50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
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Читать онлайн книгу 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 - Эдгар Аллан По страница 28
Und in der Nacht nach Fränzis Tod hatte der Presi einen furchtbaren Traum.
Mit wunderbarer Deutlichkeit sah er den jungen Josi Blatter und Binia hoch an den Weißen Brettern. Er fragte seine Tochter: »Wie kommst auch du da hinauf?« Da stand plötzlich ein Dritter vor ihm und hob das Grabscheit Seppi Blatters über den beiden zu wuchtigem Schlag. Statt der richtigen Inschrift aber lautete der Spruch auf dem Täfelchen des Scheites: »Was für die heligen Wasser verbrochen worden ist, wird an den heiligen Wassern gesühnt.« Und unter dem Schlag des Scheites blutete Binia.
Das war der Traum! Er wollte rufen: »Thut Binia nichts! Ich habe Seppi Blatter nicht hinaufgeschickt.« Da erwachte er schweißtriefend in dem Augenblick, als der Postbote, der alle Woche dreimal in der Morgenfrühe mit den Postsachen nach Hospel ritt und sie am Abend von dort zurückbrachte, an die noch geschlossene Hausthür pochte.
Nur ein einfältiges, widerwärtiges Träumlein! Der Presi war nicht abergläubisch, als nun aber Binia in der zwingenden Anmut ihrer sechzehn Jahre, frisch, mit leuchtenden Kinderaugen unter dunklen Wimpern, einen warmen »Guten Tag, Vater!« auf den Lippen, in die Stube schwebte, da riß er sie stürmisch in seine Arme, und als er unter der knospenden Mädchenfülle das rasche Pochen ihres heißen Herzens fühlte, durchrieselte ihn die Angst.
»Binia, lieber, lieber Vogel, versprich es mir, daß du nie, nie mit Josi Blatter zusammenhältst, in deinem ganzen Leben nie!«
Sie brach an seiner Brust in Thränen aus: »O Vater, ich hab' es dir schon lange bekennen wollen, Josi Blatter ist ein ehrbarer Bub. Er hat das, was Ihr meint, gar nicht gesagt. Gewiß Gott im Himmel nicht!«
Er stutzte – er starrte sie an – er riß sie mit der ganzen Gewalt seines Armes von seiner Brust hinweg, daß die leichte Gestalt an die Wand taumelte.
Und entsetzt kreischte er: »Schon so weit bist du, Seppi Blatter, daß mein Kind für deinen Buben lügt?!«
Kapitel Acht
Das Haus des Garden, das gleich am Eingang des Dorfes, etwas abseits vom Thalweg, gegen den Glottergrat hinausschaut, ist nächst dem Bären das stattlichste von St. Peter. Außer einer Grundmauer aber, auf der die unterste Reihe kleiner heller Fenster ruht, ist kein Stein an dem Bau. Ein ländliches, sonnenverbranntes Holzhaus, auf einem Brett über den Fenstern ein halb Dutzend goldener Immenstöcke, dann wieder Fenster im braunen, von der Sonne zerrissenen Gebälk und gleich darüber das steinbeschwerte, an den Enden durch Sparren fest aufs Gebälk geklammerte Schindeldach. So steht es da. Das glühende Rot der Nelkenbüsche wächst aus Töpfchen und Kistchen vor seinen Fenstern, verblaßte Malereien schmücken seine Holzfelder, zwei gekreuzte Schwerter, das Hauszeichen der Zuensteinen, Winkel, Triangeln, Kreuze und Bundhaken, die den Aelplern in einer Art Geheimschrift die Gerechtsame des Hauses an Weide und Wasser verurkunden, auch ineinandergeschobene Dreiecke, Schlüssel und Feuerschlangen, die der Bauherr vor hundert Jahren mit schlichter Kunst hingemalt hat, damit keine bösen Geister den Eintritt in die Heimstätte finden.
Die Sorge, die nicht nach Schutzbildern fragt, ist aber unvermutet ins Haus getreten. Vor ein paar Wochen hat bei Ausbesserungsarbeiten an den heligen Wassern ein fallendes faules Holzstück den Garden am Kopf leicht verletzt, und vor wenigen Tagen ist aus der Wunde, die schon geheilt schien, die Gesichtsrose entstanden. Mit einem unförmlich verschwollenen Kopf, ein Tuch um die Stirne geschlagen, mit rot unterlaufenen Augen, wälzt sich der arme Mann und stöhnt: »Grad jetzt bei der vielen Arbeit – und grad jetzt, wo Fränzi gestorben ist! Wohl, wohl, die werden im Gemeinderat schön mit den Kindern wirtschaften. Nicht einmal die letzte Ehre habe ich ihr geben können.«
»Alter, fahre doch nicht so im Bett hin und her,« jammert die Gardin, die hochgewachsene Frau mit dem verschwiegenen herben Gesicht, und frischt das Tuch mit Wasser an. »Es sind ja noch vier Gemeinderäte. Die können die Geschäfte auch einmal besorgen.«
»Das macht alles der Presi – und der hat immer einen Zahn auf Fränzi und ihre Haushaltung gehabt.«
– – Einen Augenblick schlummert der Garde, dann fängt er wieder an: »Du, Frau, wie ist Fränzi eigentlich gestorben?«
»Wie Vroni erzählt hat, die fast nicht hat reden können vor Schluchzen, leicht und schön.«
»Die Frau – sie war ja erst ein bißchen über vierzig – ist leicht gestorben, sagst du – leicht von ihren Kindern weg?« stöhnt der Garde verwundert.
»Ich meine, wie einmal das Schlimmste überwunden gewesen ist. Am Morgen, bevor sie gestorben ist, hat sie zu den Kindern gesagt: ›Mich hat der Vater beim Namen gerufen, jetzt glaube ich auf meine Seligkeit, daß ich sterben muß.‹ Eine Predigt hat sie ihnen gehalten, da steht ihr die Sprache still, Josi holt den Pfarrer, sie nimmt die Sakramente, sie schaut ruhig vor sich hin und ist wie ein Licht erlöscht.«
Einen Augenblick herrscht Ruhe. Da schlägt die Uhr im Arvengehäuse mit langsamen hellen Tönen Fünf.
»Schlafe jetzt, Alter,« mahnt die Gardin, »denke, wie's Fränzi gegangen ist, sie hat sich im vorigen Winter bei der Armseelenwacht erkältet, hat nicht dazu gesehen, da ist der große Husten gekommen, der sie gelegt hat.«
Der Garde aber ächzt und stöhnt lauter. »Eben jetzt beginnt im Bären die Gemeinderatssitzung, die über das Los Josis und Vronis entscheidet. Du, Frau, Vroni wollen wir zu uns nehmen. Sie hat's um Eusebi verdient. – Die ganze Schule hat sie mit ihm nachgeholt. Und sie ist mein Patenkind.«
Die Gardin, die stolze Frau kämpft innerlich, sie will nicht Ja sagen, aber den schwerkranken Mann noch weniger mit einem Nein aufregen.
Zum Glück schlummert er, während er auf Antwort wartet, ein. – –
Nachdem Fränzi gestorben war, schickte der Presi den Schreiber als Stellvertreter des erkrankten Garden in die Wohnung der Waisen. Dieser verrichtete bei der toten Fränzi, die in den abgemagerten Händen einen Blumenstrauß hielt, ein Gebet, gab den Kindern ein paar kühle Trostworte und sagte ihnen, sie möchten am Tag nach dem Leichenbegängnis abends fünf Uhr im oberen Bärenstübchen erscheinen, damit der Gemeinderat mit ihnen über ihre Zukunft rede. Dann verständigte der Presi die Gemeinderäte, daß sie zu der anberaumten Sitzung erscheinen. Es kam aber, wie er ausgerechnet hatte. Die Gardin schickte Bericht, ihr Mann liege tief im Bett, man dürfe mit ihm kaum von der Angelegenheit sprechen. Der Armenpfleger war mit einem Trupp Vieh ins Welschland hinübergegangen und kam erst in vier oder fünf Tagen zurück. Der Gutsverwalter, der eben das Wasser in seinen Weinbergen zu Hospel besorgte, erklärte sich im vornherein mit den Beschlüssen, die gefaßt würden, einverstanden, und der Kirchenvogt meldete, die Stunde sei für ihn so ungeschickt, daß er vielleicht erst etwas später kommen könne. Die anderen sollen nur anfangen mit den Bauern zu verhandeln, die Lust hätten, Josi und Vroni in ihren Dienst zu nehmen.
Im Stübchen saßen um fünf Uhr abends nur der Presi und der Schreiber, ein kleiner, alter, kahlköpfiger Mann mit großer Hornbrille, ausgemergeltem knochigem Gesicht und spindeldürren langen Fingern.
»He, Schreiber, ist das wieder eine Sitzung. Kein Gemeinderat ist da!«
»Fränzi hätte aber auch nicht zu einer ungeschickteren Zeit sterben können,« erwiderte der Schreiber pfiffig, »jetzt, wo niemand weiß, wie der Arbeit wehren.«
»Ja, meint Ihr, die Geschichte komme mir gelegen, so grad, wo die