Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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»Er lebt!« entgegnete der Böhme. »Er ist wohl und gesund.«
Als er dies vernahm, fühlte sich Macko ein wenig beschämt, und er ließ ein förmliches Schnauben hören. Schließlich atmete er tief auf.
»Gelobt sei unser Herr Christus!« rief er aus. »Wo aber befindet sich Zbyszko?«
»Nach Marienburg hat er sich begeben, und mich hat er hierhergeschickt, Euch Kunde zu bringen.«
»Und weshalb begab er sich nach Marienburg?«
»Seiner Gattin wegen.«
»Bei den Wundmalen des Heilands, Bursche, welche Gattin meinst Du?«
»Jurands Tochter. Davon wäre die ganze Nacht zu erzählen, aber gestattet, ehrwürdiger Herr, daß ich zuerst Atem schöpfe, denn ich bin lange umhergeirrt und seit Mitternacht nicht vom Pferde gekommen.«
Nun drang Macko nicht weiter mit Fragen in ihn, die Verwunderung hatte ihn auch der Sprache beraubt. Nachdem seine Erregung ein wenig nachgelassen hatte, rief er einem Knechte, damit dieser Holz auf das Feuer im Herde lege und dem Böhmen einen Imbiß bringe, dann ging er in der Stube auf und ab, und die Hand hastig hin und her bewegend, murmelte er vor sich hin: »Kaum kann ich meinen Ohren trauen … Jurands Tochter … Zbyszko beweibt!«
»Beweibt und doch auch wieder nicht!« sagte der Böhme.
Jetzt erst begann er zu erzählen, was sich ereignet hatte und wie alles gekommen, und der alte Ritter hörte aufmerksam zu, dann und wann ihn mit einer Frage unterbrechend, da der Bericht des Böhmen nicht ganz klar war. So wußte Glowacz zum Beispiel nicht genau, wann sich Zbyszko vermählt hatte, weil kein Hochzeitsfest gefeiert worden war. »Daß die Trauung stattgefunden und daß die Fürstin Anna Danuta selbst dazu den Anlaß gegeben hat,« erklärte Hlawa weiter, »ist gewiß, wenn schon dies erst nach der Ankunft des Kreuzritters Rotgier bekannt geworden ist, mit dem Zbyszko, nachdem er ihn vor ein Gottesgericht gefordert, angesichts des ganzen masovischen Hofes gekämpft hat.«
»Hei! Einen Kampf hat er bestanden?« rief Macko mit blitzenden Augen und in der größten Spannung. »Nun, und wie ist es ihm ergangen?«
»In zwei Hälften wurde der Deutsche niedergestreckt und auch mir hat Gott dem Knappen gegenüber Glück verliehen.«
Macko begann wieder zu schnauben, diesmal aber schien er befriedigt zu sein. »Nun,« sagte er, »das ist ein Bursche, den man nur bewundern, nicht auslachen kann. Der letzte seines Stammes ist er, aber nicht der schlechteste, so wahr mir Gott helfe. Wie ist es denn damals mit den Friesen gewesen … Und er war doch noch ein rechter Knabe …«
Bei diesen Worten blickte Macko den Böhmen aufmerksam an, dann fuhr er fort: »Aber auch Du gefällst mir. Und offenbar lügst Du nicht. Wenn ich einen Lügner vor mir habe, merke ich es sofort. Der Kampf mit dem Knappen war ja nicht von Bedeutung, denn Du sagst ja selbst, Du hättest wenig Mühe dabei gehabt, aber daß Du jenem Hund den Arm ausgerenkt hast und zuvor schon den Auerochsen überwältigtest, muß man Dir als verdienstvolle Thaten anrechnen.«
Plötzlich hielt Macko inne und fragte: »Und die Beute? Ist sie auch beträchtlich?«
»Die Waffen, die Pferde und zehn Mannen fielen uns zu. Acht davon schickt Euch der junge Herr.«
»Was geschah mit den beiden andern?«
»Mit dem Leichnam sandte er sie fort.«
»Hätte nicht der Fürst seine eigenen Mannen mit dem Leichnam ziehen lassen können? Die beiden werden nie zu uns zurückkehren.«
Der Böhme lächelte über die Habsucht, welche Macko gar oft schon an den Tag gelegt hatte.
»Der junge Herr hat nicht mehr nötig, derartige Dinge in Betracht zu ziehen,« sagte er. »Spychow ist ein großes Besitztum.«
»Ein großes Besitztum! Freilich! Aber es gehört noch nicht ihm.«
»Wem sonst?«
Macko fuhr förmlich empor: »Sprich! Es gehört doch Jurand?«
»Jurand liegt in einem unterirdischen Gefängnisse bei den Kreuzrittern und ist dem Tode nahe. Gott weiß, ob er am Leben bleibt; bleibt er aber auch am Leben, und kehrt er zurück, sicher ist jedenfalls, daß der Pater Kaleb schon Jurands Testament vorgelesen und allen angekündigt hat, der junge Herr werde dessen Erbe sein.«
Auf Macko machten diese Neuigkeiten augenscheinlich einen ungeheuren Eindruck, denn sie enthielten so viel Günstiges und Ungünstiges zugleich, daß er sich nicht sofort darein finden und sich auch die Empfindungen nicht klar machen konnte, die abwechselnd auf ihn einstürmten. Die Kunde, daß Zbyszko sich vermählt hatte, berührte ihn im ersten Augenblick schmerzlich. Liebte er doch Jagienka wie eine Tochter, und war es doch sein sehnlichster Wunsch, Zbyszko mit ihr zu vermählen. Auf der andern Seite hatte er sich schon an den Gedanken gewöhnt, daß sein Wunsch ein vergeblicher war, und zudem brachte Jurands Tochter weit mehr mit in die Ehe, als Jagienka jemals im stande war, mitzubringen, denn sie besaß nicht nur des Fürsten Gunst, sondern als einziges Kind auch eine weit größere Mitgift. Im Geiste sah Macko seinen Bruderssohn schon als des Fürsten Comes, als Herrn von Bogdaniec und Spychow, ja in Zukunft sogar schon als Kastellan. Ein Ding der Unmöglichkeit war dies nicht, da man in jenen Zeiten von einem gewissen Edelmann, einem armen Teufel, zu sagen pflegte: »Er hatte zwölf Söhne, sechs fielen in der Schlacht und sechs wurden Kastellane.« Und durch Zbyszko gelangte das ganze Volk, gelangten die beiden Geschlechter sicherlich zu einer gewissen Größe. Auch konnte ein beträchtlicher Wohlstand Zbyszko auf seinem Wege nur förderlich sein, demnach hatte Macko bei seiner Habgier und seinem angeborenen Stolze alle Ursache, sich zu freuen. Gleichwohl hatte der alte Kämpe auch Grund genug, sich zu sorgen. Um Zbyszko zu retten, hatte er sich einst selbst zu den Kreuzrittern begeben, ihm war von dieser Fahrt eine eiserne Pfeilspitze in den Rippen geblieben, und nun ging Zbyszko nach Marienburg, er lief den Wölfen geradezu in den Rachen. Was mochte ihn dort wohl erwarten? Erwartete ihn die Gattin, oder erwartete ihn der Tod? »Gnädig werden sie dort nicht auf ihn blicken«, sagte sich Macko, »vor kurzem erst erschlug er einen angesehenen Ritter, früher schon hatte er Lichtenstein angefallen, sie aber, die Hundsseelen, vergessen nie, sich zu rächen«. Dieser Gedanke beunruhigte den alten Ritter sehr. Er mußte sich sagen, daß Zbyszko, der ja ein hitziger Bursche war, zweifellos noch manchen Deutschen zum Kampfe herausfordern werde. Aber dies war seine geringste Angst. Am meisten befürchtete Macko, man könne seinen Bruderssohn festnehmen. Sie nahmen Jurand und dessen Tochter gefangen, sie scheuten sich nicht, seiner Zeit sogar den Fürsten in Zlotorja festzunehmen, weshalb also sollten sie Zbyszko schonen?
Hier stellte sich Macko unwillkürlich die Frage, wie es sein werde, wenn der Jüngling aus den Händen der Kreuzritter entkäme, aber sein Weib gar nicht finden würde. Wohl tröstete sich der alte Mann mit dem Gedanken, daß dann Spychow seinem Bruderssohn zufalle, aber das war nur ein schwacher Trost. Ihm lag viel am Wohlstand, doch nicht weniger an seinem Geschlecht, an Zbyszkos Nachkommen. »Falls Danuska verschwindet wie ein Stein im Wasser und niemand weiß, ob sie am Leben oder tot ist, kann sich Zbyszko nicht zum zweiten Mal verheiraten – und dann wird es zu Bogdaniec keine Herren mehr geben. Hei! Wie ganz anders wäre es, wenn er Jagienka geheiratet hätte! … Auch Mocyzdoly ist so groß, daß weder eine Gluckhenne es unter ihre Flügel, noch ein Hund unter seinen Schwanz nehmen könnte, und solch ein Mädchen würde zweifellos jedes Jahr