Als Fanny ihr Pony fand. Ursula Isbel-Dotzler

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Als Fanny ihr Pony fand - Ursula Isbel-Dotzler

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      Ursula Isbel-Dotzler

      Als Fanny ihr Pony fand

      SAGA Egmont

      Als Fanny ihr Pony fand

      Copyright © 1995, 2018 Ursula Isbel-Dotzler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711804599

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      „Laßt mich hierbleiben!“

      So oft hatte ich schon gedacht, daß ich tausendmal lieber auf dem Land leben würde als in der Stadt. Doch das vergaß ich völlig, als es passierte.

      Ich ahnte nicht, was auf mich zukam, bis meine Eltern es mir an einem Abend im April sagten. Draußen regnete es, daran erinnere ich mich noch.

      Wir saßen am Eßtisch, und ich stocherte in meinem Gemüseauflauf herum.

      Da sagte mein Vater: „Fanny, wir müssen mit dir reden. Es gibt eine große Veränderung in unserem Leben.“

      Fanny, das bin ich. Es klang sehr feierlich, wie er das sagte. Immer wenn mein Vater aufgeregt ist, blitzen seine Brillengläser auf besondere Weise. Ich weiß nicht, woher das kommt. Diesmal blitzten sie wie verrückt.

      Meine Mutter saß dabei und schälte einen Apfel. Sie sah mich nicht an.

      „Wir hätten es dir vielleicht längst sagen sollen“, fuhr mein Vater fort. „Aber es war alles so ungewiß. Wir wollten dich nicht beunruhigen …“

      Ich fragte mich, was es sein mochte und warum er so lange um den heißen Brei herumredete. Doch das ist seine Art. Umständlich.

      „Die Firma entläßt in diesem Frühjahr mehr als hundert Leute“, sagte er. „Unter anderem werde auch ich entlassen. Ich kriege zwar eine Abfindung, aber … jedenfalls war ich gezwungen, mir eine neue Arbeit zu suchen.“

      Ich schob ein Stück Lauch an den Tellerrand. Lauch mag ich nicht. „Wie lange weißt du’s schon?“ fragte ich.

      Mein Vater räusperte sich. „Seit Weihnachten“, sagte meine Mutter.

      Ich war nicht besonders überrascht. Ich bin es gewöhnt, daß meine Eltern Dinge vor mir verheimlichen. Sie glauben, daß es besser für mich ist, nicht alles zu wissen.

      In einer Viertelstunde kam meine Lieblingsserie im Fernsehen. Sie handelte von einem Mädchen und seinem Pferd. Wenn ich ganz ruhig zuhörte und meinen Vater nicht unterbrach, war er vielleicht bald fertig, und ich konnte mir Wildfeuer ansehen.

      „Wir müssen umziehen!“ sagte er.

      Ich dachte, er meinte in eine andere Wohnung. In eine andere Straße oder so ähnlich. Doch so war es nicht. Er erklärte mir, daß wir aus unserer Stadt wegziehen mußten, weil es hier keine „adäquate“ Arbeit für ihn gab. Was adäquat bedeutet, wußte ich nicht, aber ich fragte nicht nach.

      Mein Vater erklärte und erklärte und erklärte, wie schwierig es sei, eine gute Stellung zu finden, die seiner Ausbildung entsprach. Er redete vom Arbeitsmarkt und von Finanzen und wie teuer alles sei.

      Schließlich hob meine Mutter den Kopf und sagte: „Wir ziehen nach Bayern, Fanny. Vater hat einen Job in Traunstein angeboten bekommen. Und Tante Bea hat ein Reihenhaus in einem Dorf für uns gefunden, das wir mieten können.“

      Ich kann nicht sagen, was ich fühlte. In meinem Kopf war es ganz leer. Aber mein Herz klopfte wild.

      Nachts konnte ich nicht schlafen. Die Gedanken waren wie ein wuselnder Ameisenhaufen. Ich dachte vor allem an Mona.

      Mona ist meine beste Freundin. Am ersten Schultag saßen wir nebeneinander. Seitdem sind wir befreundet. Mit Mona kann ich über alles reden. Sie hilft mir beim Rechnen, und ich helfe ihr bei der Rechtschreibung. Mona liebt Tiere genauso wie ich. Sie ist stark und mutig, obwohl sie nicht besonders groß ist. Einmal prügelte sie sich beinahe mit einem Jungen, der versuchte, mich anzumachen.

      Ich werde sie nie Wiedersehen! dachte ich. Höchstens einmal oder zweimal im Jahr, in den Ferien. Ich werde ganz allein sein. Mona kann in unserer Schule bleiben, aber ich werde niemanden kennen, keinen Menschen. Die Leute werden bayerisch reden, und ich werde sie nicht verstehen. Ich komme an einen völlig fremden Ort, unter lauter fremde Menschen.

      Tante Bea war die einzige, die ich dort kannte. Sie lebte auch in dem Dorf, in dem meine Eltern das Haus mieten wollten. Tante Bea war selbst erst vor einem Jahr nach Erlbach gezogen, wie der Ort hieß. Vorher hatte sie in Stuttgart gewohnt. Seit ich aus dem Kindergarten gekommen war, hatte uns Tante Bea zweimal besucht. Besonders gut kannte ich sie also auch nicht.

      Erst als ich spürte, wie naß mein Gesicht war, merkte ich, daß ich weinte. Ich versuchte an irgend etwas zu denken, das mich trösten konnte, doch mir fiel nichts ein.

      Am nächsten Morgen sagte ich beim Frühstück: „Also, ich hab mir das überlegt. Ich mag nicht mit nach Bayern ziehen. Laßt mich hierbleiben, bitte! Vielleicht kann ich ja bei Mona wohnen.“

      Mein Vater stellte seine Kaffeetasse ab. Sie klirrte. Mutti sah erschrocken aus. „Aber Kind!“ erwiderte sie. „Das geht nicht! Du gehörst doch zu uns! Wir können dich nicht einfach hier zurücklassen …“

      „Hör mal zu, Fanny“, sagte mein Vater mit blitzenden Brillengläsern. „Ich verstehe ja, daß der Gedanke an den Umzug schwer für dich ist. Es ist für uns alle eine große Umstellung. Aber in ein paar Monaten wirst du dich in Erlbach schon zu Hause fühlen. Du wirst neue Freunde finden.“

      Das klang, als wären Freunde etwas, was einfach so an jeder Straßenecke auf einen wartet. Mit zitternder Stimme antwortete ich: „Ich will aber keine neuen Freunde! Mona ist meine Freundin. Ich möchte mit ihr zusammenbleiben. Und ich mag nicht in eine neue Schule gehen, wo ich keinen kenne.“

      Ich fing an zu schluchzen, obwohl ich das gar nicht wollte. „Ich werde ganz allein sein. Nein, ich bleibe hier, ich gehe einfach nicht mit!“

      Dabei wußte ich genau, daß mir gar nichts anderes übrigbleiben würde, als mitzukommen. Sie konnten mich dazu zwingen, wenn sie wollten. Kinder und Jugendliche haben kein Recht, zu bestimmen, wo sie wohnen wollen. Sie müssen dort leben, wo ihre Eltern sind.

      Die beiden wechselten einen Blick. Mein Vater wollte etwas sagen, doch meine Mutter schüttelte leicht den Kopf. Sie streckte die Hand aus und streichelte meine Wange.

      „Es geht nicht anders, Mäuschen“, sagte sie. So hatte sie mich früher immer genannt, als ich noch klein war. „Mach es uns doch nicht noch schwerer, als es schon ist! Wir müssen umziehen, wir haben keine andere Wahl. Und du wirst nicht allein sein.

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