50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
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Ein Zug der Bedächtigkeit ging durch alles, was im Haus des Garden gesprochen und gethan wurde; es war, als sei auch in der Woche ein Abglanz vom Sonntag darin, und wenn die Sonne durch die Fenster schien, sich im blanken Kupfer- und Zinngeschirr spiegelte, war es Vroni feierlich zu Mut. Die Bäuerin, der Großknecht Meinrad, der Viehbub Bonzi und die Magd Resi, alle arbeiteten fleißig, doch ohne Hast; während der Garde krank lag, wurden Felder und Vieh grad so gut besorgt, wie wenn er mithelfend hätte beim Werk sein können.
Eusebi hatte zum Verdruß seiner Mutter eine stille närrische Freude, daß nun Vroni im Hause weilte, er ging dem Mädchen auf Schritt und Tritt nach, sah ihm bei seinen Hantierungen zu und half ihm dabei.
Und was sagte der Garde in einem der fieberfreien Augenblicke, die jetzt glücklicherweise wieder kamen, zu seiner Frau, die noch nicht recht wußte, wie sich zu dem hereingeschneiten Gast stellen?
»Ich finde, daß Vroni dem Haus wohl ansteht, es ist immer, als scheine die Sonne darein, wenn doch nur ihr helles Haar glänzt.«
An Vroni aber zehrte der heimliche Kummer um Josi. Sie wußte, was es hieß, bei Bälzi Knecht zu sein. Harte Arbeit an den Flühen, Aufbruch im Morgengrauen, Heimkehr in der Abenddämmerung und – was schlimmer war – wenig Brot, viel Schelte, dazu das Beispiel eines schlechten Haushaltes, in dem häufig gestritten wurde. Denn einen wetterwendischeren Menschen als Bälzi gab es nicht. Er konnte in einem Augenblick die Freundlichkeit selbst sein, im nächsten aber ein Teufel an Bosheit.Dann flogen nicht nur die Worte, sondern was ihm in die Hände geriet. Und Josi, der starke, trotzige, ließ sich gewiß keine Prügel gefallen. Entweder gab's Händel, oder Josi verdarb in guter Freundschaft mit Bälzi.
Ungefähr wie Vroni dachte Binia.
Der wilde, schmerzvolle Zuruf des unglücklichen Burschen hatte sie geschüttelt und gerüttelt.
Vor ihrem Bett kniete sie am Abend: »Mutter – Mutter – ich bin schuld, daß es Josi so schlecht geht – Mutter, sage mir, wie kann ich das große Unrecht wieder gut machen? – Mutter, muß ich dem Vater folgen und gar nicht mehr mit Josi reden?«
Wie sie aber auch das brennende Köpfchen quälte, kam doch kein kluger Gedanke darein.
Sie wußte nur eins. Seit Josi keine Mutter mehr hatte, stand er ihrem Herzen noch näher. Sie meinte immer, sie sollte ihm Fränzi ersetzen, und sie war voll Liebe und Barmherzigkeit für ihn.
Sie klammerte sich an den alten Glauben, daß es Kindern, deren Vater an den heligen Wassern gefallen ist, besonders gut gehe, und ließ ihre Augen leuchten: »Er wird schon einmal sehen, daß ich keine Giftkröte bin!«
Kapitel Neun
»So geht's zu in St. Peter. Man will nicht mehr für die Hinterlassenen derer einstehen, die im Gemeindewerk gefallen sind. Wie wohl wäre es einem wohlhabenden Bauern angestanden, wenn er Josi zu sich genommen hätte, nicht als Knechtlein, sondern als Sohn, wie der Garde Vroni als Tochter. Lest in den alten Protokollen, wie man für die Kinder derer, die an den heligen Wassern gestürzt sind, stets besonders gut gesorgt hat. Und sie wurden Leute, daß es eine Freude war. Jetzt aber kommt ein neuer Brauch. Auf einen bösen Handel legt man einen bösen Handel, man giebt den Buben rechtschaffener Eltern einem Lumpen. Was wird Josi bei Bälzi? Ein Halunke! Und was hat die Gemeinde davon? Die Schande!«
»Ich hätte ihn auch genommen, der Haushalt Blatter ist immer arbeitsam gewesen.«
»Einen Gotteslohn hätte man dabei verdient. Wahrhaftig, man schämt sich, wenn man denkt, daß der selige Seppi und die selige Fränzi vom Himmel herunter auf die von St. Peter schauen.«
So schwirrte das Gespräch.
Die Gemeinderäte, die ihre Pflicht versäumt hatten, ließen die Köpfe hängen und kratzten sich hinter den Ohren, der Presi aber hielt sich an das Haus voll Fremder und vermied den Verkehr mit den Dörflern.
Er hatte auch seinen Verdruß.
Bälzi, sein Schützling, war mit dem Bergführerberuf auf eine wenig ehrenvolle Art zu Ende gekommen. Ein Gast vermißte sein Taschenmesser, er sah es einige Tage später im Besitze Bälzis, der ihn auf einer kleinen Gletscherwanderung begleitet hatte; der Gast behauptete, sich deutlich zu erinnern, daß er es bei einem Imbiß am Rand des Eises habe liegen lassen. Bälzi hätte es ihm einfach zurückgeben können, aber er wurde frech und verlangte einen Finderlohn. Da kam's zum Bruch, und der Presi hatte die Vorwürfe seiner Gäste, die nichts mehr von Bälzi wissen wollten.
Bald aber war es am Presi, zu lachen.
Bälzi meldete ihm durch seine Aelteste, Josi Blatter sei aus dem Dienst gelaufen, sie hätten zusammen ein Unwort gehabt.
»Nun wird der Bursche kommen und man wird ihm einen neuen Dienst suchen müssen.«
Josi Blatter stellte sich aber weder dem Vormund noch den Behörden. Niemand wußte, wo er war, niemand wurde aus ihm klug.
Das Gerücht verbreitete sich, er treibe sich auf den Alpen umher. Aber wovon lebte er? Die Leute sagten: »Er zieht den Kühen und Ziegen heimlich die Milch aus dem Euter.«
Der Presi höhnte: »Da seht Ihr den Tagedieb, von dem Ihr mit so viel Erbarmen geredet habt. Ich habe den gekannt.«Niemand wagte mehr den Buben zu verteidigen.
Allein die Stimmung im Dorf war auch dem Presi nicht günstig. Manchmal schien es wohl, man würde sich an die Fremden gewöhnen, aber die Gäste, die wieder ins Thal gekommen waren, thaten und redeten so manches, was denen von St. Peter bis auf die Knochen ging.
Da war ein dicker Gast, der wie ein Fäßchen daherkugelte und stets mit den Leuten reden wollte, den sie aber in seiner fremden Mundart nur das dritte Wort verstanden. Als er auf den Feldern um das Dorf die Histen, die Holzgerüste sah, an denen die Bauern im Herbst ihren Roggen zum Ausreifen aufzuhängen pflegen, fragte er spöttisch: »Hat man denn in St. Peter so viel Diebe, Schelme und Mörder, daß man alle die Galgen braucht?«
Nun lief das Wort. Von Scherz und Humor wußten die Dörfler nicht viel, ihr Leben war Arbeit und Andacht. »Wir einen Galgen? – Mörder? – Seit Matthys Jul hat im Glotterthal kein Mensch einen anderen getötet. Und Diebe? – Wer schließt des Nachts die Thüre? kein Haus als der Bären hat ein Schloß mit Schlüssel. Seit Menschengedenken ist kein Diebstahl vorgekommen; die Briefe, die Päcklein und Wertsachen, die es zu besorgen giebt, legt man einfach an den Weg. Hat jemand schon daran gerührt als der Postbote, der sie aufnimmt und nach Hospel trägt? Aber die Fremden wollen uns andere Sitten bringen! Merkt ihr, was für ein neues Leben anfängt? Bälzi hat ein Messer gestohlen, und Josi Blatter ist Aufrührer geworden, es kann schon so kommen, daß wir einen Galgen brauchen.«
»O, der Fremde hat gewiß nur gescherzt.«
»Dann hat er das heilige Brot beleidigt! Wer darf über die Histen, die es reifen, spaßen?«
Bald beleidigte irgend einer die heligen Wasser.
»Man kann nicht schlafen, wenn der Wind thalherauf weht. Das tattert die ganze Nacht. Geben Sie doch der verfluchten Klapperschlange etwas zu fressen, daß das arme Vieh nicht weiter so hungerleidig schättert,« sagte ein anderer.
Die heligen Wasser, an denen so viele wackere Männer zu Tod gefallen sind,