Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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Stadt Donauwörth dem Herzog von Bayern abgenommen und wiederhergestellt würde, dieser aber wollte den Raub nicht herausgeben und konnte von dem Kaiser nicht dazu gezwungen werden.

      Bald bemerkten die Eiferer unter den Katholischen voll Mißvergnügen, daß der ehemalige Vertilger der Ketzer eine versöhnliche Haltung gegen dieselben annahm, ja sie zuweilen geradezu zu begünstigen schien. Auf diesbezügliche Vorwürfe verantwortete sich Khlesl mit solchen Worten: Wer etwas ausrichten wolle, müsse die facta gelten lassen, und er lerne nun als ein factum kennen, daß die Evangelischen im Reiche zu mächtig wären, als daß sie gänzlich könnten ausgerottet oder unterdrückt werden. Also müsse man sich mit ihnen einzurichten suchen. Diejenigen, die in Kirchen und Klöstern steckten und nur Heiligenbilder um sich herum sähen, könnten sich wohl einbilden, der ganze Teig ließe sich in einen himmlischen Model kneten; wer aber in der Welt zu tun hätte, müsse sich aller Art Pasteten gefallen lassen, sonst käme zuletzt gar nichts auf den Tisch. Man müsse die Glaubenssachen von den politicis trennen, es herrschten in der Welt nun einmal nicht die gleichen Grundsätze wie im Reiche Gottes. Der rechte Glauben eröffne dem Menschen den Himmel, auf Erden komme es darauf an, daß einer ein fester und gehorsamer Untertan sei, und es komme vor, daß die Ketzer ihre Pflicht gründlicher täten als rechtgläubige Katholiken.

      Dieser Umschwung in Khlesls Politik erzürnte vor allem den Erzherzog Ferdinand, den der Bischof früher in seinem reformatorischen Treiben unterstützt hatte und den er jetzt warnte, er solle die Untertanen nicht zur Verzweiflung und von Haus und Hof treiben, sonst mache er sein Land zur Einöde anstatt zu einem Gottesstaate. Das eigenmächtige Walten des hochfahrenden Bischofs kam Ferdinand überhaupt wie ein Eingriff in seine Rechte vor, da er sich schon als künftiger Herrscher fühlte; denn die oft ausgesprengten Gerüchte von der Schwangerschaft der Kaiserin erwiesen sich stets als Täuschung, und ebenso blieb Erzherzog Albrechts Ehe kinderlos. Erzherzog Maximilian, der Tirol regierte und dem die Evangelischen den Vorzug gegeben hätten, lebte in einem angenehmen Verhältnis mit einer Frau von Rosenberg und wollte seine gesicherte Behaglichkeit nicht um unabsehbare Kämpfe und Widerwärtigkeiten aufgeben, sondern verbündete sich mit Ferdinand, um diesem die Nachfolge seines Bruders zu verschaffen. Während Maximilian seine Abneigung gegen Khlesl weder verbergen konnte noch wollte, behielt Ferdinand einen freundlichen Verkehr mit ihm bei, um sich bei seinem Oheim als ein liebevoller und getreuer Sohn einzunisten. Zunächst kam es ihm darauf an, sich in Besitz der verschiedenen habsburgischen Kronländer zu bringen, und Matthias, der den Tag mit Brett- und Kartenspiel bei seiner Frau verbrachte und sich ungern durch Geschäfte darin stören ließ, versprach denn auch, was er haben wollte. Auf Khlesls Vorwürfe verteidigte sich Matthias, Khlesl hätte lieber den Ferdinand nicht zu ihm lassen sollen, anstatt ihn jetzt zu schelten. Was er denn hätte machen sollen?

      Ob er denn nicht einmal nein sagen könnte, sagte Khlesl ungeduldig; das hätte doch selbst der verstorbene Kaiser Rudolf getan, als Matthias ihn um die Nachfolge angesprochen hätte, obwohl er sonst faul und gleichgültig genug in den Geschäften gewesen sei.

      »Eben das ist es«, sagte Matthias. »Ferdinand macht es mit mir, wie ich es mit meinem Bruder Rudolf gemacht habe; das muß nun seinen Lauf nehmen.«

      »O heilige Melancholie im Lehnstuhl!« rief Khlesl, die Hände zusammenschlagend, aus, »das muß es freilich, wenn Sie ebenso werden, wie Ihr Bruder Rudolf war. Können Sie sich denn nicht wehren? Können Sie nicht vergnügt und tätig sein, wie Ihr verstorbener Herr Vater war?«

      »Wenn du mir sagst, was ich tun soll, will ich es tun«, seufzte Matthias. Ferdinand habe ihm versprochen, sich bei seinen Lebzeiten in nichts einzumischen, es sei nur eine Formsache, wenn er ihm die Kronen von Österreich und Böhmen abträte, man brauche es nicht so wichtig aufzufassen.

      Ja, sagte Khlesl, mit dem Leim pflege man stets die Ruten zu bestreichen, mit denen man Vögel fangen wolle.

      Der Ferdinand habe sich doch bisher als ein frommer, offenherziger junger Mann gezeigt, meinte Matthias.

      Ach Gott freilich, sagte Khlesl, dem Ferdinand sitze die Maske trefflich, er habe sie mit auf die Welt gebracht.

      Ein unerwartetes Hindernis trat den beiden Erzherzögen von befreundeter Seite entgegen, indem der König von Spanien als ein Nachkomme König Ferdinands I. Ansprüche auf die Erblande erhob. Vergebens stellten sie dem spanischen Gesandten vor, wie unvorsichtig es zur Zeit von der Familie sei, sich in offener und heimlicher Feindschaft vielfach zu zerspalten; er blieb unerschütterlich, wohl wissend, die armen deutschen Habsburger würden die geldmächtige spanische Verwandtschaft nicht aufs Spiel zu setzen wagen. In der Tat bequemten sich Maximilian und Ferdinand dazu, mit Spanien um den Preis seines Verzichts zu handeln, was sich, da auf der einen Seite möglichst viel verlangt wurde, auf der anderen so wenig wie möglich gezahlt werden wollte, durch viele Monate hinzog. Inzwischen begannen die Verhandlungen mit Khlesl, der sich grundsätzlich zwar mit der Nachfolge Ferdinands einverstanden erklärte, aber behauptete, erst müsse das Reich unter einen Hut gebracht werden, bevor man einen neuen Kaiser dazu suche. Bestehe denn überhaupt noch eine Reichsverfassung, wenn kein Tribunal mehr da sei, dessen Entscheid düngen sich alle unterwürfen, und also kein Recht mehr zu erlangen sei? Wenn jeder Stand nach Belieben Bündnisse schlösse und einer wider den anderen praktiziere und rüste? Auch würden nur wenig Fürsten mit Ferdinands Wahl einverstanden sein, bevor ein Vergleich geschaffen sei, und einen solchen herzustellen, müsse also der kaiserlichen Regierung erstes Bemühen sein.

      Dagegen eiferte Maximilian, das wären nur Vorwände, durch die Khlesl die Sache hinausschieben wolle; den Ketzern entgegenzukommen, helfe und ändere nichts; man müsse diesen vielmehr den Meister zeigen, wie es auch früher Khlesls Meinung gewesen sei; nun aber gehe er auf gottlose Ränke und Schliche aus, um die Macht in der Hand zu behalten.

      Noch in einem anderen Falle hatte Ferdinand die Gegnerschaft Khlesls zu spüren. Es gehörte zu seinem Erblande die sogenannte kroatische Mark, die zum Teil von einer wunderlich gemischten Bevölkerung besiedelt war. Zu Flüchtlingen, die der türkischen Herrschaft entsprungen waren, gesellte sich mancherlei wildes Gesindel von den Küsten und Bergen Istriens, und so entstand um die Stadt Zengg herum ein Seeräubervolk, das man Uskoken nannte und das unter dem Schutze der Erzherzöge von Steiermark ein abenteuerndes, gefährliches Wesen trieb. Häufig kamen nun die Uskoken in Streit mit der benachbarten Republik Venedig, die die Herrschaft im Adriatischen Meere ausübte und beanspruchte und der die Abenteurer zwar nicht ernstlich Trotz bieten, die sie aber durch Überfall, Raub und Mord empfindlich schädigen konnten. Da Ferdinand auf die Klagen Venedigs die Schuldigen nur dem Scheine nach bestrafte, in Wirklichkeit aber beschirmte, kam es zum Kriege zwischen ihm und der Republik, in den sich auch Matthias mit hineinziehen ließ, sehr zum Ärger Khlesls, der Ferdinand vergeblich zum Nachgeben hatte bestimmen wollen. Seiner Ansicht nach war Ferdinand im Unrecht, da er mit Seeräubern gemeine Sache mache; überhaupt aber, sagte er, sei überall so viel entzündlicher Stoff auf Weg und Steg versteckt, daß jedes Feuer, irgendwo aufgegangen, einen allgemeinen, nicht mehr zu löschenden Brand erregen könne, und man müsse deshalb den Frieden zu erhalten suchen und keine Funken fliegen lassen.

      Namentlich dem Erzherzog Maximilian wurde es immer unleidlicher, sich überall von der Macht und Pracht Khlesls übertrumpft und ausgestochen zu finden. Da er selbst ein sparsamer Hauswirt war und doch niemals mit seinen Einkünften reichte, wurmte es ihn über alle Maßen, wenn er die mit sechs Pferden bespannte Karosse des Bischofs daherfahren sah, oder den mit Zobel gefütterten Mantel, den er im Winter trug, und die Kragen von feuerroter und violetter Seide, auf denen die gelbe Farbe seines Gesichtes häßlich hervortrat. Nicht nur wußte Khlesl geschickt seine Einkünfte zu vermehren, sondern er bezog auch von vielen Seiten, namentlich von Spanien, reiche Pensionen und half dem notleidenden Kaiser oft mit kleinen Summen aus. Sogar seine Diener konnten als Herren auftreten, denn ohne sie zu bestechen, gelangte niemand zu ihm. Schon seit Jahren sprach man davon, daß der ehrgeizige Bischof nach der Kardinalswürde strebe, und nun hieß es, der Papst könne dem Wunsche des um die Kirche so hochverdienten Mannes nicht länger widerstreben. Voll Ingrimm glaubte Maximilian wahrzunehmen,

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