Mami Box 1 – Familienroman. Claudia Torwegge
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Читать онлайн книгу Mami Box 1 – Familienroman - Claudia Torwegge страница 16
»Was mir jetzt geschieht«, sagte Jenny ernst, »und was ich noch vor mir habe – das wird nicht einfach sein, ich weiß es, aber es geschieht hundert- und tausendfach auf der Welt, weil Gefühle eine größere Kraft besitzen als aller Verstand.«
»Dann sollten sich hundert- und tausendfach die Frauen und die Männer schämen, die kaltblütig ihre Familien verlassen«, sagte Vera bitter. »Und jetzt gehe ich, da ich doch nichts ausrichten kann. Ich kann nur hoffen, daß meine Schwester im letzten Moment noch zur Besinnung kommt.«
Aber sie wußte, daß es in den Wind gesprochen war.
Tiefbedrückt sprach Vera mit ihrem Mann darüber, denn sie verbargen nichts voreinander. Auch Edgar runzelte betroffen die Stirn.
»Das ist ja nicht zu fassen! Ob ich mal mit Dieter rede, von Mann zu Mann, damit er zumindest vorgewarnt ist?« überlegte er laut.
»Das würde Jenny sicher als schweren Vertrauensbruch empfinden, denn sie will ja damit noch warten. Weihnachten soll noch als Familienfest gefeiert werden.« Wieder war ein bitterer Unterton in ihrer Stimme.
»Kann sie das denn?« verwunderte sich Dieter. »Kann sie das tun in dem Wissen, daß sie kurz darauf alles zerstören will?«
Vera zuckte die Achseln. »Jenny bringt offenbar neuerdings alles fertig. Ihr sind alle Grundsätze und Maßstäbe durcheinander geraten.« Sie seufzte schwer. »Dieter würde sie auch nicht mehr von dem Abgrund zurückreißen können, in den sie sich stürzen wird. Ich kann das nicht anders nennen, und ich glaube nicht, daß ich da zu schwarz sehe.«
Sie kamen so bald nicht los von diesem Thema. »Mit diesem Marian sollte man reden«, grollte Edgar. »Er scheint sich der Tragweite dessen gar nicht bewußt zu sein, was er da anrichtet.«
»Sie sind es beide nicht«, sagte Vera resigniert.
Schließlich gelangten sie zu der Ansicht, daß es wohl besser wäre, sich da nicht einzumischen. Die Angelegenheit war zu heikel. In drei Wochen konnte noch manches geschehen. Aber die Sorge um die Verwandten blieb wie ein Schatten über ihnen.
Für Laura war dieses erste Weihnachten in der Liebe und Geborgenheit ihrer Pflegeeltern ein großes, wunderbares Erlebnis. Der Papa hatte Urlaub genommen, am Ersten Feiertag wollten sie verreisen, dorthin, wo der Winter schon richtig Einzug gehalten hatte.
»Und unseren schönen Baum mit den richtigen Kerzen, den können wir nicht mitnehmen«, sinnierte die Kleine.
»Wir werden dort noch viele geschmückte Tannen sehen, mein Liebes«, versicherte Vera. »Und die Berge im Schnee, da wirst du staunen! Mit der Kabinenbahn werden wir hoch auf die Gipfel fahren, und im Tal warm eingepackt mit dem Pferdeschlitten durch wunderhübsche Dörfer und eine herrliche Landschaft…«
So malte sie Laura aus, was sie erwartete, und das Kind hörte mit staunenden Augen zu.
»Daß ihr ausgerechnet jetzt wegfahren wollt«, sagte Jenny irritiert am Telefon. »Wir sind doch sonst immer zusammengekommen an diesen Tagen.«
»Kannst du dir den Grund nicht denken?« erwiderte Vera herb.
»Nein.« Und dann, sehr leise: »Du, Vera, weißt doch, daß es so nicht wieder sein wird. Da könnten wir doch noch einmal…«
»Heile Welt spielen, meinst du?« unterbrach Vera ihre Schwester. »Ich kann das nicht, Jenny. Ich könnte Dieter nicht in die Augen sehen, nicht mit den Kindern lachen, denen diese Welt bald in Stücke brechen wird. Und Edgar macht da auch nicht mit.«
»Du verachtest mich, nicht wahr?« hauchte Jenny.
»Ich verstehe dich nicht mehr. Das ist es. Adieu, Jenny.« Mit einem Zucken um den Mund hängte Vera ein.
In den folgenden Tagen schob sie nach Möglichkeit die schweren Gedanken beiseite an das Drama, das sich im Hause Sasse nun ereignen würde. Edgar hatte ein stilvolles und urgemütliches Hotel für sie ausgewählt, darin man sich sehr wohl fühlen konnte. Laura wurde richtig übermütig, wie sie sie noch nicht kannten. Sie tollte im Schnee herum und sah reizend aus in ihrem bunten wattierten Anzug und mit den roten Bäckchen. Ja, sie war ordentlich hübsch geworden. Wer hätte das von der kleinen Spitzmaus von ehedem gedacht! Vera ertappte sich dabei, daß sie stolze Muttergefühle hatte. Es machte sie immer wieder glücklich, Lauras zärtliches Mama zu hören.
Am Jahresanfang kehrten sie heim. Auf Edgar wartete um diese Zeit viel Arbeit in der Bank. Für Vera, die kurzzeitig zu vergessen gesucht hatte, war die Sorge um ihre Schwester nun wieder ganz nahegerückt. Sie wagte es nicht, dort anzurufen, aus Angst, Schlimmes zu erfahren.
Aber sehr bald kam ein Anruf von Dieter. Sie ahnte, was es bedeutete, daß e r anrief. Ihr Herz sank.
»Seid ihr schon zurück?« sagte er mit schleppender Stimme. »Dann wünsche ich euch ein gutes Neues Jahr, Vera.«
»Danke, Dieter…« Vera stockte. Würde es nicht wie Hohn klingen, wenn sie seinen Wunsch erwiderte. Bangen Herzens wartete sie ab. Es verstrichen einige Sekunden, die ihr endlos erschienen.
»Jenny hat uns gestern verlassen«, kam seine Stimme nach dieser Pause wieder an ihr Ohr. »Sie ist zu ihrem Geliebten nach Paris gefahren. Sie wirft unsere Ehe weg wie ein altes Kleid, das ihr nicht mehr paßt.«
Es war also wirklich soweit gekommen. Vera biß sich auf die Lippen. »Willst du mir die Kinder schicken?« fragte sie dann. »Ich werde euch helfen, wie ich kann.«
Wieder trat ein kurzes Schweigen ein.
»Das klingt ja gerade, als überraschte es dich nicht sehr«, sagte ihr Schwager rauh. Und als Vera nichts darauf erwiderte: »Du hast es also gewußt…«
»Ja«, versetzte Vera tonlos. »Ich habe nur bis zum letzten Moment gehofft, daß sie noch zur Besinnung käme.«
»Warum hast du deine Schwester nicht zurückgehalten, Vera?«
»Niemand hätte sie zurückhalten können, Dieter. Was glaubst du, wie ich auf sie eingeredet habe, aber es ging an ihrem Ohr vorbei. Wie mich das bedrückt hat, die ganze Zeit. Geschämt habe ich mich für sie.«
»Niemand konnte sie zurückhalten«, wiederholte Dieter Sasse dumpf. »Auch ich nicht. Ist das nicht seltsam? Da fördert man einen jungen Künstler, und er nimmt einem die Frau.«
Vera schluckte schwer. Er tat ihr unsagbar leid. »Und den Kindern die Mutter«, vollendete sie. »Was ist jetzt mit Katrin und Claus?«
»Frag mich nicht. Claus ist noch verstörter als Katrin. Der Junge versteht überhaupt nichts mehr. Wir sind ein armes Häuflein hier, Vera.« Bittere Ironie klang aus seinen Worten.
»Wenn ihr mich braucht, bin ich für euch da«, sagte Vera. »Du wirst ja auch wieder ins Geschäft müssen.«
»Das kann jetzt warten. Ich muß jetzt bei den Kindern bleiben.«
»Und wer versorgt euch?« fragte Vera erregt. Ein heiliger Zorn auf ihre verantwortungslose Schwester packte sie.
»Frau Müller, unsere Haushaltshilfe, wird jetzt täglich kommen und bis zum frühen Nachmittag bleiben. So hat das Jenny noch mit ihr geregelt. Man muß jetzt