Die Erde. Emile Zola

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Die Erde - Emile Zola

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warteten die Delhommes reglos. Die hatte Glück gehabt, diese Fanny, daß sie von einem ehrbaren und reichen Liebsten geheiratet worden war, sogar ohne schwanger zu sein, sie, die für ihr Teil von Vater Fouan nur ungefähr drei Hektar erwartete. Übrigens bereute ihr Mann es nicht, denn er hätte weder eine verständigere noch eine rührigere Hausfrau finden können, so daß er sich in allen Dingen lenken ließ, weil er von beschränktem Geist war, aber so ruhig, so rechtschaffen, daß man ihn häufig in Rognes als Schiedsmann nahm.

      In diesem Augenblick erstickte der kleine Schreiber, der auf die Straße hinausschaute, ein Lachen zwischen seinen Fingern und flüsterte seinem Nachbarn, dem dickbäuchigen und sehr schmuddligen Alten, zu: „Oh! Jesus Christus!“

      Rasch hatte sich Fanny zum Ohr ihres Mannes hinübergebeugt.

      „Du weißt, laß mich machen ... Ich liebe Papa und Mama sehr, aber ich will nicht, daß man uns bestiehlt; und mißtrauen wir Geierkopf und Hyacinthe, diesem Strolch.“

      Sie sprach von ihren beiden Brüdern, sie hatte durchs Fenster gesehen, daß der ältere eintraf, dieser Hyacinthe, den die ganze Gegend unter dem Beinamen Jesus Christus kannte, ein Faulpelz und Trunkenbold, der bei seiner Rückkehr vom Militärdienst, nachdem er die Feldzüge in Afrika mitgemacht, angefangen hatte, sich auf den Feldern herumzutreiben, jede regelmäßige Arbeit ablehnte und von Wilddieberei und Plünderei lebte, als habe er noch ein zitterndes Volk von Beduinen zu prellen.

      Ein großer fideler Kerl trat ein, in der ganzen muskulösen Kraft seiner vierzig Jahre, mit lockigen Haaren, langem und ungepflegtem Spitzbart, dem Gesicht eines verkommenen Christus, eines Christus, der Säufer, Mädchenschänder und Straßenräuber war. Da er sich seit dem Morgen in Cloyes aufhielt, war er bereits angetrunken, hatte eine verdreckte Hose, einen vor Flecken starrenden Kittel an und eine hintüber ins Genick geschobene, zerlumpte Schirmmütze auf, und er rauchte eine feuchte und schwarze Zigarre zu einem Sou, die schrecklich stank. Auf dem Grunde seiner ertränkten schönen Augen lag indessen Spottlust, die nicht bösartig war, das offene Herz eines gutmütigen Lumpen.

      „Vater und Mutter sind also noch nicht da?“ fragte er. Und da ihm der hagere, vor Ärger grünlich gewordene Schreiber wütend mit einem verneinenden Kopfschütteln antwortete, verharrte er einen Moment mit dem Blick zur Wand, während seine Zigarre von ganz allein in seiner Hand rauchte. Er hatte seine Schwester und seinen Schwager keines Blickes gewürdigt, und auch sie schienen nicht gesehen zu haben, daß er eintrat. Dann ging er, ohne ein Wort hinzuzufügen, hinaus, schickte sich an, auf dem Bürgersteig zu warten.

      „Oh, Jesus Christus, oh, Jesus Christus!“ sagte mehrmals der kleine Schreiber mit gekünstelter Baßstimme, die Nase der Straße zugewandt, und schien mehr und mehr belustigt über den Spitznamen, der in ihm spaßige Geschichten wachrief.

      Aber kaum fünf Minuten vergingen, da trafen endlich die Fouans ein, zwei alte Leute mit langsam gewordenen und vorsichtigen Bewegungen. Der jetzt siebzig Jahre alte, einst sehr stämmige Vater war vertrocknet und zusammengeschrumpelt bei einer so harten Arbeit, bei einer so gierigen Leidenschaft nach Erde, daß sein Leib sich krümmte, wie um zu dieser heftig begehrten und endlich besessenen Erde zurückzukehren. Er war jedoch noch rüstig, bis auf die Beine, war gut beieinander, hatte untadlig als Hasenpfoten geschnittene weiße Backenbärtchen, die lange Nase der Familie, die sein hageres Gesicht mit den von großen Furchen durchschnittenen Lederflächen spitzer machte. Und in seinem Schatten, nicht einen Fußbreit von ihm weichend, schien die Mutter, die kleiner war, üppig geblieben zu sein mit dem dicken Bauch beginnender Wassersucht, dem haferfarbenen Gesicht, das durchlöchert war von runden Augen, einem runden Mund, der durch eine Unmenge von Runzeln zusammengeschnürt war wie die Geldbeutel von Geizhälsen. Stumpfsinnig, im Haushalt auf die Rolle eines folgsamen und arbeitsamen Tieres beschränkt, hatte sie stets vor der despotischen Autorität ihres Mannes gezittert.

      „Ah, ihr seid’s also!“ rief Fanny und erhob sich.

      Delhomme war ebenfalls von seinem Stuhl aufgestanden. Und hinter den Alten war Jesus Christus, sich in den Hüften wiegend, ohne ein Wort soeben wieder zum Vorschein gekommen. Er drückte den Stummel seiner Zigarre aus, stopfte dann den stänkrigen Qualmer in eine Tasche seines Kittels.

      „Da sind wir also“, sagte Fouan. „Es fehlt nur Geierkopf ... Niemals pünktlich, niemals wie die andern, dieser Kerl!“ „Ich habe ihn auf dem Markt gesehen“, erklärte Jesus Christus mit einer vom Schnaps heiseren Stimme. „Er wird gleich kommen.“

      Geierkopf, der Jüngste, war siebenundzwanzig Jahre alt und verdankte diesen Beinamen seinem eigensinnigen, unausgesetzt in Auflehnung begriffenen Kopf, der sich auf seine Ideen versteifte, die seine und niemand anderes Ideen waren. Sogar als Bengel hatte er sich nicht mit seinen Eltern vertragen können; und später war er, nachdem er eine gute Nummer gezogen hatte, von ihnen ausgerückt, um sich zu verdingen, zuerst auf La Borderie, danach auf La Chamade.

      Aber während der Vater noch schimpfte, trat er lebhaft und fröhlich ein. Bei ihm war die große Nase der Fouans abgeplattet, während sich der Unterteil des Gesichts, die Kiefer als gewaltige Fleischfresserkinnladen vorschoben. Die Schläfen flohen zurück, der ganze Oberteil des Kopfes verschmälerte sich, und hinter dem lustigen Lachen seiner grauen Augen lag bereits Verschlagenheit und Gewalttätigkeit. Er hatte von seinem Vater das rohe Verlangen, die Versessenheit aufs Besitzen, was beides verschlimmert wurde durch den engstirnigen Geiz der Mütter. Bei jeder Streitigkeit pflegte er den beiden Alten, wenn sie ihn mit Vorwürfen überhäuften, zu antworten: „Hättet mich nicht so machen müssen!“

      „Hört mal, es sind fünf Meilen von La Chamade nach Cloyes“, antwortete er auf das Schimpfen. „Und außerdem, was denn? Ich treffe zur selben Zeit ein wie ihr ... Will man wieder über mich herfallen?“

      Nun stritten sich alle, schrien mit ihren gellenden und lauten Stimmen, die an den Wind auf freiem Felde gewöhnt waren, erörterten heftig ihre Angelegenheiten, ganz so, als wären sie bei sich zu Hause. Die Schreiber, die dadurch gestört wurden, warfen ihnen scheele Blicke zu; da kam auf den Lärm hin der Notar und öffnete abermals die Tür seines Arbeitszimmers.

      „Seid ihr alle da? Na las, kommt rein!“

      Dieses Arbeitszimmer lag zum Garten hin, dem schmalen Erdstreifen, der bis zu den blattlosen Pappeln am Loir hinabreichte, die man in der Ferne erblickte. Als Kaminschmuck stand da eine Stutzuhr aus schwarzem Marmor zwischen Aktenpacken, und nichts weiter als der Mahagonischreibtisch, ein Aktenschrank und Stühle.

      Sofort hatte sich Herr Baillehache an diesem Schreibtisch niedergelassen wie bei einer Gerichtssitzung, während die Bauern, die hintereinander eingetreten waren, voller Verlegenheit zögerten, nach den Stühlen schielten, weil sie nicht wußten, wo und wie sie sich setzen sollten.

      „Nun, setzt euch!“

      Da fanden sich Fouan und Rose, von den anderen geschoben, in der ersten Reihe auf zwei Stühlen; Fanny und Delhomme setzten sich dahinter, ebenfalls Seite an Seite, während sich Geierkopf dicht an der Wand in einer Ecke absonderte und Hyacinthe vor dem Fenster, dessen Licht er mit seinen breiten Schultern wegnahm, allein stehen blieb.

      Ungeduldig geworden, redete ihn der Notar jedoch vertraulich an:

      „Setzt Euch doch, Jesus Christus!“ Und Herr Baillehache mußte als erster die Angelegenheit anschneiden: „So, Vater Fouan, Ihr habt Euch also entschlossen, Euern Besitz zu Lebzeiten zwischen Eure beiden Söhne und Eure Tochter aufzuteilen?“

      Der Alte antwortete nicht, die anderen verharrten reglos, ein tiefes Schweigen entstand.

      Der Notar, der diesen schleppenden Gang der Verhandlung gewohnt war, beeilte sich übrigens auch nicht. Sein Amt lag seit zweihundertfünfzig Jahren in der

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