieber weiter über die Zwischenerfolge seiner Veränderungsinitiative geredet hätte, doch darauf durfte er jetzt keine Rücksicht nehmen.
»Das klingt für mich nach einem astreinen Machtkampf.«
Pflückinger nickte.
»Nach einem Kampf, der für Marco Joschak tödlich endete«, ließ Nemecek nun endlich die Katze aus dem Sack.
»Marco wurde ermordet?« Von einem Moment auf den anderen schien jede Farbe aus Pflückingers Gesicht gewichen zu sein. Langsam öffnete er den Mund, brachte aber keinen Ton hervor.
»Seit gestern wissen wir definitiv, dass Joschak bewusstlos geschlagen wurde, bevor er im See ertrunken ist«, ergänzte Obermayr der Vollständigkeit halber. Ihr Gegenüber war immer noch leichenblass, schaffte es aber wenigstens, seine Lippen wieder zu schließen.
»Sie können uns sicher einige Personen nennen, mit denen Joschak in letzter Zeit besonders intensive Auseinandersetzungen hatte.«
Pflückinger streckte seinen Rücken durch. Es war ihm deutlich anzusehen, wie er mit sich rang. Um seine eigene Ungeduld zu bezähmen, begann Nemecek im Geiste langsam von zehn herunterzuzählen. Als er bei vier angekommen war, hatte Pflückinger offenkundig einen Entschluss gefasst.
»Nun, Sie finden es ja ohnehin heraus. Ja, es gab zuletzt einige unschöne Szenen, die zu einer Art Lagerbildung geführt haben.«
»Die Namen, Herr Pflückinger!«, zeigte sich Obermayr nun ungnädig. »Wir brauchen Namen, um in diesem Fall weiterzukommen.«
»Also, die Protagonisten des agilen Lagers sind Niels Swartling als gesamtverantwortlicher Change Manager, Johanna Kniewasser, unser Head of Product, sowie Felix Wondratsch und Melanie Wunzer aus den Entwicklungsteams. Gemeinsam mit mir bilden sie das sogenannte Agile Change Team, kurz: ACT, das alle Veränderungsmaßnahmen koordiniert.« Rasch hatte Nemecek die genannten Namen in seinem Notizbuch festgehalten. Beim letzten Namen stutzte er kurz, fand aber auf die Schnelle keine Erklärung dafür. Dennoch ahnte Nemecek, dass ihm diese Melanie Wunzer schon einmal irgendwo untergekommen war. Wo war das bloß gewesen?
»Und die andere Seite?«, gönnte ihm seine Kollegin keine Zeit, um weiter in seinem Gedächtnis zu graben.
»Neben Joschak vor allem Gernot Zettl, unser Head of Operations. Aber der ist ja leider letzte Woche tödlich verunglückt.«
»Das wissen wir schon«, erklärte Obermayr, »und sind gerade dabei, diesen Unfall auf Herz und Nieren zu prüfen.«
Pflückinger verzog das Gesicht. »Sie gehen jetzt aber nicht davon aus, dass auch Zettl einem Anschlag zum Opfer gefallen ist?«
Obermayr warf Nemecek einen kurzen Blick zu, als wollte sie sich stillschweigend mit ihm abstimmen. Doch ihre Richtung war längst klar.
»Die KTU klärt gerade, ob an Zettls Wagen etwas manipuliert wurde.«
Nemecek sah, wie der CEO heftig schluckte, bevor er hinzufügte: »Noch ermitteln wir natürlich in alle Richtungen. Aber die Hinweise verdichten sich, dass die Ereignisse zusammenhängen.«
Und dass diese wiederum etwas mit den laufenden Veränderungen in der Acros zu tun haben könnten, dachte Nemecek für sich. Ein Gedanke, der noch im Raum zu hängen schien, als sie das Büro verließen, nachdem ihnen der CEO jede in seiner Macht stehende Hilfe versprochen hatte, um diese schrecklichen Ereignisse so rasch wie möglich aufzuklären.
Dienstag, 14:20
Verschollene Verdächtige
»Hier spricht die Mailbox von Johanna Kniewasser. Bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht, ich rufe Sie dann umgehend zurück.«
Eine angenehme Stimme, dachte Nemecek, bevor der übliche Pfeifton erklang. Er räusperte sich kurz und hinterließ noch einmal die Botschaft, mit der er bereits den ganzen Tag über hausieren ging. »Guten Tag, Frau Kniewasser. Robert Nemecek hier, Kriminalpolizei Wien. Es geht um die Todesfälle Ihrer Kollegen Joschak und Zettl. Ich hätte da ein paar Fragen an Sie. Wenn Sie mich bitte so bald wie möglich zurückrufen. Vielen Dank und hoffentlich auf bald!«
Kaum, dass er die rote Taste gedrückt hatte, fragte er sich, ob er zu unverbindlich gewesen war. Oder zu freundlich, wie ihm Obermayr schon des Öfteren vorgeworfen hatte. Er schob seine Zweifel zur Seite, um sich wieder Zukic’ Dossier zu widmen. Wenn er schon nicht mit Kniewasser reden konnte, wollte er sich wenigstens mit einigen der Themen beschäftigen, die die Produktmanagerin umtrieben. Zu langsam, zu unzuverlässig, zu fehlerhaft, zu teuer, überflog er die Punkteliste, die sie im Vorwort ihrer Diplomarbeit als Problem Statement zusammengestellt hatte. Um auf der Höhe der Zeit zu agieren, argumentierte Kniewasser weiter, brauchen wir andere Arbeitssysteme. Agile Ansätze unterstützen Unternehmen dabei, rasch auf sich verändernde Kundenbedürfnisse einzugehen, um punktgenau die Produkte zu liefern, die tatsächlich gewünscht sind. Eine konsequente Organisationsentwicklung in diese Richtung sei allerdings ziemlich anspruchsvoll, da sie zwangsläufig viele bestehende Arbeitsroutinen infrage stelle. Ja, mehr noch, so Kniewasser: Agile Unternehmen geraten mit alten Überzeugungen in Konflikt und sorgen damit nicht nur für intellektuelle Herausforderungen, sondern auch für emotionale Turbulenzen.
Turbulenzen, Herausforderungen, Konflikte, hielt Nemecek in seinem Notizbuch fest. Der Text war zweifellos höchst interessant, vor allem, weil er eine Brücke zwischen den agilen Chancen und den Risiken schlug, mit denen man aus unternehmensentwicklerischer Sicht rechnen musste. Bald jedoch merkte er, dass er nicht recht bei der Sache war. Während seine Augen über die Zeilen wanderten, drifteten seine Gedanken beharrlich in Richtung Kniewasser ab. Welche neuen Aspekte der veränderungstypischen Spannungen würde er durch ihre Arbeit und Ausführungen entdecken? Welche Rolle spielte die oberste Produktmanagerin der Acros in diesem ganzen Wirrwarr an alten Verbindungen und neuen Verstrickungen? Und wie viel hatte sie mit den Todesfällen ihrer Kollegen zu tun?
Nemecek