Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Sie empfing ihn ebenso freundschaftlich wie sonst, verneigte sich und küßte ihm die Hand, sah aber ein wenig traurig aus.
»Ist Dein Vater zu Hause?« fragte er.
»Er ist mit dem Abte auf die Jagd gegangen. Wann sie zurückkehren, weiß ich nicht.«
So sprechend, führte sie ihn in die Stube, wo sie schweigend einige Zeit beisammen saßen. Dann nahm sie zuerst wieder das Wort: »Ihr langweilt Euch wohl, seitdem Ihr allein in Bogdaniec seid?«
»Ja,« erwiderte Macko. »Und Du weißt also schon, daß Zbyszko wieder in die Ferne gezogen ist?«
Jagienka seufzte leise.
»Ich weiß es,« sagte sie. »Ich wußte es schon am nämlichen Tage, und ich glaubte, er werde bei uns eintreten, um noch ein Abschiedswort zu sagen, aber er ist nicht gekommen.«
»Wie hätte er anders handeln können?« entgegnete Macko, »der Abt hätte ihn ja dann in Stücke zerrissen, und auch Dein Vater würde ihn nicht freundlich aufgenommen haben.«
Sie aber schüttelte den Kopf und sagte: »O ich hätte es nicht zugelassen, daß er von jemand gekränkt worden wäre.«
Obwohl nun Macko nicht weichherzig war, rührte ihn dies tief; er zog Jagienka zu sich heran und rief: »Gott sei mit Dir, Mädchen! Deine Kümmernisse sind auch die meinen, denn ich sage Dir nur das eine, daß weder der Abt noch Dein leiblicher Vater Dich mehr lieben kann, als ich Dich liebe. Wie gerne würde ich an der Wunde sterben, welche Du geheilt hast, wenn er Dich nähme und keine andere.«
Für Jagienka aber war jener Augenblick gekommen, da man Kummer und Leid nicht länger in sich zu verschließen vermag, und sie antwortete: »Ich werde ihn niemals wiedersehen, und wenn ich ihn wiedersehe, wird er Jurands Tochter an seiner Seite haben, zuvor aber werde ich mir die Augen ausweinen.«
Und sie verhüllte ihr Gesicht mit der Schürze, in ihren Augen standen helle Thränen.
Aber Macko entgegnete: »Sei nur ruhig! Wohl ist er in die Ferne gezogen, weil er nicht anders konnte, doch Gott in seiner Gnade wird uns beistehen, so daß er nicht mit Jurands Tochter zurückkehrt.«
»Weshalb sollte er ohne sie zurückkehren?« fragte Jagienka unter ihrer Schürze hervor.
»Weil ihm Jurand die Tochter nicht geben will.«
Nun zeigte Jagienka plötzlich ihr Gesicht wieder und sagte lebhaft: »Er erzählte es mir! Aber ist es auch wahr?«
»So wahr wie Gott im Himmel ist!«
»Und warum?«
»Kein Mensch weiß es! Vielleicht ist er durch irgend etwas gebunden, vielleicht durch ein Gelübde, und dem ist nicht abzuhelfen. Zbyszko gefiel ihm, zumal er sich anheischig gemacht hatte, mit Jurand Rache an dessen Feinden zu nehmen, aber auch dies half nichts. Umsonst war auch die Brautwerbung der Fürstin Anna. Weder auf Bitten, noch auf Vorstellungen, noch auf Befehle wollte Jurand hören. Er sagte, er könne nicht anders. Nun, offenbar ist ein Grund vorhanden, daß er nicht anders kann, auch ist er ein starrsinniger Mensch, welcher das, was er einmal gesagt hat, aufrecht erhält. Also verliere Du nicht den Mut, Mädchen, und bleibe standhaft. Um seine Pflicht zu erfüllen, mußte der Knabe in die Ferne ziehen, denn die Pfauenbüsche hat er jener andern in der Kirche eidlich versprochen. Sie hat ihn mit ihrem Schleier bedeckt, zum Zeichen, daß sie ihn zum Gatten nehmen wolle, sonst hätte sein Haupt fallen müssen – dafür ist er ihr Dank schuldig – das ist nicht zu leugnen. Wenn es Gottes Wille ist, wird sie nicht die Seine werden, aber tatsächlich hat sie ein Recht auf ihn. Zych ist ihm nun gram, der Abt wird sich gewiß auf furchtbare Art rächen und ich selbst bin unwillig über den Burschen, aber alles in allem genommen, was sollte er machen? Da er jenem Mädchen verpflichtet ist, mußte er sich auf die Fahrt begeben. Er ist doch ein Edelmann. Und ich sage Dir nur dies: Wenn ihn die Deutschen nicht tüchtig durchhauen, so kommt er wieder zurück, wie er ausgezogen ist, und nicht allein zu mir, seinem alten Oheim, nicht nur nach Bogdaniec kehrt er zurück, sondern auch zu Dir, weil Du ihm lieb geworden bist.«
»Ich ihm lieb geworden?« wiederholte Jagienka. Zugleich aber trat sie dicht zu Macko heran, und ihn mit dem Ellbogen anstoßend fragte sie: »Woher wißt Ihr das? Nun? Es ist gewiß nicht wahr!«
»Woher ich es weiß?« antwortete Macko. »Ich sah ja, wie schwer es ihm ward, in die Ferne zu ziehen. Und es war so. Als beschlossen wurde, daß er ziehen solle, und ich ihn fragte: ›Ist es Dir nicht leid um Jagienkas willen‹? sprach er: ›Möge Gott ihr Gesundheit verleihen und alles Gute zu teil werden lassen!‹ Und dann begann er zu seufzen und zu ächzen wie der Blasebalg eines Schmiedes!«
»Das ist gewiß nicht wahr!« sagte Jagienka ganz leise – »doch erzählt mir weiter.«
»Es ist wahr, so gewiß ich Gott liebe! Da er Dich jetzt kennt, wird ihm die andere nicht mehr so gut gefallen, denn Du weißt ja selbst, daß auf der ganzen Welt kein so kraftstrotzendes, schönes Mädchen mehr zu finden ist wie Du. Fürchte nichts – durch den Willen Gottes fühlt er sich zu Dir hingezogen – vielleicht mehr als Du zu ihm.«
»O wenn es doch so wäre!« rief Jagienka aus.
Und sich plötzlich bewußt werdend, was ihren Lippen unwillkürlich entflohen war, bedeckte Sie ihr wie in Glut getauchtes Gesicht mit ihren Händen, Macko aber lächelte, strich seinen Schnurrbart und sagte: »Ei, daß ich doch jung wäre! Aber bleibe Du nur stark, denn ich sehe schon, wie es kommen wird. Er macht sich auf die Fahrt, um sich die Sporen am masovischen Hofe zu verdienen, da von dort die Grenze nicht weit ist und ein Zusammentreffen mit einem Kreuzritter leicht herbeigeführt werden kann. Wohl weiß ich, daß es auch unter den Deutschen tapfere Ritter giebt, daher wird er wohl nicht mit heiler Haut aus dem Kampfe hervorgehen, aber ich denke mir, daß mancher ihm gegenüber den Kürzeren zieht, weil der Schelm im Kampfe sehr gewandt ist. Du weißt ja, wie er sich mit Cztan aus Rogow und Wilk aus Brzozowa gerauft hat, obgleich man sagt, daß es tüchtige Burschen sind und so wild wie Bären. Die Pfauenbüsche wird er wohl bringen, aber Jurands Tochter wird er mir nicht zuführen, denn auch ich habe mit diesem gesprochen und weiß, wie die Sache sich verhält. Nun, und was wird dann geschehen? Dann kehrt er hierher zurück, denn wohin sollte er sich wenden?«
»Ach, ob er wohl je zurückkehrt?«
»Na, harrst Du nur aus, so wirst Du gut dabei fahren. Und erzähle Deinem Vater und dem Abte das, was ich Dir sage, damit ihr Zorn über Zbyszko etwas nachläßt.«
»Aber was soll ich denn sagen? Das Väterchen ist eher betrübt als ärgerlich, aber in der Gegenwart des Abtes ist es gefährlich, auch nur von Zbyszko zu reden. Wie hat er mir und dem Vater zugesetzt, weil wir einen unserer Mannen zu Zbyszko geschickt haben.«
»Einen Euerer Mannen habt Ihr zu ihm gesandt?«
»Ja, wißt Ihr, bei uns lebt ein Böhme, welchen der Vater bei Boleslawicz gefangen nahm, ein guter und treuer Knecht. Hlawa wird er genannt. Väterchen überließ mir ihn zur Bedienung, weil er sagt, er sei ein Edelmann, und ich habe ihn jetzt passend ausgerüstet und zu Zbyszko gesandt, damit er ihm treu diene, ihn bei unglücklichen Zufällen beschütze, und damit er es verkünde, wenn geschehen würde, was Gott verhüten möge. Ich habe ihm auch eine Geldkatze mit auf den Weg gegeben, und er schwur mir bei seinem ewigen Heil, er werde Zbyszko bis zum Tode treu dienen.«