Heißes Geld. Will Berthold

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Heißes Geld - Will Berthold

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wir das«, entgegnete Horst. »Wir haben nur ein paar Stunden. Kann ich mit dir rechnen?«

      »Wenn du mich darum bittest.«

      »Gut«, erwiderte er hastig: »Ich bitte dich darum.«

      »Und wenn du dich entschuldigst«, sagte sie mit häßlicher Stimme. »Für alles, was du mir in den letzten Jahren angetan hast.«

      Er würgte an den Worten wie an Bissen, die ihm aus dem Magen in den Mund hochgekommen waren. Er schluckte die Bissen wieder hinunter und brachte die Worte heraus: »Gut«, sagte er. »Es tut mit leid.« Mit kurzem Atem setzte er hinzu: »Es soll auch nicht wieder vorkommen, Hannelore.«

      Ihr Triumph verging rasch. Sie dachte an den braunen Koffer, den er ihr als Fluchtgepäck anvertraut hatte: Nur deswegen ist er zu dir gekommen, spürte sie. Horst schien sich nicht daran zu erinnern. Er plauderte über nebensächliche Dinge, schärfte ihr Verschwiegenheit ein, und obwohl die Verfolger einen hohen Preis auf seinen Kopf gesetzt hatten, brachte er es fertig, sich niederzulegen und für ein paar Stunden zu schlafen. Er hatte Nerven, um die ihn ein Testpilot beneiden konnte.

      Als er wieder aufwachte, fragte er: »Sag mal, Hannelore, hast du etwas von unserem Jungen gehört?«

      »Ja«, erwiderte sie, und verbittert, daß er sie erst jetzt danach fragte, fuhr sie mit rauher Stimme fort: »Er ist tot. Gefallen in den letzten Tagen von Berlin.«

      Es hatte ihn schwer getroffen. Sein Gesicht zuckte. Sie hatte Horst noch nie weinen gesehen. Daß ihm jetzt die Tränen kamen und er vorübergehend Flucht und Fluchtgepäck vergaß, rechnete sie ihm hoch an, so wie ihr jetzt die Art und Weise leid tat, in der sie ihm, noch dazu in seiner Situation, die Hiobsbotschaft überbracht hatte. Der Mann, dem einer der verwegensten Ausbrüche gelungen war, die es je gegeben hatte, der große Linsenbusch war ganz kleinlaut, fix und fertig. Sie mußte ihn daran erinnern, daß er auf der Flucht war und man ihn weiterhetzen würde.

      Dann kam wieder ein Stück vom alten Horst durch. Fast übergangslos war er wieder kalt, zynisch, selbstherrlich. Er stand vor dem Spiegel in der Küche und rasierte sich. Er wölbte den Mund und schien sich nur um die flaumigen Härchen der Unterlippe zu kümmern, die der Klinge beim ersten Versuch entgangen waren. Hannelore stand neben ihm. Schweigend.

      »Gib mir jetzt bitte den braunen Koffer«, sagte er.

      »Der ist damals bei der Übersiedlung leider verlorengegangen«, erwiderte sie in spontaner Eingebung.

      Er fuhr herum. Er grinste nicht mehr wölfisch, die Arroganz war abgeblättert wie brüchige Tünche. Mit seinen Augen tötete er sie – zum erstenmal. Bevor Horst begann, mit den Fäusten auf sie einzuschlagen, beschwichtigte ihn Hannelore hastig: »Reg dich nicht auf. Der Koffer ist natürlich da.«

      Er atmete schwer und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Seine Beherrschung kehrte in Raten zurück. Er begann sich wieder zu rasieren. Seine zitternde Hand verfehlte weiterhin die flaumigen Haare. »Es ist wirklich keine Zeit zu üblen Scherzen«, brummelte er. »Mein Leben hängt von diesem Koffer ab.« Er drehte sich zu ihr um. »Kennst du seinen Inhalt?« fragte er so beiläufig wie möglich.

      »Natürlich«, antwortete sie und lächelte böse: »Herr Nareike, nicht wahr? Ich weiß, wie du künftig heißen wirst, auch wenn du für mich natürlich nach wie vor Horst bleibst.« In ihren Worten lag mehr Zorn als Drohung. Erst an seiner Miene erkannte Hannelore, wie sehr ihr Mann von nun an auf sie angewiesen wäre, wenn er in seiner neuen Haut unerkannt bleiben wollte. Er verfügte jetzt wieder über Papiere, einen Paß, einen Geburtsschein aus einem Ort südöstlich Breslaus, von dem die Russen nur Reste hatten stehen lassen, die jetzt den Polen gehörten. »Wer ist dieser Nareike?« fragte sie.

      »Ein Glücksfall«, antwortete Horst. »Habe ihn lange genug gesucht: Mein Alter, meine Größe, meine Herkunft, eine gewisse Ähnlichkeit, und er war sogar bei der SS.«

      »Spielt das denn eine Rolle?« fragte sie.

      »Und ob«, antwortete er. »Denk doch an dieses Kainszeichen.« Horst meinte die Blutgruppenkennzeichnung, die den Männern des Schwarzen Ordens so auf die Haut geschrieben worden war, daß sie sich nachträglich nicht mehr entfernen ließ, es sei denn mit der Haut zusammen: »Es könnte ja sonst einer an Nareikes Identität zweifeln.« Er grinste.

      »Der Mann ist tot?«

      »Gründlich. Darauf kannst du dich verlassen«, versetzte er. »Beileidsbekundungen gibt es auch nicht. Keine Verwandte, keine Freunde – eigentlich hat mein Alter ego genauso zurückgezogen gelebt wie ich.«

      »Bis auf die Blondinen …«, erwiderte Hannelore spitz.

      »Täusch dich nicht«, versetzte er grinsend. »Ein paar Weibergeschichten hatte auch dieser Nareike am Buckel.«

      »Dann ist die neue Identität ja wie maßgeschneidert für dich.«

      »Ganz klar«, entgegnete er. »Soll sie ja wohl auch sein.« Er schlüpfte in die Zivilkleider und umarmte Hannelore flüchtig, aber für Zärtlichkeit war nun wirklich keine Zeit.

      »Und wie geht das weiter – mit uns?« fragte sie.

      »Ich werde mich um dich kümmern«, versprach er. »Sobald es geht.«

      »Wie nett von dir«, antwortete sie.

      Er hörte ihren Unterton von Spott heraus: »Reiß dich am Riemen«, fuhr er sie an. »Und nun hör gut zu«, sagte Horst und trichterte ihr die Regeln ein, nach denen sie künftig leben müßte, falls sie wünschte, daß ihr Mann am Leben bliebe und sie ihn wiedersähe.

      Hannelore sah ihm nach und überlegte, was sie mit einem machen würden, der einen US-Captain auf der Flucht erschossen hatte. Die anderen Dinge, die sie Horst vorwarfen, hielt sie für Unsinn, für die Rache eines gedemütigten Mitarbeiters, es war wohl der Preis, den Horst für seine Arroganz und Selbstherrlichkeit zu bezahlen hatte. Obwohl sie seinen Egoismus kannte, bestätigte sie sich tapfer, daß ein widerwärtiger Schürzenjäger noch lange kein krimineller Menschenhändler sei. Seit Hannelore verheiratet war, war sie durch alle Höhen und Tiefen einer Haß-Liebe gegangen, aber je weiter sich der Flüchtige jetzt von ihr entfernte, desto größer wurde die Liebe und desto kleiner der Haß. Sie sagte sich, daß ein Zusammentreffen unter diesen Umständen gar nicht anders verlaufen konnte, und daß sie hier auf dem Lande lebte, völlig unangefochten, unter falschem und doch amtlichem Namen, und das als Tochter des Reichsleiters Dannemann und Ehefrau des Wehrwirtschaftsführers Linsenbusch, das verdankte sie ausschließlich Horst. Andere Frauen Prominenter wären in ihrer Lage ins Interniertenlager gekommen, das ihr – dank Horsts Fürsorge – erspart geblieben war. Hannelore hielt das auch für gerecht, denn eigentlich war sie immer unpolitisch gewesen, auch wenn sie immer an den Führer geglaubt hatte. Vielleicht glaubte sie auch heute noch an ihn, aber sie wollte nichts mehr davon hören, nichts über ihn und nichts über die Untaten, die man ihm seit Kriegsende vorwarf.

      Hannelore las keine Zeitung. Sie sprach kaum mit einem Dorfbewohner, und über die Zeitläufe schon gar nicht. Ab und zu schaltete sie das Radio ein, um wenigstens eine Stimme zu hören, die die Einsamkeit mit ihr teilte. Plötzlich sagte der Nachrichtensprecher: »Heute morgen wurden folgende, von US-Militär-Gerichten zum Tode verurteilten Häftlinge in Landsberg gehängt …«

      Sie horchte angespannt, bangte, bei jeder Nennung Horsts Namen zu hören, fürchtete, daß er hingerichtet und sie ihn nie mehr wiedersehen würde – und das nach einem so kühlen Abschied. Von nun an saß sie täglich am Radio und hörte

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