Heißes Geld. Will Berthold

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Heißes Geld - Will Berthold

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Juni im Rahmen Ihrer bisherigen Tätigkeit für mich als Direktionsassistentin arbeiten, wodurch sich Ihre Bezüge um 300 Mark monatlich erhöhen.«

      Er genoß ihre Überraschung. »Einverstanden?« fragte er.

      »Einverstanden, Herr Nareike«, antwortete sie und haderte mit sich, weil sie ihm nicht herzlicher danken konnte.

      Sabine ging in ihr Vorzimmer, um den Brief zu schreiben. Sie wunderte sich noch immer, daß er ihr Beförderungsschreiben nicht einer anderen Sekretärin diktiert hatte.

      Sie kam nicht weit mit der Reinschrift.

      Zwei Besucher erschienen; sie wurden nicht erwartet, und sie waren hier auch ungewöhnlich.

      Sie wollten Werner Nareike sprechen, und zwar dringend.

      Der Geschäftsführer sah Sabine lächelnd entgegen.

      »Zwei Herren«, meldete sie. »Ein Staatsanwalt und ein Kriminalkommissar. Vom politischen Dezernat.«

      Sie sah, daß sein Gesicht grau wurde.

      »Was wollen sie?« fragte er mit gewürgter Stimme.

      »Die Herren möchten Sie sprechen«, antwortete Sabine. »Persönlich und unter sechs Augen.«

      Es sah aus, als würde er zusammenbrechen. Er ging einen Moment auf und ab wie ein im Käfig gefangenes Tier, er blieb stehen, öffnete seine Bar, griff mit deutlich zitternder Hand nach einem Schnaps.

      »Darf ich die Herren hereinbitten?« fragte Sabine.

      »Ja«, entgegnete er. »In – in einer Minute bitte«, bat er und begriff daß ihn die Zeit eingeholt hatte, daß er zu spät in seine Zukunft eingetreten war und daß auch seine Gewaltanstrengung mit Hannelore keinen Gewinn mehr erbringen könnte.

      Sekunden übersprangen Jahre.

      Er trug wieder die Rotjacke der Todeskandidaten, sie scheuerte auf seinem Körper. Er wartete auf den Henker, der zweimal in der Woche kam, jeweils am Dienstag und am Donnerstag, und der in einem lächerlichen Cut unter dem Galgen von Landsberg seines Amtes waltete, dem gleichen Anzug, den er bei den Exekutionen im Dritten Reich getragen hatte, nur daß er heute die hängte, auf deren Geheiß er gestern geköpft hatte, denn auf seine Dienste verzichten wollten die Nachfolger so wenig wie die Vorgänger.

      Und wieder trat der bullige US-Sergeant in die Zelle und sagte: »Bibel, Bilder, Decke«, und das hieß im Klartext: Du wirst gehängt. Hinunter in den Keller, wo die Häftlingskapelle spielt, eine Nacht lang, für dich und die anderen, die morgen im Gänsemarsch zum Galgen ziehen. Zuvor gibt es noch zu essen, was immer du willst, kalorienreich, zuckerlos, fettfrei, jeder Wunsch wird berücksichtigt. Der amerikanische Steuerzahler kommt für alles auf, und so erfüllt sich in gewisser Hinsicht der großmütterliche Leitspruch: »Umsonst ist der Tod, und der kostet das Leben.«

      Alles kannst du haben, nur keinen Alkohol, nicht einen Tropfen. Keinen Cognac und keinen Wein, keinen Longdrink, noch nicht einmal ein Glas Bier. Aber Zigaretten, jede Menge, soviel du willst, da lassen sich die Amis nicht lumpen. Du kannst fünf auf einmal rauchen, aber niemals so viele, daß du noch genug bekämst in diesem Leben, denn wenn die Kapelle ihre Instrumente zusammenpackt, dann kommt der Pfarrer, und der ist ernst, still und heißt Morgenschweiß, tatsächlich Morgenschweiß. Und ihm folgte der Henker. Und dann die Stufen hoch. Die schwarze Kapuze. Genickbruch durch Fallsturz. Der Tod am Nackenwirbel. Und das alles nur wegen dieses verdammten Greenstone, der doch nur ein ganz gewöhnlicher Grünstein war.

      Nareike ging an seinen Tresor.

      Er suchte die Himmler-Ampulle aus seinem braunen Koffer – er mußte das Gift nun doch noch schlucken – 17 Jahre danach, als letzte Medizin, und Medizin ist bitter.

      »Entschuldigen Sie«, sagte der vordere der beiden Besucher, die nicht mehr länger gewartet hatten.

      Nareike fuhr herum und erfaßte, daß er ein letztesmal zu spät gekommen war.

      Am letzten Mai-Tag herrschte auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Rosenheim dichtes Gedränge, als seien alle Verkehrssünder, Streithanseln und Bittsteller aus dem Landkreis auf einmal erschienen. Inspektor Dirscherl kannte nach 40 Amtsjahren seine Pappenheimer und hatte eine besondere Art, mit ihnen umzugehen. Er kanalisierte den Parteienverkehr dickköpfig und bauernschlau. Nach seiner Meinung begriffen die Besucher ohnedies das Behörden-Abc nicht, und so sollten sie tun, was man ihnen sagte, ohne viel zu fragen. Um sie soweit zu bringen, ließ der Beamte sie erst einmal am Gang warten, um sie dann kurz und bündig abzufertigen.

      »Sie sind also gar nicht vorgeladen?« schüchterte er die nächste Besucherin ein: »Wie heißen’s denn überhaupt?«

      »Hannelore Linsenbusch«, erwiderte die Frau im dunkelblauen Kostüm. »Ich habe die Toterklärung meines Mannes beantragt und …«

      »Und?« fragte Dirscherl, als Ur-Bayer ohnedies schlecht auf norddeutsche Landsleute zu sprechen: »Hab’ ich Eahna net g’sagt, daß des net so schnell geh’ koa?«

      »Ich will ja auch nur erfahren, wie es steht.«

      »Sie san guat«, erwiderte der Inspektor: »Z’erst lassen’s Eahna zehn Jahr Zeit mit’m Antrag, und jetzt soll’n wir hudeln, weil’s Eahna so paßt. Warum pressiert’s denn auf amal gar a so?« fragte Dirscherl ungnädig und setzte plump hinzu: »Wolln’s vielleicht wieder heiraten?«

      Er warf einen grantigen Blick auf den neuen Amtsrichter, der in die offene Tür trat.

      »Bitte etwas leiser, wenn’s geht«, wies er seinen Geschäftsleiter zurecht. »Dr. Kleinwacht«, stellte er sich der Besucherin vor. »Kann ich Ihnen helfen?«

      »Entschuldigen Sie, Herr Doktor«, entgegnete Frau Linsenbusch. »Ich stehe ganz allein. Mein Mann ist seit 17 Jahren verschollen und …«

      »Bringen Sie mir mal die Unterlagen, Herr Dirscherl«, befahl er seinem Inspektor. »Bitte«, lud er die Besucherin in sein Büro ein. Ob er sie anhörte oder es ablehnte, mit ihr zu sprechen, war genauso in sein Ermessen gestellt wie die Entscheidung, ob er ihren Angaben traute oder ob er sie bezweifelte. Nur im Falle eines begründeten Verdachtes war er von Amts wegen verpflichtet, eine nähere Untersuchung einleiten zu lassen. Da es Vermißtenfälle zu Tausenden gegeben hatte, war man zwangsläufig zum Fließbandverfahren übergegangen.

      »Und dann woaß die no net amal die Nummer vom Aktenzeichen, die, die Büchselmadam«, schimpfte Dirscherl hinter seinem Chef her, fand aber das Dossier dann mit dem ersten Griff.

      »Ich habe sehr lange gezögert, diesen Antrag zu stellen«, erklärte die Besucherin. »Ich hatte ja immer gehofft, daß mein Mann noch lebt, und ich wollte mir doch diese Illusion nicht selber nehmen.«

      »Das verstehe ich schon«, erwiderte der Amtsrichter. »Wie ist es denn mit Ihren Rentenansprüchen?«

      »Soweit habe ich noch gar nicht gedacht, Herr Amtsgerichtsrat«, erwiderte die Besucherin und setzte nach einer kurzen Pause hinzu: »Wirtschaftlich geht es mir nicht schlecht, weil ich von meiner Mutter zwei Häuser in Berlin geerbt habe.«

      Die Frau, die Witwe werden wollte, saß am äußersten Ende des Stuhls, sie wirkte zerbrechlich, doch auch zäh. Man merkte ihr an, daß sie wenig Umgang mit Behörden hatte und daß ihr in Amtsstuben nicht wohl war. Dabei lebte sie in einem seelischen Hoch seit ihrer weihnachtlichen

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