Der Hund, der die Welt rettet. Ross Welford
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Wisst ihr, was? Allein der Gedanke macht mich traurig. Deshalb liebe ich das Sankt Bello auch so. Natürlich sucht man hier auch ein neues Zuhause für die Hunde, aber wenn es nicht klappt, dann … werden sie eben Dauergäste.
Ein wenig wichtigtuerisch führte ich Ramzy herum und zeigte ihm die Zwinger und die Pflege-Tafeln. Ziemlich altmodisch wird alles per Hand vermerkt: frisches Wasser geben (man macht einfach einen Haken, der Stift hängt an einer Schnur daneben), bürsten (Haken), Stuhlkontrolle (Haken) … und so weiter.
Nun zu den Hunden selbst …
1. Ben. Jack Russel Mix, wahrscheinlich mit Cocker Spaniel. Schwarz, weiß, braun. Alter: um die sechs. Leute, die er nicht kennt, knurrt er an, deshalb hat er auch noch kein Zuhause gefunden.
Bei Ramzys Anblick fletschte Ben die Zähne. Ramzy machte einen Schritt zurück.
»Keine Sorge«, sagte ich zu ihm, »sein Bellen ist schlimmer als sein Beißen.«
»Beißen tut er auch?«
»Nein. Eigentlich nicht. Einmal hat er mich so ein bisschen gezwickt, aber da wollte er nur spielen.«
Ramzy schien das nicht zu beruhigen und er hielt Abstand, während ich Bens Wasser nachfüllte, mit der Kackschaufel Bens Hinterlassenschaften aufsammelte und in den Eimer tat, den Ramzy auf Armlänge von sich weghielt.
2. Sally-Ann. Sally-Ann ist ein »zahlender Gast«, denn ihre Besitzerin Mrs Abercrombie ist sehr alt und oft im Pflegeheim. Sie ist braun-weiß, sehr haarig und hat immer einen überheblichen Ausdruck auf dem platten Gesicht. (Natürlich der Hund und nicht Mrs Abercrombie, wobei die zwei sich eigentlich ziemlich ähnlich sind.) Sally-Ann ist eine reinrassige Lhasa Apso Hündin.
3. Dudley. Brauner Staffordshire Bullterrier Mischling, der ein wenig Furcht einflößend aussieht, weil ihm ein halbes Ohr fehlt, ein paar Zähne, ein Auge und an einer Stelle Fell. Wir glauben, dass es im Kampf passiert ist, nun ist er sehr schüchtern.
Zitternd wich Dudley vor Ramzy zurück. Vor mir hat er keine Angst mehr, und ich war stolz, dass ich ihn streicheln durfte.
Und schließlich mein absoluter Liebling:
4. Mister Masch. Ihr habt ihn ja schon kennengelernt, aber an dem Tag war er besonders lieb, wedelte mit dem Schwanz und rollte sich auf den Rücken, damit man ihn am Bauch streichelte. Ich glaube, Ramzy hat sich auch gleich in ihn verguckt.
Die anderen Helfer in Sankt Bello sind wirklich nett. Auch wenn sie alle älter sind, behandeln sie mich nicht wie ein Kind. Außer Saskia Hennessey, die zwar älter ist, ganze acht Monate, und die mich wie eine Fünfjährige behandelt, obwohl sie bloß mit den Hunden spazieren geht und ganz bestimmt keine eigene Station hat. Zufällig weiß ich auch (von Ellie McDonald aus der Schule), dass Sass’ Mutter sie für den freiwilligen Dienst bezahlt, was völlig beknackt ist. Wie freiwillig kann das schon sein, wenn man dafür bezahlt wird? Außerdem habe ich den Eindruck, dass Sass Hunde nicht mal besonders mag.
An dem Samstag stand sie an der Kackrutsche in der alten Sakristei, als Ramzy und ich mit dem Eimer kamen. Mir verging gleich ein wenig die Laune.
Die Kackrutsche ist eine breite, eckige Röhre, die zu einer Grube nach draußen führt. Man öffnet einen Deckel, kippt die Kacke runter und schüttet noch eine Tasse Schnellkomposter hinterher, damit die Kacke in Kompost verwandelt wird, womit der Pfarrer seinen Schrebergarten düngt. (Das habe ich erst vor Kurzem herausgefunden. Wir essen sein selbst angebautes Zeug schon seit Jahren. Igitt.)
Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sich fünfundzwanzig Hunde ganz schön was zusammenkacken, und die Kackrutsche ist wirklich der einzige Teil, der mir in Sankt Bello nicht behagt, aber wegen Ramzy wollte ich mir nichts anmerken lassen.
Die dicke Sass geht in unseren Jahrgang, sieht aber aus wie fünfzehn. Sie hat schon richtig Busen und Po, dazu das passende Doppelkinn und den runden Bauch. Sass ist ziemlich stark und kann die Zwillinge Roddy und Robyn Lee gleichzeitig hochheben, klemmt sich unter jeden Arm einen.
Mir schlotterten die Knie, als ich sie sah, denn auch wenn sie nicht direkt jemand ist, der Schwächere schikaniert (in der Marine-Drive-Grundschule wird das nicht geduldet), kann sie einem dennoch Angst einflößen.
»Na, wen haben wir denn da!«, sagte sie und fixierte Ramzy mit ihren kleinen Äuglein. »Ihr zwei gebt ein hübsches Paar ab auf dem Weg zum Altar!«
Ich rang mir ein Lächeln ab, als würde ich ihre Bemerkung witzig finden, sagte aber nichts, was meistens am besten ist.
Sass verschränkte die Arme vor der Brust und drehte ihr Kinn Ramzy zu. »Trägst du etwa dein Schulshirt? Am Wochenende? Du darfst dich schon umziehen, das weißt du hoffentlich.«
Mir war es gar nicht aufgefallen, aber Ramzy trug tatsächlich das blaue Schul-Poloshirt unter seiner viel zu großen Jacke. Ramzy zuckte die Achseln und murmelte: »Es ist sauber und mir gefällt’s.«
Sass kann einen schon das Fürchten lehren. Als ich die Klappe von der Kackrutsche öffnete, sagte sie: »Pass bloß auf, dass du nicht reinfällst.«
Ich zuckte zusammen, als könnte sie mich jeden Moment da runterschubsen. Schweigend kippte ich den Eimer aus.
Ramzy kann leider nie den Mund halten. »Wenigstens würde sie durchpassen«, murmelte er.
Ramzy, dachte ich. Muss das sein?
»Was meinst du damit? Machst du dich etwa lustig über …« Mitten im Satz unterbrach sie sich, weil der Pfarrer kam und sich die Hände rieb.
»Ah! Großartig! Ihr macht das großartig! Gepriesen seien die Hände, die das Antlitz der Erde von den Hundewürsten befreien.«
»Steht das in der Bibel?«, fragte Ramzy.
»Nein, das ist von mir«, sagte der Pfarrer.
Während Ramzy und ich uns verzogen, warf uns Sass böse Blicke nach.
So ist sie eben. Kennt ihr das Sprichwort: Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sag lieber gar nichts? Sass hat es offenbar in den falschen Hals gekriegt: Wenn du nichts Gemeines sagen kannst, sag lieber gar nichts.
Eine fiese Bemerkung von Sass Hennessey führte dazu, dass sechs Monate später fast die Welt unterging. Und wenn ihr jetzt denkt, ich übertreibe, lasst es mich erklären.
Also, bis vor Kurzem waren noch alle Hunde in Sankt Bello gesund. Aber jetzt … jetzt nicht mehr.
Und das ist alles meine Schuld.
11. Kapitel
Die Angst, sich mit Krankheiten anzustecken, ist in den vergangenen ein, zwei Jahren immer größer geworden. In der Schule heißt es ständig: Ansteckung hier, Ansteckung da. Das einzig Gute daran ist, dass man bloß ein bisschen husten muss, und schon wird man nach Hause geschickt.
Letztes Jahr wurde in der Marine-Drive-Grundschule in allen Klassenzimmern am Eingang ein Spender mit Desinfektionsmittel für die Hände montiert. Das war wohl ein neues Gesetz.