Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Читать онлайн книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz страница 178
»Bei meiner Treu, es ist ja wahr! Wer schnarcht denn so laut neben uns? Ein Toter könnte ja davon erwachen.«
»Der Ritter Arnold. Ich will nur einige Zweige auf die glimmenden Kohlen werfen und mich dann zu den Mannen begeben.«
Kaum hatte Hlawa sich indessen entfernt, so kehrte er raschen Schrittes wieder zurück, indem er schon von weitem so leise wie möglich rief: »Ich bringe Euch schlimme Kunde, o Herr – schlimme Kunde!«
»Was ist geschehen?« fragte Macko aufspringend.
»Die Ordensdienerin ist entflohen. Die zu dem Gefolge gehörenden Leute haben sie mit sich auf ihren Platz bei den Pferden genommen – ein Blitzstrahl treffe sie dafür – und als sie alle in festem Schlaf lagen, ist jene gleich einer Schlange zwischen ihnen hindurchgekrochen und entflohen. Kommt mit mir, o Herr!«
In großer Unruhe eilte Macko mit dem Böhmen zu den Pferden, bei denen sie jedoch nur einen von dem Gefolge antrafen, da die andern die Entflohene suchten – ein thörichtes Unternehmen, im Dickicht, bei finsterer Nacht. Gar bald kamen auch die Leute, gebeugten Hauptes, zurück. Macko verlor keine Worte, sondern schlug mit den Fäusten auf sie ein, dann kehrte er zu dem Feuer zurück, da ihm nichts anderes zu thun übrig blieb.
Schon nach wenigen Minuten kam Zbyszko von seinem Wächterposten vor der Hütte daher. Er hatte nicht schlafen können und wollte hören, was der Lärm zu bedeuten habe. Macko erzählte ihm kurz von seiner Abmachung mit dem Böhmen und von der Flucht der Dienerin.
»Das ist kein allzugroßes Unglück,« bemerkte der junge Ritter. »Entweder kommt sie in den Wäldern vor Hunger um, oder sie wird von dem ersten besten Bauern erschlagen, mit dem sie zusammentrifft, wenn sie nicht schon zuvor die Beute von Wölfen geworden ist. Nur eines beklage ich: daß sie ihrer gerechten Strafe in Spychow entgeht.«
Wenn nun auch Zbyszko bedauerte, daß das schreckliche Weib nicht die ihr gebührende Strafe erhielt, nahm er doch alles andere mit der größten Ruhe auf. Nichts lag ihm ferner, als sich dem Plane des Böhmen in betreff Zygfryds zu widersetzen, denn nur das, was mit Danusia in Zusammenhang stand, war für ihn von Bedeutung. So begann er auch jetzt sofort wieder: »Morgen werde ich sie vor mich auf mein Roß nehmen und in solcher Weise mit ihr die Fahrt zurücklegen.«
»Wie steht es mit ihr, schlummert sie?« fragte Macko.
»Zuweilen wimmert sie ein wenig, allein ich vermag nicht zu sagen, ob sie dies wachend oder schlafend thut. Längst hätte ich mich ihr genähert, wenn ich nicht fürchtete, daß sie erschrecken könnte.«
In diesem Augenblick trat Hlawa zu den Sprechenden und sagte zu Zbyszko gewendet: »Ihr seid schon wieder auf den Beinen, o Herr! Traun, nun ist’s hohe Zeit für mich! Die Pferde stehen bereit und der alte Teufel ist schon an den Sattel gebunden. Bald wird es tagen, denn gar kurze Nächte haben wir jetzt. Gott sei mit Euch, o Herr!«
»Gehe mit Gott und bleibe gesund!«
Der Böhme nahm aber nun Macko bei Seite und sprach: »Ich möchte noch eine ernste Bitte an Euch stellen. Wenn sich irgend etwas Besonderes ereignen sollte – Ihr versteht mich, o Herr – irgend ein Unglücksfall oder wie wir dies nun nennen wollen, dann sendet sofort einen Boten nach Spychow. Sollten wir uns aber nicht mehr daselbst befinden, möge er in größter Eile uns einzuholen suchen.«
»Gut, gut,« entgegnete Macko. »Merke aber auch jetzt auf das, was ich Dir sage. Geleite Jagienka nach Plock. Dort begiebst Du Dich zu dem Bischof, teilst ihm mit, wer die Maid ist, daß sie von dem Abte getauft ward, dessen letzten Willen zu ihren Gunsten er, der Bischof, in Händen habe, und bittest ihn, ihr seinen Schutz angedeihen zu lassen, wie das ja in dem Testamente ausdrücklich gewünscht werde.«
»So uns aber der Bischof befiehlt, in Plock zu bleiben?«
»Gehorche ihm in allen Dingen, folge unbedingt seinem Rate.«
»Ich thue, wie Ihr befehlt, o Herr! Mit Gott!«
»Mit Gott!«
Zweites Kapitel.
Ein kaum merkliches Lächeln umspielte Ritter Arnolds Lippen, als er am nächsten Morgen von der Flucht der Ordensdienerin hörte, allein er sagte das Gleiche wie Zbyszko, daß das Weib entweder von Wölfen überfallen oder von Litauern getötet werde. Dies war auch sehr wahrscheinlich, denn die Bewohner der litauischen Ansiedelungen haßten den Orden und alle, die mit ihm in Verbindung standen. Die Bauern waren teils zu Skirwoillo geflohen, teils hatten sie sich zusammengerottet, hatten da und dort Deutsche erschlagen und sich dann selbst mit ihren Weibern, Kindern und dem Vieh in die undurchdringlichen Wälder gerettet. Alle Nachforschungen, die seit Tagesanbruch nach der Dienerin angestellt wurden, blieben erfolglos, wenn auch vielleicht aus dem Grunde, weil Macko und Zbyszko viel zu sehr von andern Dingen in Anspruch genommen waren, um ihre Befehle mit der nötigen Strenge zu erteilen. Ihnen lag hauptsächlich daran, rasch Masovien zu erreichen, ja, sie hätten sich sogar vor Sonnenaufgang auf den Weg gemacht, wenn Danusia nicht mit Tagesanbruch in tiefen Schlummer gefallen wäre, aus dem Zbyszko sie nicht wecken wollte. Er hatte sie in der Nacht beständig wimmern hören und daraus geschlossen, daß sie nicht schlafe, jetzt aber hoffte er, der Schlummer werde eine wohlthätige Wirkung auf sie ausüben. Zweimal trat er leise in die Hütte und jedesmal bemerkte er bei dem durch die Luken dringenden Sonnenschein, daß Danusia mit geschlossenen Augen, offenem Munde und den geröteten Wangen eines fest schlafenden Kindes dalag. Eine tiefe Rührung überkam ihn. »Gott gebe Dir Ruhe und Gesundheit, Du Holdeste aller Blumen!« flüsterte er ihr unwillkürlich zu, als er das zweite Mal neben seines Weibes Lager stand, »Deine Leiden sind vorbei, Deine Thränen werden versiegen, und der allbarmherzige Herr Jesus wird Dir ein Leben verleihen, das so ruhig dahinfließt, wie die sanften Wellen eines Stromes.« Und kraft seines schlichten, edlen, Gott zugewandten Gemütes fragte sich der junge Ritter: »Wie kann ich meinen Dank erweisen, wie kann ich alles vergelten, was soll ich irgend einer Kirche weihen von meinem Hab und Gut, von meinem Korn, meinem Vieh, von dem Wachse oder von andern ähnlichen, gottgefälligen Dingen?« Gar gern würde er sofort genannt haben, was er opfern wolle, allein dann kam ihm doch auch wieder der Gedanke, er müsse zuerst das Erwachen Danusias abwarten. »Weiß ich denn,« so fragte er sich, »wie es mit ihrer Gesundheit steht, ob sie bei ihrem Erwachen bei klarem Verstande ist, weiß ich denn, ob ich für etwas zu danken haben werde?«
Obgleich Macko der Sicherheit wegen die Lande des Fürsten Janusz so rasch wie möglich erreichen wollte, stimmte er doch auch damit überein, Danusia dürfe nicht aus dem Schlafe erweckt werden, der ihr vielleicht Heilung bringen konnte. Trotzdem sich daher die Mannen bereit halten mußten, trotzdem die Saumrosse zum Aufbruche gerüstet waren, harrte der alte Ritter geduldig aus.
Als indessen Stunde auf Stunde verrann, als die Mittagszeit verstrich und Danusia noch immer schlief, bemächtigte sich aller große Unruhe. Nachdem Zbyszko unaufhörlich durch die Luken und durch die Thüre geschaut hatte, trat er zum dritten Male in die Hütte und setzte sich auf den Pflock, den die Ordensdienerin am vorhergegangenen Abend für sich an das Lager Danusias geschleppt hatte, um diese leichter umkleiden zu können.
Lange saß Zbyszko da und schaute auf die Schlafende, deren Augen fest geschlossen waren. Nach geraumer Zeit indessen – man hätte dazwischen in aller Ruhe ein Vaterunser und ein Ave Maria sagen können – bebten mit einem Male ihre Lippen und gerade als ob sie ihn durch ihre geschlossenen Augenlider sähe, flüsterte sie: »Zbyszko!« – Sofort warf er sich vor ihr auf die Knie, drückte leidenschaftliche Küsse