Butler Parker Staffel 13 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Straßenraub«, lautete die matte Antwort. »Ein Sattelschlepper ist geraubt und geplündert worden.«
»Was Sie nicht sagen, mein Lieber!« Agatha Simpson bedachte ihre Gesellschafterin mit einem schnellen Seitenblick. »Wann ist das passiert?«
»Vor anderthalb Stunden, Mylady.«
»Und da stehen Sie jetzt noch herum?« Lady Simpson schüttelte verweisend den Kopf. »Eine Schnecke ist gegen Sie ja eine Sprinterin, Mister Higgins.«
»Mylady, ich muß doch sehr bitten.« Ein gewisses Schluchzen war in der Stimme des Polizeioffiziers zu vernehmen.
»Gut, bitten Sie, junger Mann! Sie haben mir noch immer nicht gesagt, was gestohlen wurde? Mit anderen Worten, damit Sie’s auch mitbekommen, Mister Higgins, was befand sich in diesem Sattelschlepper?«
»Whisky«, murmelte Higgins und wischte sich fahrig über die schweißnasse Stirn. »Bitte, Mylady, fahren Sie weiter, bitte!«
»Und wer ersetzt mir den Schaden an meinem Rover?« wollte die alte Dame wissen.
»Mylady, ich bin sicher, daß ich mich gleich vergessen werde«, bekannte Mr. Higgins. Sein Blick deutete auf einen baldigen Amoklauf hin.
»Sie haben schwache Nerven, Mister Higgins«, fand Agatha Simpson. »Auch Ihr Blutdruck scheint nicht optimal zu sein. Gehen Sie schleunigst zu einem Arzt, und räumen Sie endlich diese tückische Falle dort weg.«
Die Lady setzte zurück und löste sich gewaltsam vom lädierten Streifenwagen. Sie beschrieb mit dem Rover einen knappen Bogen, kratzte und schrammte am Heck des Wagens vorbei und fuhr dann recht verwegen .durch die schmale Gasse, die die beiden Wagen bildeten.
Der Polizeioffizier hielt beide Hände vor sein Gesicht und taumelte zur Böschung hinüber. Er ließ sich in den Rasen fallen und suchte dort wahrscheinlich nach seinem Gleichgewicht. Er benahm sich allerdings recht merkwürdig. Er legte sich auf den Bauch und trommelte mit seinen Fäusten auf den Rasen. Dabei strampelte er mit den Beinen in der Luft herum.
»Merkwürdig«, kommentierte Agatha Simpson, die auch einen Blick in den Rückspiegel geworfen hatte wie Kathy Porter. »Der Mann benimmt sich ja wie ein Kind! Und dabei habe ich mich doch wirklich höflich und zuvorkommend mit ihm unterhalten, oder?«
»Natürlich, Mylady«, gab Kathy Porter zurück. »Er konnte von Glück sagen, daß Sie nicht zornig geworden sind.«
»Eben«, schloß Lady Agatha zufrieden. »Aber ich habe mich immer unter Kontrolle, Kindchen. Was sagen Sie zu dem Whiskyraub? Eine gute Fee scheint uns in diese Gegend gebracht zu haben. Ich fühle mich sehr wohl, Kindchen. Der Tag scheint noch recht anregend zu werden.«
*
Butler Parker räumte das Feld.
Er tat es sicher nicht aus Angst vor den beiden Gaunern Pete und Rob. Er wollte einfach von der Bildfläche verschwinden, um die allgemeine Unruhe nicht noch zu vergrößern. Die Whiskyschmuggler, falls sie es waren, sollten sich wieder sorglos bewegen können.
Josuah Parker stand vor dem Ruder im Kommandostand und bugsierte das an sich recht große Boot von der Anlegestelle. Er besorgte das mit Sachverstand und Routine. In technischen Dingen kannte der Butler sich bestens aus.
Wie ein Tourist sah er allerdings nicht aus.
Er trug seinen schwarzen Zweireiher, ein weißes Hemd mit Eckkragen und eine schwarze Krawatte. Auf seinem Kopf saß die feierlich anzusehende Melone, neben ihm hing der Universal-Regenschirm, von dem er sich kaum trennte.
Parker scherte sich keinen Deut um die mehr oder weniger amüsierten Blicke der Urlauber auf dem Bootssteg. Als er sie passierte, lüftete er feierlich seine Kopfbedeckung und deutete eine knappe, aber höfliche Verbeugung an. Er entdeckte unter den Zuschauern auch John Bartlett, der ihm diskret und unauffällig winkte. Wahrscheinlich war auch der Detektiv aus Leeds froh, daß sein möglicher Konkurrent im übertragenen Sinn die Segel gesetzt hatte.
Besonders schnell war das Hausboot nicht.
Es handelte sich um einen umgebauten Kabinenkreuzer vom Typ Radiant Light, der von einem Dieselmotor getrieben wurde. Die ursprünglichen Aufbauten waren irgendwann mal entfernt und durch einen etwas kastenförmigen Aufbau ersetzt worden. Schnittig und elegant wirkte dieses Wasserfahrzeug gewiß nicht, doch es bot immerhin jene Bequemlichkeiten, die Parker schätzte.
Das Hausboot hatte die Mitte des Flüßchens erreicht. Butler Parker ließ die Schraube etwas schneller drehen und schipperte flußaufwärts. Er kam in die Nähe der Farmweiden und entdeckte auch hier liebe Bekannte.
Pete Robson, seine Schwester Maud und auch Rob standen am Ufer, doch sie winkten ihm nicht zu. Sie starrten ihn recht finster an und hegten sichtlich Groll gegen ihn. Die Dogge, die neben ihnen stand, bellte andeutungsweise.
Parker begrüßte die Gruppe zurückhaltend, aber nicht unhöflich. Sein Gruß wurde jedoch nicht beantwortet. Die drei jungen Leute samt Dogge schienen ein wenig nachtragend zu sein. Parker nahm noch etwas mehr Fahrt auf und lief auf die erste Flußbiegung zu. Es dauerte nicht lange, bis die kleine Ortschaft hinter ihm lag.
Die Landschaft wurde womöglich noch freundlicher und idyllischer. Parker passierte eine noch intakte Windmühle, deren Flügel sich im leichten Wind drehten. Er sah grasendes Vieh auf den saftigen Weiden und trabende Pferde auf einer weiten Koppel. Im Schilf duckten sich einige Wildenten ab, und vor dem blauen Himmel zeichnete sich für einen Moment tatsächlich ein Reiher ab, der langsam davonstrich.
Parker war mit sich und der Welt zufrieden.
Mit seiner Herrin war auf keinen Fall zu rechnen. Damit brauchte er auch nicht zu befürchten, wieder mal in einen Kriminalfall hineingezogen zu werden. Whiskyschmuggler interessierten den Butler nicht. Er fühlte sich schließlich nicht als der verlängerte Arm der geltenden Gesetze. Die kleine Auseinandersetzung mit dem Trio hatte er zudem als eine nette Abwechslung betrachtet, über die kein weiteres Wort mehr zu verlieren war.
Wenn nur nicht dieser Privatdetektiv John Bartlett gewesen wäre!
Josuah Parker hatte es nicht besonders gern, wenn man ihn belog oder gar für einen ausgemachten Trottel hielt. John Bartlett hatte ihn nach Strich und Faden beschwindelt und versucht, ihm einen besonders dicken Bären aufzubinden. Natürlich war dieser Mr. Bartlett kein Privatdetektiv und natürlich arbeitete er auch nicht für den Verband schottischer Whiskyhersteller, falls es diese Vereinigung überhaupt gab. Solch eine Institution hätte sich niemals an einen Privatdetektiv gewendet, sondern nur mit den zuständigen Zollbehörden zusammengearbeitet. Zudem gab es wohl keinen Privatdetektiv, der so schnell und rückhaltlos seine Karten auf den Tisch gelegt hätte.
Warum also hatte dieser John Bartlett versucht, ihm auf den Zahn zu fühlen? Welche Interessen vertrat dieser Mann? Für wen arbeitete er tatsächlich? Arbeitete er mit dem Trio Hand in Hand, oder war er ein Konkurrent dieser Gruppe?
Parker wurde abgelenkt.
Hinter seinem Hausboot tauchte ein kleines, recht schnelles Motorboot auf, das ihn bald einholte. Am Steuer saß eine attraktive junge Frau, die ihm lachend zuwinkte. Sie trug einen knappen Bikini, der kaum noch etwas verhüllte.
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