Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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»Euer Knecht, edler Herr!«
»Wieso mein Knecht? Dies sind meine Knechte!« entgegnete Zbyszko, auf die beiden Türken, die er von Sulimczyk Zlawisza zum Geschenk erhalten, und auf zwei kräftige Bursche zeigend, die zu Roß saßen und die Hengste des Ritters am Zügel führten, »Wer hat Dich hierher geschickt?«
»Die Jungfrau Jagienka Zych aus Zgorzelic!«
»Die Jungfrau Jagienka?« Zbyszko, der sich soeben erst im Innern förmlich gegen sie aufgelehnt hatte, dessen Herz noch von Groll gegen sie erfüllt war, versetzte: »Kehre nach Hause zurück und danke Deiner Herrin in meinem Namen für ihre Gewogenheit, denn Du kannst nicht bei mir bleiben.«
Aber der Böhme schüttelte den Kopf: »Ich kehre nicht zurück, Herr! Euer bin ich jetzt, und ich habe geschworen, Euch zu dienen bis zum Tode.«
»Wenn ich Dich von ihr zum Geschenk erhalten habe, bist Du mein Diener!«
»Euer Diener, Herr!«
»Und ich befehle Dir, zurückzukehren.«
»Ich aber habe geschworen, und wennschon ich bei Boleslawicz zum Gefangenen gemacht wurde, wennschon ich als Knecht dienen muß, bin ich doch auch ein Edelmann.«
Nun geriet Zbyszko in Zorn: »Packe Dich fort! Wie, Du kannst mir doch nicht gegen meinen Willen dienen? Packe Dich fort, sonst lasse ich die Armbrust spannen.«
Der Böhme band ruhig einen mit Wolfspelz gefütterten Mantel auf, überreichte ihn Zbyszko und sagte: »Die Jungfrau Jagienka sendet Euch auch dies.«
»Willst Du, daß ich Dir die Knochen entzwei schlage?« fragte Zbyszko, seine Lanze aus der Hand eines Knechtes nehmend.
»Und hier ist auch eine Geldkatze, die Euch zu Gebot steht!« fügte der Böhme hinzu.
Zbyszko hatte schon die Lanze angelegt, doch nun erinnerte er sich, daß dieser Mann wohl ein Gefangener, aber aus adeligem Geschlechte war, und daß er offenbar nur deshalb hatte bei Jagienka bleiben müssen, weil er nichts besaß, um sich loszukaufen, daher ließ er die Lanze wieder sinken. Der Böhme aber neigte sich tief bis zu seinen Füßen herab und sagte: »Erzürnt Euch nicht, Herr! Da Ihr mir nicht befehlt, bei Euch zu bleiben, will ich einige hundert Schritte oder noch etwas mehr hinter Euch reiten, aber begleiten werde ich Euch, denn dies habe ich bei meinem Seelenheil geschworen.«
»Und wenn ich Dich totschlagen oder fesseln lasse?«
»Wenn Ihr mich totschlagen laßt, wird es nicht meine Sünde sein, und wenn Ihr mich fesseln laßt, werde ich es aushalten, bis gute Leute mich befreien oder die Wölfe mich auffressen.«
Zbyszko gab keine Antwort – er trieb sein Pferd an, und auch seine Leute setzten sich in Bewegung. Mit der Armbrust auf der Schulter, dem Beile im Arm, ritt der Böhme hinter ihnen her. Er hatte das zottige Fell eines Auerochsen um sich geschlagen, denn ein scharfer Wind wehte und führte dichte Schneeflocken mit sich.
Das Unwetter nahm mit jedem Augenblick zu. Trotz ihrer Schafpelze waren die Türken wie erstarrt vor Kälte, Zbyszkos Diener schlugen sich in die Hände, und da er selbst nicht warm genug gekleidet war, warf er hie und da einen verstohlenen Blick auf den mit Wolfspelz gefütterten Mantel, der ihm von Hlawa gebracht worden war, und schließlich gebot er einem der Türken, ihm den Mantel zu reichen. Und als er sich dicht hineingehüllt hatte, fühlte er bald eine wohlthuende Wärme, welche den ganzen Körper durchdrang. Den besten Dienst leistete ihm die Kapuze, welche seine Augen und einen großen Teil seines Gesichtes bedeckte, so daß er den Wind kaum mehr spürte. Nun sagte er sich unwillkürlich, daß Jagienka doch ein seelengutes Mädchen sei – und er hielt sein Pferd an, weil ihn die Lust überkam, den Böhmen nach ihr und nach allem auszuforschen, was sich mittlerweile in Zgorzelic zugetragen hatte.
Er winkte daher dem Boten Jagienkas und richtete an ihn die Frage: »Weiß denn der alte Zych, daß Dich die Jungfrau zu mir gesandt hat?«
»Er weiß es!« entgegnete Hlawa.
»Und er hat sich nicht widersetzt?«
»Ja, er hat sich widersetzt!«
»Erzähle mir ganz genau, wie es gewesen ist.«
»Der Herr rannte in der Stube herum und die Jungfrau hinter ihm her. Er war sehr ärgerlich und schrie, aber das Mädchen gab keinen Laut von sich – doch als er sich zu ihr umwandte, fiel sie zu seinen Füßen nieder, ohne ein einziges Wort zu äußern. Schließlich sagte der Herr: ›Du bist wohl taub geworden, daß Du gar nichts auf meine Vorstellungen erwiderst? Sprich Dich wenigstens aus, denn am Ende muß ich es ja doch gestatten. Aber wenn ich es gestatte, reißt mir der Abt den Kopf herunter!‹ Als nun die Jungfrau sah, daß sie ihren Willen durchsetzen werde, dankte sie unter Thränen. Der Herr machte ihr Vorwürfe, daß sie ihn überredet hatte, und klagte darüber, daß sie in allem ihren Willen durchsetzen wolle, zuletzt aber sagte er: ›Versprich mir, daß Du Dich nicht heimlich hinausstiehlst, um Dich von ihm zu verabschieden, dann gebe ich meine Einwilligung, sonst aber nicht!‹ Da wurde die Jungfrau sehr betrübt, aber sie versprach es – und der Herr war sehr froh darüber, weil er und der Abt eine furchtbare Angst gehabt hatten, ihr könne die Lust kommen, Euer Gnaden noch einmal zu sehen … das war aber noch nicht alles, denn die Jungfrau wollte, daß ich mich mit zwei Pferden zu Euch aufmache, und der Herr untersagte es, das Jungfräulein wollte Euch den Wolfspelz und die Geldkatze schicken, der Herr untersagte es. Doch was nützen solche Verbote? Wenn es ihr in den Sinn käme, das Haus anzuzünden, so würde der Herr es schließlich auch erlauben. So bin ich denn mit zwei Pferden, mit dem Wolfspelz und der Geldkatze zu Euch gekommen.«
»Welch gutes Mädchen!« sagte sich Zbyszko im Innern.
Nach einer Weile fragte er: »Und hatten sie mit dem Abte nicht ihre liebe Not?«
Der Böhme lächelte wie ein verständiger Mann, welcher alles wahrnimmt, was um ihn her vorgeht, und erwiderte: »Die beiden verheimlichten es vor dem Abte, und was weiter geschah, weiß ich nicht, weil ich zeitig wegritt. Der Abt bleibt immer der Abt – zuweilen schreit er auch das Jungfräulein Jagienka an, aber dann betrachtet er sie unverwandt, um zu ergründen, ob er sie beleidigt hat. Ich war selbst einmal dabei, als er mit ihr zankte, gleich darauf jedoch an seine Truhe ging, eine Kette herausnahm, wie selbst in Krakau keine schönere zu finden ist, und sagte: »Hier, nimm!« Ja, auch mit dem Abte wird sie sich zu helfen wissen, denn der eigene Vater hat sie nicht lieber als er.«
»Gewiß, so ist es!«
»So wahr Gott im Himmel ist!«
Ein kurzes Schweigen folgte, und weiter ritten sie, inmitten des Sturmes und des Schneegestöbers. Da hielt Zbyszko sein Pferd an, denn plötzlich ließ sich eine klagende, durch das Rauschen des Waldes kaum hörbare Stimme vernehmen: »Christen, errettet einen Diener Gottes aus seiner Bedrängnis!«
Beinahe gleichzeitig erblickten sie einen Mann in halb geistlicher, halb weltlicher Tracht, der ihnen entgegeneilte und vor Zbyszko stehen bleibend, ausrief: »Wer Du auch seist, Herr, hilf Deinem Nebenmenschen in seiner schweren Not!«
»Was ist geschehen? Ist Euch etwas zugestoßen?« fragte der junge Ritter.
»Ich bin ein Diener Gottes, wenngleich ich nicht die Weihen empfangen habe, und mir ist das Unglück zugestoßen, daß mein Pferd, welches zwei Laden