Barro, der Braunbär. Lothar Streblow
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Barro, der Braunbär - Lothar Streblow страница 5
Die Bärin hatte den Wolf gewittert, mit ihrem scharfen Gehör seine Stimme erkannt. Und sie hatte Barros Flucht auf den Birkenwipfel gesehen. Dröhnend preschte sie heran.
Der Wolf fuhr herum. Doch bevor er ausweichen konnte, traf ihn ein gewaltiger Prankenschlag der Bärin. Meterweit flog er durch die Luft, krachte dicht bei einem Baumstumpf zu Boden und blieb regungslos liegen.
Burri flüchtete erschrocken zu ihrer Mutter. Liebevoll leckte die Bärin ihrem verängstigten Kind übers Gesicht, immer wieder. Und es dauerte noch eine ganze Weile, bis Barro sich von seinem Baumwipfel herunterwagte.
Honig mit Bienen
An diesem Abend kehrte die Bärin mit ihren Kindern nicht zur Höhle zurück. Bis weit in die Dämmerung streifte sie durch das Tal. Ein lauer Wind wehte von Südwesten, trieb faserige Wolkenfetzen vor die Mondsichel. Von irgendwoher erklang ein Eulenruf. Und als die Bärin spürte, daß ihre Kinder müde wurden, suchte sie im weichen Moos unter überhängendem Fels einen ruhigen Schlafplatz.
Barro kuschelte sich dicht an den warmen pelzigen Bauch seiner Mutter. Hier fühlte er sich geborgen. Nur war es anders als in der alten Höhle.
Die Geräusche der Nacht klangen deutlicher. Und es war heller. Sterne funkelten kalt am nachtschwarzen Himmel. Und manchmal wehte der Wind von fern die Schritte eines nächtlichen Tieres zu den Schläfern herüber.
Die Bärin schnarchte mit tiefem grollendem Ton. Das war ein vertrautes Geräusch. Barro lag auf der Seite, hatte seinen Kopf auf seine kleinen Tatzen gelegt und schlief. Und er schlief tief und fest, bis ein schräg einfallender Sonnenstrahl ihm die Nase wärmte.
Verdutzt blinzelte Barro in das helle Licht. Eine dicke Fliege summte an seinem Ohr, übertönte das Schnarchen seiner Mutter. Burri wälzte sich unruhig im Schlaf. Und draußen im Wald begann ein Specht zu hämmern.
Jetzt wurde auch die Bärin munter. Behutsam schob sie ihre Kinder zur Seite und setzte sich auf, schnupperte die frische Morgenluft. Und sie horchte aufmerksam auf die Geräusche. Doch außer den morgendlichen Vogelstimmen und dem Knuspern eines Eichhörnchens in einer nahen Fichte war nichts zu hören. Aber sie sah etwas, sah unter dem Felsvorsprung hervor unweit einen Fuchs vorüberschnüren. Und ein Stück weiter wanderten ein paar Nebelkrähen, emsig Futter suchend, durch das üppig wuchernde Gras am Bachufer.
Inzwischen war auch Burri erwacht. Und gemeinsam mit ihrem Bruder stupste sie ihre Mutter energisch vor den Bauch. Die beiden wollten ihre Morgenmilch.
Brummelnd ließ die Bärin ihre Kinder trinken. Dann erhob sie sich ungeduldig. Sie hatte selbst Hunger. Mit ziemlicher Eile verließ sie den Unterschlupf und verdrückte Unmengen taufrisches Grün. Zeternd stiegen die Nebelkrähen auf. Und der Fuchs flüchtete in den Wald.
Aufmerksam sah Barro seiner Mutter zu. Für Grünzeug interessierte er sich noch nicht, auch nicht für summende Insekten. Aber als die Bärin mit der Tatze einen Stein umwendete und die darunter wuselnden Ameisen ableckte, tappte er neugierig näher. Er wollte wissen, was seine Mutter so genießerisch schleckte. Aber er sah nur den Stein; von den Ameisen war schon nichts mehr zu sehen.
Mit einemmal hob die Bärin schnüffelnd ihre Nase. Sie hatte offenbar etwas gewittert. Zielsicher stapfte sie auf einen hohlen Baumstumpf zu. Barro tappte mit Burri direkt hinter ihr. Und je näher sie herankamen, desto lauter erhob sich ein merkwürdiges Summen.
Ohne Zögern grub die Bärin ihre Pfoten in den Baumstumpf, fetzte das morsche Holz auseinander. Splitter flogen umher. Und dazwischen flog noch anderes. Und das summte und surrte und setzte sich überall hin.
Barro spürte einen schmerzhaften Stich in der Nase. Und dann noch einen, immer mehr. Verzweifelt versuchte er, die Bienen abzuwehren, schüttelte wie wild seinen Kopf und fuchtelte mit den Pfoten. Doch die Bienen zerstachen jeden Fleck, den sie erreichen konnten.
Nun bohrte die Bärin ihre Schnauze in das Holz, schmatzte und schleckte. Und als sie wieder auftauchte, glänzte ihre Schnauze, klebte ihr Gesicht von Honig. Das roch gut und süß, unheimlich süß. Barro schnupperte gierig. Und er leckte mit seiner kleinen Zunge, leckte das duftend verklebte Fell seiner Mutter. Burri leckte ungestüm von der anderen Seite. Und das schmeckte, schmeckte so gut, daß sie darüber die Stiche vergaßen.
Erst als in dem Baumstumpf nichts mehr zu holen war und die drei vor den wütenden Bienen flüchteten, spürte Barro den Schmerz: in seiner Nase, seinen Ohren und auf seiner Zunge. Doch immer wieder versuchte er, noch einen Honigrest aus dem Pelz seiner Mutter zu schlecken.
Wäßriger Spiegel
Es dauerte ein paar Tage, bis Barro von den Stichen nichts mehr merkte. Nur seine Nase war noch ein wenig geschwollen. Und manchmal juckte sie noch. Seine Nase hatte die meisten Stiche abbekommen. Doch die kühlte er geschickt im frischen Wasser des Baches. Das hatte er seiner Mutter abgeguckt. Und das half.
Inzwischen waren die drei Bären weiter den Bach hinabgezogen. Hier in der tieferen Bergregion änderte sich die Landschaft. Kiefern mischten sich unter urige Fichtenwälder. Und Weiden und Birken schimmerten in hellem Grün.
Barro fühlte sich ganz wohl hier, tobte mit Burri verspielt am Bachufer entlang und platschte spritzend durch das flache Wasser. Burri aber schien das weniger zu gefallen. Sie mochte die Spritzerei nicht. Und als Barro nicht damit aufhörte, jagte sie ihn und schnappte unwirsch nach seinem Ohr. Barro stieß ihr seine Tatze vor den Bauch. Burri fauchte und lief davon. Und Barro rannte brummelnd hinter ihr her.
Plötzlich stutzte er. Der Bach wurde mit einemmal unheimlich breit, dehnte sich aus zu einer weiten glitzernden Fläche. Auch Burri verharrte wie angewurzelt. Die beiden standen an einem Waldsee, einem stillen tiefen See von unwahrscheinlicher Klarheit. So viel Wasser hatten sie noch nie gesehen. Beunruhigt blickten sie sich nach ihrer Mutter um.
Doch die Bärin hatte es nicht eilig. Sie kannte den See. Und sie sah ihre Kinder. Gemächlich stapfte sie durch ein sumpfiges Wiesenstück, schnupperte an Wollgras und Trollblumen und fing geschickt einen Frosch. Das wirkte beruhigend auf die Kleinen. Es drohte offenbar keine Gefahr.
Barro wurde neugierig. Plätschernd fließendes Wasser kannte er ja, dieses Wasser hier aber war völlig still und glatt. Kein Windhauch kräuselte die schimmernde Oberfläche. Und Barro beugte sich vorsichtig darüber, um seine wieder einmal juckende Nase zu kühlen.
Mitten in der Bewegung zögerte er. Aus dem Wasser heraus blickte ihn jemand an: ein kleiner fremder Bär. Und je tiefer er sich hinabbeugte, desto mehr kam ihm der fremde Bär entgegen, bis ihre Nasen sich beinahe berührten. Der fremde kleine Bär machte ihm alles nach. Barro schnupperte aufgeregt. Doch der Bär roch gar nicht wie ein Bär, der roch überhaupt nicht. Und das verwirrte Barro.
Unwirsch holte er aus und schlug seine Tatze auf die fremde Nase. Aber da war keine Nase, nur Wasser, das Barro um die Ohren spritzte. Und der fremde Bär war weg. Das verwirrte Barro noch mehr. Suchend blickte er sich um. Doch nur Burri stand ein Stück neben ihm. Und sie fauchte ärgerlich, weil sie ein paar Spritzer abbekommen hatte.
Nun hatte Barro endgültig genug. Von Spiegelbildern wußte er nichts, auch nichts von spiegelnden Wasserflächen. Er spürte nur seine juckende Nase. Ungestüm tauchte er seinen Kopf in die von seinem Tatzenschlag noch leicht bewegten Wellen. Und er fand es sehr beruhigend, daß der fremde kleine Bär nicht wiederkam.
Die Bärin schien sich für den See nicht zu interessieren. Sie wußte, daß