Manka, das Mammut. Lothar Streblow

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Manka, das Mammut - Lothar Streblow Tiere in ihrem Lebensraum

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bei Nacht, in der auch Mammuts nicht gut sehen. Und trotz der Windstille witterten die Mammutbullen einen fremden Geruch. Und diesen Geruch kannten sie.

      Was da in der Ferne brüllte und stampfte, waren Wisente, riesige, hornbewehrte Wildrinder mit dichter Mähne. Und mit Wisenten lebten die Mammuts in Frieden, weideten sogar in unmittelbarer Nähe. Doch dieses nächtliche Gebrüll klang ungewöhnlich. So verhielten Wisente sich nur im Kampf. Und zwischen ihrem Brüllen ertönte mitunter ein schrilles Geheul und vereinzeltes Bellen.

      Jetzt wußten die Mammuts, was dort vor sich ging. Offenbar hatte in der mondhellen Nacht ein Rudel Wölfe die schlafende Wisentherde angegriffen, um sich ein paar Kälber zu holen. Das hatte den Aufruhr verursacht. Und das Gebrüll wurde lauter, schien näher zu kommen. Die Wölfe flüchteten vor den wehrhaften Wisenten.

      Plötzlich schreckte Manka auf. Dicht neben ihr trompetete ihre Mutter dröhnend in die Nacht. Jenseits der Anhöhe, wo die Mammutbullen standen, hatte sich ein vom Rudel abgesprengter Wolf durch den niedrigen Bewuchs geschlichen, den Babygeruch der kleinen Mammuts gewittert und seinem Rudel Signal gegeben. Das Wolfsrudel war seinem Ruf gefolgt. Zwischen Strauch und Busch bewegten sich flinke Schatten. Und einer der Schatten schnappte nach Mankas Ohr.

      Doch kaum war der Trompetenton von Mankas Mutter verklungen, trompetete es von allen Seiten. Rasu stampfte als erster heran, gefolgt von der ganzen Bullenherde. Und mit seinen mächtigen Säulenbeinen zertrampelte er wutschnaufend einen der Wölfe.

      Manka zitterte am ganzen Körper. Noch nie war sie von jemand ernsthaft angegriffen worden. Und im Dunkel konnte sie kaum etwas erkennen. Sie spürte nur den Schmerz in ihrem Ohr, die scharfen Reißzähne.

      Der Wolf hatte sich festgebissen, ließ nicht los. Verzweifelt wirbelte Manka herum; der Wolf wurde mitgeschlenkert, stieß dabei vor den Rüssel ihrer Mutter. Und die riesige Mammutkuh packte zu mit ihrem Rüssel, schleuderte den Wolf hoch in die Luft. Mit krachenden Knochen landete er winselnd am Boden.

      Die Mammuts aber tobten weiter, stampften und brüllten, immer neue Sippen trafen zur Verstärkung ein, mit ohrenbetäubendem Trompeten, walzten nieder, was ihnen in den Weg kam. Steine und Erdbrocken wirbelten umher und zerbrochene Holzstücke. Büsche und Sträucher barsten. Der Boden dröhnte unter den tonnenschweren Kolossen. Und in panischer Flucht suchten die Wölfe einen Ausweg aus dem Inferno.

      Plötzlich spürte Manka etwas Fremdes um ihren Leib. Mit energischem Druck schubste ihre Mutter sie mit dem Rüssel unter ihren Bauch, barg sie zwischen ihren schützenden Beinen. So konnte kein verirrter Wolf an sie heran. Hier fühlte Manka sich sicher. Nur ihr zerbissenes Ohr schmerzte. Und sie spürte das Pochen ihres Herzschlags in der Wunde.

      Allmählich ebbte der Lärm ab. Die erregten Mammuts beruhigten sich wieder. Sie wußten: So bald würden die Wölfe nicht mehr angreifen. Der Zusammenhalt der Herde hatte sich wieder einmal bewährt; ohne ihn wären die Babys verloren gewesen, denn eine Mutter allein kann sie nicht schützen. So hatte das Trompetensignal ihrer Mutter auch Manka gerettet. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis Manka sich wieder unter ihrem Bauch hervorwagte.

      Manka lernt Schnorcheln

      Windböen fegten über die Tundra. Zwischen treibenden Wolkenfetzen schimmerte nur selten noch ein wenig Blau. Am Himmel zogen die letzten Sommervögel südwärts: Wildgänse und Enten, Kraniche und Schwäne und die verschiedenen Arten der Regenpfeifer. Und wenn ein Regenschauer niederprasselte, troff das Wasser von den Zottelpelzen der Mammuts.

      Als im September die Temperaturen weiter fielen, mischten sich schon vereinzelt Schneeflocken unter die Regentropfen. Noch war der Schnee wäßrig und blieb nicht liegen. Aber die Schneehühner wechselten schon das Gefieder von rostbraun in weiß. Und Polarfüchse und Schneehasen bekamen ihr tarnendes Winterfell.

      Auch die Rentiere wanderten nach Süden, Kühe und Hirsche gemeinsam in einer Herde mit den jungen Kälbern. Und die herbstlich bunten Blätter der Zwergbirken ließen die karge Tundralandschaft in seltenen Sonnenstunden noch manchmal aufglühen.

      Jetzt schloß die Mammutherde sich wieder enger zusammen. Die Mutterfamilien und Jungtiere folgten den Bullengruppen. Und wieder lief der alte Rasu an der Spitze.

      Wenn die Nahrung knapper wurde, stiegen auch die Gefahren. Höhlenlöwen streiften umher auf der Jagd nach Beute. Wolfsrudel heulten in den Nächten. Und die riesenhaften Höhlenbären suchten nach den letzten Tundrabeeren. Auch sie konnten den Mammutbabys gefährlich werden.

      Inzwischen war Mankas Bißwunde verheilt, der juckende, rissige Schorf abgefallen. Doch sie hatte nichts vergessen. Sie wußte nun, daß es auch für Riesentiere wie Mammuts Gefahren gab, selbst von kleineren Tieren. Nur war es auch für Mammutkinder schwer, zwischen bitterer Erfahrung und unbezähmbarer Neugier einen Mittelweg zu finden.

      Als an einem hellen Herbstmorgen die Sonne noch einmal die Luft voll tanzender Mücken erwärmte und auch die Oberfläche der seichten Gewässer, stürmte Manka ungestüm über das verschlammte Ufer in einen träge fließenden Bach. Sie mochte Baden und Planschen im Wasser. Und sie ahnte wohl, daß es damit bald vorbei sein würde. Rundu und Singa rannten durch den Morast platschend hinter ihr her.

      Doch der Bach war durch den Regen angeschwollen und tiefer, als Manka glaubte. Mit einemmal verlor sie den Grund unter den Füßen. Sie tauchte unter. Klatschend schlugen die Wellen über ihrem Kopf zusammen.

      Augenblicke lang hörte sie nur dumpfes Brausen, sah nur sprudelnde Luftblasen und aufgewühlten Schlamm. Sie schluckte Wasser, bekam keine Luft mehr. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Und irgend etwas Schweres drückte sie zum Grund hinab. Es war Rundu, der gestürzt und auf sie gefallen war, dann aber seitlich von ihr abrutschte.

      Verzweifelt strampelte Manka mit den Beinen, fuchtelte mit ihrem Rüssel. Und dabei stieß ihre Rüsselspitze über die Wasseroberfläche. Prustend blies Manka eine Wasserfontäne hoch. Plötzlich bekam sie Luft, schnaufte und schniefte, sog mit dem Rüssel Luft ein wie durch einen Schnorchel. Und diesen schnorchelnden Rüssel sah ihre Tante. Gemeinsam mit ihrer Mutter hievte sie Manka entschlossen aus dem Bach.

      Kurz danach kam auch Rundu aus dem Wasser. Er war dichter am Rand gewesen und hatte es allein geschafft. Und er hatte weniger Wasser geschluckt.

      Noch ein wenig benommen stand Manka am Ufer, triefend vor Nässe. Die Lust zum Baden war ihr vergangen, jedenfalls im Moment. Sie hatte zu viel Wasser schlucken müssen, zu viel Angst gehabt. Und als nach einer Weile die Herde den Bach an anderer Stelle überquerte, hielt Manka sich ängstlich zwischen ihrer Mutter und der hilfsbereiten Tante.

      Rasu und die Fallgrube

      Unaufhaltsam zog die Mammutherde dem Süden zu: aus der an die Gletscher des Inlandeises grenzenden Tundrazone in die hügeligere Taiga. Es war ein weiter Weg bis zu den bewaldeten Ausläufern der Mittelgebirge.

      Die erfahrenen Bullen und Kühe folgten zielsicher den uralten Mammutpfaden. Sie wußten: In den waldreichen Tälern waren sie den eisigen Winterstürmen nicht so schutzlos ausgeliefert wie in den baumlosen Ebenen der kargen Tundra mit ihrem Dauerfrostboden. Und dort gab es neben den Steppenpflanzen auch junge Laub– und Nadelbaumsprossen.

      Neugierig beobachtete Manka die unbekannte Landschaft. Hier war sie ja noch nie gewesen, hatte noch keine Herbstwanderung mitgemacht. Mit ihren knapp vier Monaten kannte sie nur den Tundrasommer. Inzwischen war sie ein wenig gewachsen. Und jetzt konnte sie auch ihren kleinen Rüssel schon richtig benutzen. Schnüffelnd pendelte sie mit der Rüsselspitze über den Boden.

      Zwischen niedergetretenem Gras und Gesträuch roch es fremdartig.

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