50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
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Читать онлайн книгу 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 - Эдгар Аллан По страница 33
Josi erblaßte – zitterte – also so weit war er: die Landjäger suchten ihn.
In seinem Schuldbewußtsein durchschaute er die Lüge des Kaplans vom Weib Bälzis, das ihn verraten haben solle, nicht recht, er erinnerte sich nur halb, daß er selbst bei der tollen Beichte unter der Wetterlärche etwas vom Bärenanzünden gesagt hatte. Aber nur in der gräßlichsten Erregung.
Nein! – nein! – Mochte ihn der Presi hängen lassen, eine Brandstiftung that er dem Andenken seiner Eltern nicht zu leid.
Bald erhielt er die Bestätigung dessen, was der Kaplan gesagt hatte, aus unverdächtiger Quelle. Er traf unvermutet und so, daß er nicht mehr ausweichen konnte, auf den Viehknecht des Bockjeälplers: »Fort, Rebell,« lachte der gutmütig rohe Mensch rauh und laut, »fünfzig Franken erhält, wer dich lebend oder tot ins Dorf bringt,« doch so, als ob er selber die fünfzig Franken nicht verdienen wollte.
Von diesem Tag an hielt sich Josi allen unsichtbar und lebte in den höchsten Flühen.
Was er litt! – Die Nächte, die entsetzlichen Nächte, während deren er irgendwo auf einer Planke lag, mit ihrem ehernen Schweigen und ihrer Einsamkeit! Tief unten winkten die Lichter von St. Peter wie ein Häuflein Sterne und riefen: »Komm, komm!« Und jeder leise Glockenklang, den die Luft zu ihm emportrug, schmeichelte: »Komm, komm!« Vroni nie sehen – nie auf den Kirchhof treten, wo Vater und Mutter begraben sind – nie in der Dorfkirche beten. Jedes Stück Vieh, das er sah, entlockte ihm fast Thränen, vorsichtig lief er hinzu, streichelte es, küßte es und redete lieb mit ihm. »Gelt, wenn du ins Thal kommst, grüßest du mir Vroni!«
Im gräßlichen Alleinsein wurde Josi beinahe Philosoph. Er liebte seine Krystalle, die wunder- und geheimnisvollen Blumen des Gesteins: »Warum müßt ihr so schön aus der Erde wachsen, du wie ein Röschen, du wie eine Thräne, die ein Engel vom Himmel hat fallen lassen, und du wie ein Haufen Spieße für den Ameisenkrieg. Wer hat dich gemessen und gezirkelt, du kantiger Edelkrystall, wer hat dich mit Rauch gefüllt und die Haarsträhnen durch dich gezogen, du schöner Topas, und dich öden weißen Stein mit Granatkörnern bestreut wie die Mutter selig am Dreikönigstage die Brotmänner mit Wachholderbeeren?«
O Wunder! Selbst die Krystalle drängen sich wie Bruder und Schwester zusammen, sie suchen ihre Gespielen und auf manchem Stein stehen so viele, groß und klein, wie wenn sich am Sonntag die Dörfler auf dem Kirchhof zum stillen Plaudern sammeln.
Nur er war einsam.
Mitten in seinem Elend ahnte er aber, daß alles in der Welt zum Schönen drängt, daß auch der Mensch leiden und sich öffnen muß, wie der harte Fels, der Krystalle zeugt. Wie ein Fels wollte er werden, wenn er wieder einmal als ehrlicher Bursch unter den Menschen wäre, Krystalle guter Thaten zeugen, alles Rechte würde er thun, was Brauch und Sitte, was die Vorgesetzten forderten, selbst Dienste bei Bälzi.
Doch jetzt nicht ins Gefängnis, lieber sterben!
Der Winter naht! Seit die Fremden fort sind und er keine Mineralien mehr verkaufen kann, ist der Kaplan mürrisch gegen ihn, er bringt ihm das Essen unregelmäßig und oft zu wenig. Da weiß es Josi plötzlich: Er ist der Gefangene dieses halbverrückten und schlechten Mannes, Johannes hat ihn dort unter der Wetterlärche verführt, daß es keine Rettung mehr giebt. Und ein grimmiger Haß gegen den Kaplan zuckt auf in seiner Brust.
Er kann es auf den Alpen nicht mehr aushalten vor Kälte. Ein Ausweg! Fort von St. Peter, fort, wie der Bursch beim Kirchhoflied. Sterben macht nichts, nur nicht ehrlos eingesperrt werden. In der grauenden Frühe des Tages Allerheiligen läuft er, am Schmelzwerk vorbei, wo Kaplan Johannes haust, das Thal hinaus. »Lebe wohl, seliger Vater, – lebe wohl, selige Mutter, – und du, liebe Vroni, mit den schönen blauen Augen.«
Wie er nach Tremis kommt, tummeln sich schon Kinder auf der Straße, sie springen vor ihm schreiend davon: »Ein wilder Mann – ein wilder Mann!« Da fällt es ihm ein: Er kann nicht in die Welt, sein dunkles Haar hängt ihm in Strähnen über die Wangen, seine Kleider sind Fetzen, die Schuhe zerlöchert, als ein Landstreicher würde er aufgegriffen. Auf das Geschrei der Kinder streckt ein altes kropfiges Weib den Kopf aus dem Fenster, Susi aus dem Bären. Sie erkennt ihn und nun regt sich doch in ihr das Mitleid und die Neugier. Sie ruft ihn herein.
Sie hat schon von seinem Rebellentum gehört; indem sie ihm den Kaffee einschenkt, den er gierig trinkt, fragt sie ihn hundert Dinge.
»Ist es wahr, daß du mit Bini verhext und besprochen bist?«
Das behagliche Stübchen und der warme Trunk im Leib stimmen Josi ganz weich: »O, Susi, ich habe gewiß andere Sorgen – ich möchte wieder ein rechter Mensch werden. Seht, morgen ist Allerseelen, und ich bin so arm, daß ich für meinen seligen Vater und die selige Mutter nicht einmal zwei Kerzchen kaufen kann.«
Die tiefe Trauer, die seine Stimme durchbebte, sein elendes Aussehen und seine Verwilderung weckten das Erbarmen Susis, sie schenkte ihm zwei Wachskerzen und redete ihm mit ihrer pfeifenden Stimme mütterlich zu, daß er sich dem Garden stelle, es gehe ihm gewiß nicht so böse.
»Ich will's thun, Susi.« Aber wie er über die verlassenen Alpen des Schmelzberges, auf denen die letzten Sonnenlichter des Jahres spielen, die letzten Blumen blühen, mit weitem Umweg nach St. Peter geht, kämpft er wieder.
Erst tief in der Nacht schleicht er sich ins Dorf. Er kniet zwischen den Kreuzen an den Gräbern der Eltern nieder, er steckt die Kerzen und Astern auf die Hügel. Da kommt der Nachtwächter singend vom Oberdorf. Es ist der breite Brummbaß des Fenkenälplers, der in der Kehrfolge der Bürger den Dienst hat. Er möhnt:
»Es ist nicht unsere Gerechtigkeit,
Daß Gott uns so viel Gut's erzeigt.
Es ist seine Gnade und Güte,
Ihr lieben Heiligen schützt uns vor Gefahr,
Vor Brand und Laue besonderbar,
Und dann, ihr Lieben, bitten wir noch.
Sperrt den Rebellen endlich ins Loch!«
Der letzte Zusatz ist eine freie Erfindung des Sängers. Josi aber schreit: »Hörst du's, Vater – hörst du's, Mutter, so geht es mir! – Ich lasse mich aber nicht einsperren!«
In wildem Weh brüllt er es und rauft das Kirchhofgras, als wolle er hinabflüchten zu den Toten.
»Das alles haben der Presi und Binia über mich gebracht.«
Schon sieht er, wie man ihn gefesselt durch das Dorf führt, auf der Freitreppe steht der Bärenwirt mit einem Hohnlächeln.
Da geht es ihm wie dem Fuchs, der vom Hunger gepeitscht, in die Falle kriecht, von der er weiß, daß sie ihn verderben wird – er flieht vom Dorf zu Kaplan Johannes, den er doch haßt wie den Tod.
Mit einem höllischen Lächeln gewährte der Letzköpfige dem Ausreißer Schutz und Obdach in der Ruine. Den einzigen noch überdachten Raum bewohnte der Einsiedler selbst. Da brach durch ein vergittertes Fenster das Licht herein. Grad neben dem Viereck, das es auf den Boden zeichnete, war das Lager des Schwarzen, ein Sack voll jener langen Flechten, die wie riesige graue Bärte von den Aesten der alten Lärchenbäume