Sherlock Holmes und die Ohren. Sir Arthur Conan Doyle

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Sherlock Holmes und die Ohren - Sir Arthur Conan Doyle

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bemerkte in dem Augenblick, als ich das Zimmer betrat, dass Sie auf dem Kaminsims eine Photographie von drei Damen haben. Eine dieser Damien sind unzweifelhaft Sie selbst, während die beiden anderen Ihnen so ausserordentlich ähnlich sehen, dass ich über die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht im Zweifel sein konnte.“

      „Ja, Sie haben ganz recht: Es sind meine beiden Schwestern Sara und Mary.“

      „Und hier neben mir habe ich ein weiteres Bild Ihrer jüngeren Schwester bemerkt, in Gesellschaft eines Mannes, der nach seiner Uniform zu schliessen ein Steward ist. Das Bild wurde in Liverpool aufgenommen. Ich sehe, dass sie damals noch nicht verheiratet war.“

      „Sie beobachten sehr rasch!“

      „Das ist mein Geschäft.“

      „Ja, Sie haben ganz recht. Aber wenige Tage darauf hat sie sich mit Herrn Browner verheiratet. Er fuhr mit der Südamerikalinie, als dies Bild aufgenommen wurde, aber seine Zuneigung zu seiner Frau war so gross, dass er, um die langen Trennungen von ihr zu vermeiden, feinen Dienst wechselte und auf einem Dampfer Stellung nahm, der zwischen Liverpool und London verkehrt.“

      „Ach, auf der »Alten Heimat« vielleicht?“

      „Nein, er war auf der »Maiblume«, als ich zuletzt von ihm hörte. Sim kam einmal hierher und hat mich besucht. Das geschah, ehe er das Gelöbnis gebrochen hat. Aber nachher fing er an zu trinken, sowie er an Land war, und so oft er dann getrunken hatte, wurde er aufgeregt und halb wahnsinnig. O, es war ein böser Tag, an dem er zum erstenmal wieder zum Glas griff. Zuerst brach er mit mir und dann fing er mit Sara Streit an und nun, wo. Mary aufgehört hat, uns zu schreiben, weiss ich gar nichts mehr von den beiden.“

      Fräulein Cushing war jetzt bei einem Thema angelangt, für das sie Interesse hatte. Das unterlag keinem Zweifel. Wie die meisten Leute, die ein einsames Leben führen, war sie zuerst zurückhaltend, wurde aber schliesslich ungewöhnlich mitteilsam. Sie erzählte uns vieles über ihren Schwager, den Steward, und kam dann auf ihre früheren Mieter zu sprechen, die Studenten, von deren Ausschweifungen sie uns eingehend berichtete, indem sie uns ihre Namen nannte und die der Hospitäler, in denen sie Assistenten waren.

      Holmes lauschte aufmerksam allem, was sie erzählte, und warf von Zeit zu Zeit eine Frage ein.

      „Was Ihre zweite Schwester Sara betrifft,“ sagte er, „so wundert es mich, dass Sie nicht zusammen wohnen, wo Sie doch beide unverheiratet sind.“

      „O, wenn Sie Saras Temperament kennten, so würde Sie das nicht weiter wundern. Ich versuchte es zuerst, als ich nach Croydon kam, mit ihr, und wir haben auch bis vor etwa zwei Monaten zusammengelebt; aber dann sind wir auseinandergegangen. Ich möchte nichts Böses über meine Schwester sagen, aber sie hat sich von jeher gern in die Angelegenheiten anderer gemischt, und es war schwer mit ihr auszukommen.“

      „Sie sagten, dass sie mit Ihren Verwandten in Liverpool Streit bekommen hätte, nicht?“

      „Ja, trotzdem sie früher die besten Freunde gewesen sind. Sie kam sogar gerade deshalb nach Liverpool, um in ihrer Nähe leben zu können. Und nun kennt sie keine Bezeichnung mehr, die für meinen Schwager hart genug wäre. Das letzte halbe Jahr, das wir beisammen wohnten, sprach sie nur davon, wie sehr er trinke und dabei herunterkomme. Ich glaube, er hat sich ihre Einmischung in seinen Haushalt nicht gefallen lassen und hat ihr gehörig die Meinung gesagt; und damit war dann der Krach da.“

      „Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Mitteilungen,“ schloss Holmes, indem er sich erhob und ihr eine Verbeugung machte. „Ihre Schwester Sara wohnt, wie Sie sagten, in der Newstreet in Wallington? Ich empfehle mich Ihnen und bedauere lebhaft, dass Sie hier in einer Sache so belästigt worden sind, mit der Sie, wie Sie sagen, nichts zu tun haben.“

      Als wir aus dem Haus traten, fuhr eben eine Droschke vorbei. Holmes rief den Kutscher an. „Wie weit ist es bis Wallington?“ fragte er.

      „Bloss ’ne halbe Meile.“

      „All right. Steig’ ein, Watson! Wir müssen unser Eisen schmieden, solange es warm ist. So einfach die ganze Geschichte auch ist, so stehen doch zwei oder drei sehr lehrreiche Einzelheiten in Verbindung damit.“ Und dann zum Kutscher: „Halten Sie auf dem Hinweg am nächsten Telegraphenbureau.“

      Holmes schickte ein kurzes Telegramm ab und während des Restes der Fahrt lag er in die Wagenpolster zurückgelehnt, den Hut über die Augen gezogen, damit ihm die Sonne nicht ins Gesicht scheine. Der Kutscher hielt vor einem Haus, das ähnlich gebaut war wie das des alten Fräuleins, von dem wir kamen. Mein Freund befahl ihm zu warten und hatte die Hand schon am Klingelknopf, als die Tür aufging und ein ernst aussehender junger Herr in Schwarz und mit einem Zylinderhut heraustrat.

      „Ist Fräulein Sara Cushing zu Hause?“ fragte Holmes.

      „Fräulein Sara Cushing ist sehr krank,“ sagte er. „Seit gestern zeigen sich bei ihr Symptome einer gefährlichen Nervenerkrankung. Ich bin ihr Arzt und kann unmöglich die Verantwortlichkeit auf mich laden, ihr jetzt irgendwelchen Besuch zu gestatten. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, in etwa zehn Tagen wieder zu kommen.“ Er zog seine Handschuhe an, schloss die Tür und ging die Strasse hinunter.

      „Dann eben nicht,“ sagte Sherlock Holmes in seiner gewohnten guten Laune.

      „Vielleicht hätte sie dir auch gar nichts von Bedeutung sagen können oder sagen wollen,“ bemerkte ich.

      „Ich wollte auch gar nichts derartiges von ihr wissen. Ich wollte sie nur sehen, und nun glaube ich, dass ich trotzdem erreicht habe, was ich wollte. — Kutscher, fahren Sie uns nach einem anständigen Hotel! Wir können da zuerst mal zu Mittag essen, und nachher wollen wir zur Polizeistation.“

      Das Mittagessen war sehr gemütlich; Holmes liess sich ein Kursbuch geben, in dem er etwas aufschlug, dann aber erzählte er während des ganzen Essens beinahe nichts anderes als Geschichten von Violinen und wie er seine eigene echte Stradivarius, die zum mindestent 10000 Mark wert sei, bei einem Trödeljuden für 55 Mark gekauft hätte. Dies brachte ihn auf Paganini zu sprechen, und über eine Stunde lang sassen wir noch bei einer Flasche Burgunder, während Holmes eine Anekdote nach der anderen über diesen ausserordentlichen Mann erzählte. Der Nachmittag war schon weit vorgeschritten, und die frühere Hitze hatte sich in eine angenehme milde Frische verwandelt, als wir uns auf der Polizeistation einfanden. Lestrade erwartete uns vor der Tür.

      „Ein Telegramm für Sie, Herr Holmes,“ sagte er.

      „Aha, das ist die Antwort.“ Er riss es auf, seine Augen flogen über den Inhalt; dann steckte er es in die Tasche. „Es ist alles so, wie ich gedacht habe,“ sagte er.

      „Haben Sie irgend etwas herausgefunden?“

      „Ich habe alles herausgefunden.“

      „Was!“ Lestrade sah ihn voll der grössten Verwunderung an. „Sie scherzen, Herr Holmes!“

      „In meinem ganzen Leben habe ich noch nie weniger gescherzt als jetzt. Es ist ein abscheuliches Verbrechen begangen worden, und ich glaube nun alle Einzelheiten desselben aufgeklärt zu haben.“

      „Und wo ist der Verbrecher?“

      Holmes schrieb einige Worte auf die Rückseite seiner Visitenkarte und überreichte sie Lestrade.

      „Das ist er,“ sagte er. „Sie können ihn aber nicht vor morgen nacht verhaften lassen. Ich möchte Sie noch bitten, dass Sie meinen Namen mit diesem Fall

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