Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman. Marisa Frank
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Wo war die Prinzessin gerade?
War sie vielleicht doch auf dem Meer, war sie vielleicht… Archie wagte kaum, den Gedanken zu Ende zu führen.
Angestrengt und voller Sorge starrte er auf die weite, bleigraue Wasserfläche, die von den weißen Schaumkronen der Wellen wie zerrissen wirkte.
Da! Für einen Moment glaubte Archie, das Herz setzte ihm aus.
Dort hinten, mitten auf dem Kanal, war das rotweiße Sportboot zu erkennen. Wie eine Nußschale wurde es von den Wellen hin und her geworfen.
Allmächtiger! Dort war Edina, ganz allein, und sie schwebte in höchster Lebensgefahr!
»Hol Hilfe herbei, Juray, schnell!« rief Archie. »Alarmier die Leute vom Schloß und vor allem die Fischer! Beeilung, keine Sekunde ist zu verlieren!«
Archie hastete schon zum Ufer hinunter, rannte zur Mole.
Mit einem schnellen Blick suchte er sich unter den angebundenen Booten das kräftigste heraus, von dem er wußte, daß es den stärksten Motor hatte.
Trotzdem war es Wahnsinn, auch mit diesem Boot hinauszufahren. Bei dieser schweren See würde auch der stärkere Motor nichts helfen.
Aber Archie überlegte nicht lange, und er zögerte keine Sekunde, sich in Gefahr zu begeben.
Er konnte und wollte nicht warten, bis die schweren Fischerboote flottgemacht wären, bis vom Festland her das alarmierte Rettungsboot kommen würde.
Bis dahin konnte es längst zu spät sein.
Edina brauchte Hilfe, sofort, da gab es kein Überlegen und keinen Gedanken an die eigene Sicherheit.
Die See packte das Boot mit aller Gewalt, nachdem es aus dem Windschatten der Insel heraus war.
Die Brecher kamen von vorn und schlugen über dem Boot zusammen. In Sekunden war Archie völlig durchnäßt. Mit eisernem Griff hielt er das Steuer, und nun kam es ihm zugute, daß er sportlich durchtrainiert und im Umgang mit Motorbooten erfahren war.
Geschickt fuhr er die Wellen an, wo bei einem weniger geübten Steuermann das Boot sofort zum Kentern gebracht worden wäre.
Trotzdem hatte auch Archie seine liebe Not, denn ihm war klar, daß mit Können und Mut allein hier wenig auszurichten war.
Er brauchte Glück, sehr viel Glück, wenn er die Prinzessin erreichen wollte, ehe es zu spät war.
Das Herz krampfte sich ihm
zusammen, wenn er an Edina dachte – und nun wußte er plötzlich auch, welcher Art die Gefühle waren, die er für das junge Mädchen hegte.
Er liebte Prinzessin Edina.
Es war keine Liebelei, deren er schon einige hinter sich hatte, wie wohl jeder Mann seines Alters, sondern diesmal war es die wirkliche Liebe.
Sonderbar, daß er es nicht gleich gespürt hatte.
Aber er hatte geglaubt, verzichten zu müssen, hatte annehmen müssen, die Prinzessin sei bereits so gut wie verlobt. Und nun…
Wieder kam eine Welle, die aus der Sicht des niedrigen Bootes riesengroß wirkte.
Archie duckte sich und hielt das Steuer so fest, als wäre er damit verwachsen.
Gleich darauf wurde das Boot hochgehoben wie von einer Riesenfaust, es wurde von einer Welle getragen, und wie von einem Aussichtsturm aus spähte Archie in die Richtung, in der er Edina in ihrem Boot vermutete.
War sie überhaupt noch im Boot? War es nicht schon längst umgeschlagen?
Gleich einem Fahrstuhl sauste Archie wieder in die Tiefe, in ein Wellental hinein. Aber vorher hatte er gerade noch etwas gesehen, was ihm das Blut in den Adern erstarren ließ.
Edinas Boot war umgeschlagen, es trieb kieloben in den Fluten.
Wo war die Prinzessin?
Sein Boot wurde wieder hochgehoben, und Archie entdeckte, gar nicht mehr so weit entfernt, einen orangefarbenen Fleck auf dem Wasser. Das mußte Edina sein! Er erinnerte sich, daß sie ein Kleid in dieser Farbe getragen hatte.
Er riß das Steuer herum, lenkte auf die Prinzessin zu und hoffte, daß er sie noch rechtzeitig erreichen möge.
Aber ja, Edina lebte! Er sah, wie sie schwach eine Hand hob. Offenbar hatte auch sie das Boot bemerkt.
»Ich komme!« schrie Archie. »Aushalten!« Obwohl er wußte, daß der Wind ihm die Worte wie Fetzen vom Mund riß und Edina sie niemals hören konnte.
Aber nun war er so nah, daß er die im Wasser Treibende beinahe schon ergreifen konnte. Das aufgelöste Haar schwamm wie schwarzer Tang auf dem Wasser, und Edinas Bewegungen waren erschreckend schwach. Offenbar war sie völlig erschöpft.
In einem ersten Impuls wollte Archie ins Wasser hechten, dem geliebten Mädchen zu Hilfe eilen, so rasch er nur konnte.
Aber die Vernunft behielt doch die Oberhand. Wenn er das Boot verließ, es in diesen aufgewühlten Wassermassen steuerlos machte, dann würde es ebenfalls augenblicklich kentern.
Würde er die erschöpfte Prinzessin aber so lange über Wasser halten können, bis Hilfe nahte? Nein, es mußte auch anders gehen.
Mit äußerster Geschicklichkeit, zu der auch eine unbändige Kraft gehörte, brachte er das Boot in unmittelbare Nähe der Schwimmenden. Schon vorher hatte er zwei Strickleitern über Bord geworfen.
Edina versuchte, danach zu greifen, aber sie war zu geschwächt.
Nun blieb Archie nichts anderes übrig, als selbst einzugreifen.
Wenn nur das Boot aushielte. Er mußte das Steuer loslassen, das Boot den Wellen ausliefern.
Würde es gutgehen? Oder…
Nein, zum Nachdenken war keine Zeit.
Archie legte den Leerlauf ein, er stemmte sich mit den Füßen gegen die Planken und beugte sich weit über den Rand des Bootes.
Mit beiden Händen griff er nach der jungen Frau, die schon wieder abzutreiben drohte, und konnte sie gerade noch an ihrem weiten Rock fassen.
Edina spürte den Halt, sie klammerte sich an Archies Arm fest und wurde von einer Welle gegen die Bootswand geschleudert, so daß sie vor Schmerz und Schreck laut aufschrie.
Archie hatte die Welle kommen sehen. Er hatte Edina nicht vor dem Zusammenprall bewahren können, aber er nutzte die Kraft des hochschlagenden Wassers geschickt aus, um Edina blitzschnell an Bord zu ziehen. Keine Sekunde zu früh.
Das Boot lag fast senkrecht auf der Seite, es kippte schon gefährlich nach vorn.
Wie ein Wilder warf Archie sich mit seinem ganzen Körpergewicht zur anderen Seite, um das Gleichgewicht