Die Erde. Emile Zola
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Erde - Emile Zola страница 7
„Das ist hundert Francs den Hektar wert“, wiederholte der Alte immer wieder eigensinnig und klatschte sich dabei auf die Schenkel. „Morgen werde ich für hundert Francs verpachten, wenn ich will ... Und was ist das denn für euch wert? Ein bißchen raus mit der Sprache, damit man sieht, was das wert ist!“
„Das ist sechzig Francs wert“, sagte Geierkopf.
Außer sich, hielt Fouan seinen Preis aufrecht, stimmte ein übertriebenes Loblied auf seine Erde an, eine so gute Erde, die von ganz allein Getreide bringe, als Delhomme, der bis dahin geschwiegen hatte, im Tonfall unbedingter Ehrbarkeit erklärte:
„Das ist achtzig Francs wert, nicht einen Sou mehr, nicht einen Sou weniger.“
Sofort beruhigte sich der Alte.
„Gut, setzen wir achtzig ein, ich will für meine Kinder gern ein Opfer bringen.“
Aber Rose, die ihn an einem Zipfel seines Kittels gezupft hatte, ließ ein einziges Wort fallen, das Aufbegehren ihrer Knauserigkeit:
„Nein! Nein!“
Jesus Christus hatte kein Interesse mehr. Die Erde lag ihm seit seinen fünf Afrikajahren nicht mehr am Herzen. Er brannte nur von dem einen Verlangen, seinen Teil zu bekommen, um ihn zu Geld zu machen. Deshalb wiegte er sich weiter mit spöttelnder und überlegener Miene in den Hüften.
„Achtzig habe ich gesagt“, schrie Fouan, „dabei bleibt’s, achtzig! Bei mir hat’s immer nur ein Wort gegeben: vor Gott schwöre ich es! – Neun und einen halben Hektar, seht mal, das macht siebenhundertsechzig Francs, rund gerechnet achthundert ... Na schön, das Altersgeld wird achthundert Francs betragen, das ist gerecht!“
Geierkopf brach ungestüm in Lachen aus, während Fanny, gleichsam bestürzt, mit einem Kopfschütteln Einspruch erhob. Und Herr Baillehache, der seit der Auseinandersetzung mit verschwommenen Augen in seinen Garten hinausschaute, wandte sich wieder seinen Klienten zu, schien ihnen zuzuhören, wobei er sich am Backenbart zupfte, wie es sein Tick war, eingeschläfert durch die Verdauung des erlesenen Mittagessens, das er zu sich genommen hatte.
Dieses Mal jedoch hatte der Alte recht: das war gerecht.
Aber hitzig geworden, mitgerissen von der Leidenschaft, den Handel zum möglichst niedrigen Preise abzuschließen, benahmen sich die Kinder schrecklich, feilschten, fluchten, waren unredlich wie Bauern, die ein Schwein kaufen.
„Achthundert Francs!“ feixte Geierkopf. „Ihr wollt wohl wie Stadtleute leben? – Na schön, achthundert Francs, vierhundert könnte man verzehren! Sagt sofort, daß Ihr das bloß macht, um an verdorbenem Magen zu verrecken!“
Fouan wurde noch nicht ärgerlich. Er fand das Feilschen natürlich, er bot lediglich diesem vorhergesehenen Toben die Stirn und ging, ebenfalls in Feuer geraten, stracks bis zum Äußersten mit seinen Forderungen.
„Und das ist nicht alles, wartet mal! – Selbstverständlich behalten wir bis zu unserm Tode das Haus und den Garten ... Da wir nichts mehr ernten und auch die beiden Kühe nicht mehr haben werden, wollen wir außerdem jährlich ein Stückfaß Wein, hundert Bündel Reisig und wöchentlich zehn Liter Milch, ein Dutzend Eier und drei Käse.“
„Oh, Papa!“ stöhnte Fanny schmerzlich und niedergeschmettert. „Oh, Papa!“
Geierkopf ging darauf überhaupt nicht ein. Er war mit einem Satz aufgestanden, er ging mit schroffen Bewegungen auf und ab; er hatte sogar seine Schirmmütze aufgestülpt, um aufzubrechen.
Jesus Christus hatte sich gleichfalls soeben von seinem Stuhl erhoben, beunruhigt bei der Vorstellung, daß alle diese Geschichten die Aufteilung zum Scheitern bringen könnten.
Allein Delhomme zuckte mit keiner Miene, hatte einen Finger an seine Nase gepreßt und verharrte in einer Haltung tiefer Nachdenklichkeit und großer Langerweile.
Da fühlte Herr Baillehache die Notwendigkeit, die Dinge ein wenig zu beschleunigen. Er schüttelte seine Schläfrigkeit ab, und seinen Backenbart mit rührigerer Hand durchwühlend, sagte er:
„Ihr wißt, meine Freunde, daß der Wein und die Bündel Reisig ebenso wie die Käse und die Eier üblich sind ...“
Aber er wurde durch eine Salve schriller Sätze unterbrochen.
„Eier mit Hühnchen dran vielleicht!“
„Trinken wir denn unsern Wein? Wir verkaufen ihn!“
„Nichts machen und sich wärmen, das ist bequem, wenn die Kinder sich abplacken!“
Der Notar, der schon ganz anderes gehört hatte, fuhr phlegmatisch fort:
„Über alles das gibt’s überhaupt nichts zu reden ... Zum Donnerwetter! Jesus Christus, setzt Euch doch! Ihr nehmt das Licht weg, das bringt einen ja hoch! – Und das ist nun von euch allen vereinbart, nicht wahr? Ihr entrichtet die Naturalabgaben, weil man sonst mit Fingern auf euch zeigen würde ... Es ist also nur noch die Höhe des Jahresgeldes zu erörtern ...“
Schließlich machte Delhomme ein Zeichen, daß er zu reden habe. Jeder nahm wieder seinen Platz ein; in die allgemeine Aufmerksamkeit hinein sagte er langsam:
„Verzeihung, das scheint mir gerecht, was der Vater verlangt. Man könnte ihm achthundert Francs zahlen, denn für achthundert Francs würde er seinen Besitz verpachten ... Bloß wir, wir rechnen nicht so. Er verpachtet uns das Land nicht, er gibt es uns, und es muß eine Berechnung angestellt werden, um in Erfahrung zu bringen, was der Vater und die Mutter zum Leben brauchen ... Ja, was sie zum Leben brauchen, nicht mehr.“
„In der Tat“, bekräftigte der Notar, „das ist gewöhnlich die Grundlage, die man nimmt.“
Und ein neuer Streit zog sich ewig in die Länge. Posten um Posten wurde das Leben der beiden Alten durchwühlt, ausgebreitet, erörtert. Man wog das Brot, das Gemüse, das Fleisch ab; man schätzte die Kleidung ab und beschnitt dabei das Leinen und die Wolle; man ging sogar bis zu den kleinen Annehmlichkeiten hinunter, zu Vaters Rauchtabak, für den die zwei Sous täglich nach unendlichen Gegenvorwürfen auf einen Sou herabgesetzt wurden. Wenn man nicht mehr arbeitet, muß man sich einzuschränken wissen. Könnte die Mutter nicht auch ohne den schwarzen Kaffee auskommen? Ebenso war es mit dem Hund der beiden, einem alten Hund von zwölf Jahren, der unnütz viel fraß: es war höchste Zeit, daß man ihm einen Flintenschuß versetzte. Als die Berechnung fertig war, begann man wieder von vorn, suchte, was man noch streichen konnte: zwei Hemden, sechs Taschentücher im Jahr, einen Centime von dem, was man pro Tag für Zucker eingesetzt hatte. Und durch Beschneiden und Wiederbeschneiden, durch Ausschöpfen der winzigen Einsparungen gelangte man solcherweise zu einer Zahl von fünfhundertfünfzig und einigen Francs, was die Kinder aufregte, außer sich brachte, denn sie hatten es sich in den Kopf gesetzt, die runde Summe von fünfhundert Francs nicht zu überschreiten.
Fanny indessen wurde es müde. Sie war keine schlechte Tochter, war mitleidiger als die Männer, weil ihr Herz und ihre Haut nicht durch das rauhe Dasein in der freien Luft verhärtet waren. Deshalb sprach sie davon, dem ein Ende zu machen, und schickte sich in Zugeständnisse. Jesus Christus seinerseits zuckte die Schultern, war sehr großzügig mit dem Geld, selber von einer Trunkenboldsrührung überkommen und bereit, einen Zuschuß von seinem Teil anzubieten, den er übrigens niemals gezahlt hätte.