Die Unterwerfung der Frauen. John Stuart Mill

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Die Unterwerfung der Frauen - John Stuart Mill Reclams Universal-Bibliothek

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etwas, was das gesamte männliche Geschlecht gemeinsam hat. Anders als Ideale, die für ihre Anhänger im Wesentlichen abstrakt bleiben, oder politische Ziele, für die Parteien kämpfen, aber allenfalls für deren Führer von privater Bedeutung sind, geht es hierbei um Haus und Herd jedes Familienoberhaupts und [25]eines jeden, der diese Rolle später einmal zu übernehmen hofft. Der niedrigste Tagelöhner hat an dieser Macht genauso teil – oder hofft zumindest, daran einmal teilzuhaben – wie der höchstgestellte Aristokrat. Der Wunsch nach Macht ist in diesem Fall umso stärker, als jeder, der nach Macht strebt, sie vor allem über die zu besitzen wünscht, die ihm am nächsten stehen, mit denen er sein Leben verbringt, mit denen er die meisten Dinge teilt und bei denen Unabhängigkeit seinen eigenen Neigungen am ehesten im Weg stehen würde. Sind schon die anderen angeführten Beispiele einer auf Gewalt gegründeten und noch viel weniger legitimen Macht nur langsam und mit den größten Schwierigkeiten zu beseitigen gewesen –, um wie viel schwieriger muss es in diesem Fall sein, obwohl sie keine bessere Grundlage aufweisen kann. Bedenken wir dabei, dass die Inhaber der Macht in diesem Fall über sehr viel weitergehende Mittel verfügen, eine Rebellion zu verhindern als in den anderen Fällen. Jede der Unterworfenen lebt unter den Augen, man könnte sogar sagen: in den Händen ihres Herrn; in engerer Gemeinschaft als mit irgendeiner ihrer Geschlechtsgenossinnen; ohne die Möglichkeit, sich gegen ihn zu verbünden; ohne die Macht, auch nur in den kleinsten Dingen über ihn zu dominieren; dafür aber mit den stärksten Motiven, seine Gunst zu gewinnen und alles zu vermeiden, was ihn aufbringen könnte. Aus den Kämpfen um politische Emanzipation ist hinreichend bekannt, wie häufig deren Anführer durch Bestechung oder Einschüchterung von ihren Zielen abgebracht worden sind. Im Fall der Frauen befindet sich jede Einzelne in einem chronischen Zustand kombinierter Bestechung und Einschüchterung. Dafür, dass sie die Fahne des [26]Widerstands hochhielten, mussten eine große Zahl der Anführerinnen und eine noch größere Zahl derer, die sich ihnen anschlossen, auf die Freuden und Annehmlichkeiten, die ihnen ihr Schicksal gewährt hatte, fast vollständig verzichten. Wenn jemals ein System einseitiger Privilegien und gewaltsamer Unterdrückung ein Joch auf den Hals derer gelegt hat, die es niederhalten soll, dann dieses. Ich habe noch nicht gezeigt, dass es ein falsches System ist. Doch jeder Verständige sieht ein, dass selbst wenn es falsch war, es doch alle anderen Formen ungerechter Herrschaft überdauern musste. Und da, wie wir gesehen haben, einige der haarsträubendsten Formen ungerechter Herrschaft noch in mehreren zivilisierten Ländern existieren und in anderen erst kürzlich beseitigt worden sind, müsste es [269] mit einem Wunder zugehen, wenn diese am tiefsten verwurzelte Form irgendwo in nennenswertem Umfang überwunden sein sollte. Umso mehr muss man sich wundern, dass sich schon so zahlreiche und gewichtige Proteste dagegen erhoben haben, wie es in der Tat der Fall ist.

      Einige könnten einwenden, dass man die Herrschaft des männlichen Geschlechts und die anderen angeführten Formen ungerechter Macht gar nicht miteinander vergleichen könne. Diese seien willkürlich und die Folge bloßer Usurpation, jene aber natürlich. Aber gab es jemals eine Herrschaft, die denen, die sie besaßen, nicht natürlich erschien? Es gab eine Zeit, zu der die Teilung des Menschengeschlechts in zwei Klassen, eine kleine der Herren und eine zahlreiche der Sklaven, selbst den gebildetsten Geistern ganz natürlich, ja: als die einzige natürliche Verfassung des Menschengeschlechts erschien. Kein geringerer Geist als Aristoteles, der zum Fortschritt der Menschheit so viel [27]beigetragen hat, vertrat diese Ansicht, ohne jeden Zweifel und ohne jedes Bedenken, und leitete sie aus denselben Voraussetzungen ab, aus denen die Behauptung der Notwendigkeit der Herrschaft der Männer über die Frauen üblicherweise abgeleitet wird, nämlich dass es innerhalb des Menschengeschlechts verschiedene Naturen gebe – freie Naturen und Sklavennaturen. Die Griechen hätten eine freie Natur, die barbarischen Rassen der Thraker und Asiaten eine Sklavennatur. Doch weshalb bis auf Aristoteles zurückgehen – stellten nicht die Sklavenhalter in den Südstaaten von Amerika dieselbe Behauptung auf, mit dem ganzen Fanatismus, mit dem Menschen an Theorien festhalten, die ihre Leidenschaften rechtfertigen und ihre persönlichen Interessen legitimieren? Nahmen sie nicht Himmel und Erde dafür als Zeugen, dass die Herrschaft des weißen Mannes über den schwarzen natürlich, dass die schwarze Rasse [black race] von Natur aus zur Freiheit unfähig und bestimmt zur Sklaverei ist? Einige gingen sogar so weit zu behaupten, Freiheit für diejenigen, die mit der Hand arbeiten, sei grundsätzlich und überall naturwidrig. Ebenso haben auch die Theoretiker der absoluten Monarchie diese immer wieder für die einzige natürliche Staatsform erklärt. Diese sei hervorgegangen aus dem Patriarchat, das die ursprüngliche und sich spontan entwickelnde gesellschaftliche Form gewesen sei, sie sei nach dem Muster der Herrschaft des Familienvaters gestaltet, die der Gesellschaftsbildung voranging, und sei insofern, wie sie behaupten, die schlechthin naturgemäße Art von Autorität. Ja, selbst das Recht des Stärkeren wurde von denen, die sich auf kein anderes berufen konnten, als der natürlichste Grund für die Ausübung von Gewalt angeführt. Erobernde [28]Völker finden es natürlich, dass die Unterworfenen den Siegern Gehorsam leisten oder, wie sie es wohlklingender umschreiben, dass die schwächeren und weniger kriegerischen Völker sich dem tapfereren und männlicheren unterwerfen. Eine auch nur oberflächliche Kenntnis der Lebensverhältnisse des Mittelalters lehrt uns, wie außerordentlich natürlich dem feudalen Adel seine Herrschaft über die niederen Stände erschien und wie unnatürlich sie den Gedanken fanden, eine Person aus diesen unteren Ständen könne einen Anspruch auf Gleichstellung oder sogar auf Herrschaft erheben. Und diese Ansicht war bei den Unterworfenen kaum weniger verbreitet. Die sich emanzipierenden Leibeigenen und Bürger erhoben selbst in ihren heftigsten Kämpfen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft, sondern verlangten nur eine größere oder geringere Beschränkung der Macht, [270] sie zu tyrannisieren. Es ist schlicht so, dass unnatürlich gemeinhin nichts anderes bedeutet als unüblich und dass alles, was üblich ist, natürlich erscheint. Die Unterjochung der Frauen durch die Männer ist eine universelle Üblichkeit, daher erscheint jede Abweichung natürlicherweise unnatürlich. Doch wie vollständig selbst in diesem Fall das Gefühl von Herkommen und Gewohnheit abhängt, zeigt sich, wenn man seinen Erfahrungshorizont erweitert. Nichts setzt die Menschen in fernen Weltgegenden so in Erstaunen, wenn sie zuerst etwas über England erfahren, wie gesagt zu bekommen, dass England von einer Königin regiert wird. Dies erscheint ihnen so unnatürlich, dass sie es kaum glauben wollen. Engländern scheint dies dagegen nicht im Geringsten unnatürlich vorzukommen, weil sie daran gewöhnt sind – während sie es unnatürlich finden, dass Frauen Soldaten oder [29]Parlamentsmitglieder sein sollen. In den feudalen Jahrhunderten hielt man Krieg und Politik gar nicht für so unnatürlich für Frauen, weil es eben nicht ungewöhnlich war. Es erschien natürlich, dass die Frauen der bevorzugten Klassen von männlichem Charakter waren und ihren Ehemännern und Vätern an Körperkraft nicht nachstanden. Den Griechen erschien die Unabhängigkeit der Frauen weniger unnatürlich als andern Völkern, wie der Mythos von den Amazonen zeigt, die sie für historisch hielten, sowie das Beispiel der Spartanerinnen, die, obwohl sie ebenso dem Gesetz unterworfen waren wie die Frauen in anderen griechischen Staaten, doch über viel mehr Freiheit verfügten, und die, da sie dieselben körperlichen Übungen wie die Männer absolvierten, unter Beweis stellten, dass sie keineswegs von Natur aus ungeeignet dafür waren. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die in Sparta gemachten Erfahrungen Platon unter anderem zu seiner Lehre von der politischen und sozialen Gleichheit der Geschlechter inspirierten.

      Doch unterscheidet sich, so wird man einwenden, die Herrschaft der Männer über die Frauen von jeder anderen dadurch, dass sie keine Herrschaft der Gewalt ist: Die Frauen akzeptieren sie freiwillig; sie beklagen sich nicht über sie und stimmen ihr zu. Dazu ist erstens zu sagen, dass eine große Zahl von Frauen diese Herrschaft nicht akzeptiert. Seitdem es Frauen gibt, die in der Lage sind, ihre Gefühle und Gedanken in Schriften zu äußern (der einzige Weg in die Öffentlichkeit, den ihnen die Gesellschaft gestattet), haben sie in zunehmender Zahl gegen ihre jetzige soziale Lage protestiert, und ganz kürzlich erst haben viele Tausende von Frauen – an ihrer Spitze die bedeutendsten, die [30]die Öffentlichkeit kennt – eine Petition zur Gewährung des Stimmrechts an das Parlament gerichtet. Der Anspruch der Frauen auf eine ebenso gute Ausbildung und in denselben Wissensbereichen, wie sie dem Mann offenstehen, wird von den Frauen immer nachdrücklicher und mit immer größerer Aussicht auf Erfolg gefordert. Ebenso wird die Forderung nach Zulassung zu Berufen und Betätigungen, die ihnen bisher verschlossen sind, von Jahr zu Jahr dringlicher. Auch wenn wir in England nicht wie in den Vereinigten

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