Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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erblüht und werde blühend noch lange prangen.

      Tags darauf überbrachten reichgekleidete Diener Wallensteins dem Professor Geschenke ihres Herrn: einen silbernen Globus, auf welchem in blauem Schmelz der Sternenhimmel abgebildet war; eine Uhr, welche die in Erz getriebene Gestalt des Riesen Atlas auf der Schulter trug, und eine silberne, mit Halbedelsteinen reich besetzte, kunstreich und geheimnisvoll verschließbare Kassette, in der hundert Golddukaten waren.

      Auf der Rückfahrt durch die blaugrüne Luft, die fiebernd über den friaulischen Sümpfen zitterte, saß Wallenstein in seinen Wagen zurückgelehnt und ließ sich, die müden Augen halb schließend, vom mystischen Flimmern der Zukunft umweben. Er atmete das unendliche Schweigen der unbewohnten Ebene wie Weihrauch der Erde ein, die sich unter ihm bückte; jenseit des Umkreises, den die Ehrfurcht seiner Größe einräumte, mochten die zurückgewichenen Völker knien und scheu das sengende Gestirn vorüberrollen sehen.

      *

      Moritz von Hessen hatte Ursache, stolz auf seine Kinder zu sein; namentlich war er es auf die anmutige und kluge Elisabeth, die so bescheiden zuzuhören wußte, wenn ihr Vater sich mit gelehrten Männern unterhielt, und so überraschend gedankenvoll mitzusprechen, wenn sie dazu aufgefordert wurde. Schöner waren die Söhne, denen die frühverstorbene Mutter ihren vielbewunderten Reiz zum Gedächtnis eingeprägt zu haben schien: Otto, der älteste, mit dem vollen griechischen Munde und dem runden Kinn, und Moritz mit den goldstrahlenden Augen, dem braunen Gelock und der mädchenhaft leicht errötenden zarten Haut. Die junge Stiefmutter sah die wundervolle Blüte der bevorzugten Nachkommen ihres Mannes nicht ohne Eifersucht, doch war sie zu einsichtig, um es merken zu lassen, und das Ansehen des Landgrafen in der Familie zu groß, als daß Streit und Mißhelligkeit sich laut hervorgewagt hätten.

      Es war ein Augenblick schöner Genugtuung für Moritz, als sein Erstgeborener im Jahre 1612 den neugewählten Kaiser Matthias in Frankfurt in einer zierlichen lateinischen Ansprache begrüßte und die Augen der Fürsten neidisch oder wohlwollend auf dem Achtzehnjährigen ruhten, nicht wenige von dem Gedanken erfüllt, wie lieblich der Satan seine gefährlichen Werkzeuge auszuzieren wisse.

      Bald darauf traf den glücklichen Vater ein jäher Schlag, indem der zwölfjährige Moritz erkrankte und schon nach zwei Tagen, bevor noch jemand die Gefahr des Zustandes erkannt hatte, starb. Da man nichts anderes annahm, als daß es sich um ein leichtes Fieber handle, stellte Moritz, am Bette des Knaben sitzend, ihm allerlei Aufgaben als Unterhaltung und Prüfung. Er disputierte mit ihm über das Abendmahl, in der Weise, daß er abwechselnd die Rolle eines Lutheraners und eines Papisten spielte und der Kleine die Auffassung der Reformierten beiden gegenüber verteidigen und sie mit Bibelstellen erhärten mußte. Dann ließ er ihn Sätze aus dem Deutschen ins Lateinische und Französische übertragen, was alles Moritz zufriedenstellend ausführte, die brennenden Augen eifrig und ein wenig angstvoll auf den Vater gerichtet, dessen Ungeduld beim Unterricht ihm bekannt war. In der Mathematik jedoch, die des Landgrafen Lieblingsfach war, wurden die Antworten des kranken Kindes unsicher und blieben einige Male ganz aus, so daß der Vater es scharf zur Aufmerksamkeit anhielt. »Ich werde es gleich wissen, lieber Vater«, sagte das Kind, erschrocken die Hände faltend, und ließ den Kopf in das Kissen zurückfallen, indem es stammelnd um Wasser bat. Wie der Landgraf das Gesicht seines Sohnes sich verfärben sah, sprang er auf, läutete, rief nach Dienern und Ärzten; eben hatte er noch Zeit, den laut Atmenden in seine Arme zu nehmen und ihm zuzurufen: »Mein Sohn, mein Sohn, denke an Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist!«, als die Augen, die ihn flehend ansahen, brachen, und das geliebte Kindeshaupt leblos auf seine Schulter fiel.

      Der Landgraf blieb lange mit dem Leichnam seines Knaben allein und ließ sich während mehrerer Tage nur wenig vor anderen sehen; erschien er aber, so war sein Benehmen sicher und gebietend wie sonst und sprach er ruhig von der Pflicht des Christen, sich dem Schmerz über den Verlust geliebter Personen oder irdischer Güter nicht hinzugeben, sondern die Aufgaben des Tages zu erfüllen. Solche Grundsätze hatte er namentlich seinem ältesten Sohne Otto vorzuhalten, der sich um den Tod des jüngeren Bruders leidenschaftlich grämte und weder durch Arbeit noch durch Betrachtung oder Musik zerstreuen ließ. Plötzlich aber war der Kummer ohne ersichtliche Ursache ganz erloschen; so fing sein Wesen immer verhängnisvoller an, von einer Übertreibung zur andern zu schwanken. Das väterliche Gebot der Mäßigkeit überschreitend, betrank er sich in loser Gesellschaft, knüpfte ein Liebesverhältnis mit einer älteren Frau an und ward einmal, aus einem übelberüchtigten Hause heimkehrend, berauscht auf der Gasse gefunden. Der Zorn und Schmerz seines Vaters schmetterte ihn zu tiefster Zerknirschung nieder, doch hinderte das nicht, daß er sich bald darauf neuen Ausschweifungen ergab, was durch den Ausbruch einer Krankheit an den Tag kam. Dem verzweifelten Landgrafen, der mit dem Gedanken umging, dem entarteten Sohne die Nachfolge zu entziehen, rieten die Erzieher Ottos, er möchte den nunmehr Zwanzigjährigen verheiraten und dadurch dem geordneten Leben wieder zuführen; und so wurde denn die Vermählung mit einer badischen Prinzessin so schnell wie möglich eingeleitet und vollzogen. Hoffnungsvoll beteiligte sich Moritz selbst an den Vorbereitungen zur Hochzeit, deren vornehmste Unterhaltung ein Kampfspiel der Babylonia und der Ekklesia, eigentlich der babylonischen Hure und der evangelischen Kirche war, die einander beschimpften und herausforderten. Moritz selbst dichtete und komponierte ein Hochzeitslied, das mit den Worten begann: ›Venus, du und dein Sohn, der, dem ihr gnädig seid, Über der Sterblichen Häupter schreitet er sorglos, ein Gott‹; und wider seinen Willen wurden seine Augen naß, als die ernsten Töne sich in feierlichem Rhythmus über den jungen Vermählten drehten. Auf seinen Wunsch stellte der Pfarrer, der sie traute, ihnen die Bedeutung und die Pflichten der Ehe eindringlich vor und daß sie für einen Fürsten und Landesbeherrscher besonders bindend seien, was auch Eindruck auf Otto zu machen schien. Als jedoch nach einem Jahre die junge Frau im Wochenbette starb, nahm er die anstößige Lebensführung allen Ermahnungen und Drohungen zum Trotz wieder auf. Zwischen den Fürbitten und Ratschlägen der Familie und der Räte beschloß Moritz schleunige Wiederverheiratung, obwohl Otto selbst ihr widerstrebte. Bald sagte er trotzig, daß er die aufgedrungene Frau nicht werde lieben können, dann hatte er Anwandlungen, wo er stundenlang weinte, sich anklagte und sagte, man solle nichts mehr mit ihm versuchen, es sei aus mit ihm, er müsse doch zugrunde gehen.

      Im Innersten schwer niedergebeugt, hielt sich der Landgraf abseits von dem Treiben am Hofe und in der Familie, bemühte sich, im Studium der Wissenschaften oder bei den Verwaltungsgeschäften zu vergessen, als ein Verbrechen seinen Blick auf neue Untiefen in seiner Umgebung lenkte. Spät am Abend beim Verlassen des Schlosses wurde Herr von Hertinghausen, ein älterer Mann, durch Rudolf von Eckardsburg, einen schönen, im Umgang angenehmen und besonders bei den Damen beliebten jungen Ritter, ermordet, und zwar, wie sich herausstellte, weil jener eine tadelnde Bemerkung über verliebte Beziehungen des Eckardsburg zur Landgräfin Juliane gemacht hatte. Die Untersuchung ergab nichts, als daß Juliane mit dem von Eckardsburg häufiger als mit andern getanzt und gern mit ihm geplaudert habe; auch unter der Folter beharrte der Angeklagte dabei, daß nichts Strafbares geschehen und daß er seine Augen nie anders als mit der der Fürstin schuldigen Ehrfurcht auf Juliane gerichtet habe. Diese leugnete gleichfalls jede Schuld sowie auch jede Neigung ab und verlangte, daß Eckardsburg freigelassen werde, da er nur einen Verleumder zur Rettung ihrer Ehre im Zweikampf getötet, nicht gemordet habe. Die Zweifel des Landgrafen wurden nicht beschwichtigt, vielmehr, wie wenig er auch vorher an die Möglichkeit ehebrecherischer Liebe seiner Frau zu einem andern Manne gedacht hatte, so fest stand ihm jetzt, daß beide wenigstens gegenseitiger Zuneigung schuldig seien. Die Erinnerung vergangener Jahre suchte ihn heim, als die junge Frau des alten Landgrafen Ludwig von Hessen eines Liebesverhältnisses mit einem adligen Herrn beschuldigt wurde und er mit richtendem Eifer die strengste Bestrafung der Angeklagten durchzusetzen suchte. Unter Qualen fragte er sich, ob ihn damals noch ein besonderer Haß gegen die Miterbin des dem Tode nahen alten Fürsten bewegt habe? ob er gegen die eigene Frau blind oder nachsichtiger sein dürfe als damals gegen jene? oder ob die Wut seiner Eifersucht ihm einen Vorwand, Strenge zu üben, zuspielen wollte? Bald dachte er diesen schmachvollen Zustand dadurch zu überwinden, daß er den Eckardsburg dem Martertode preisgab, den das Gesetz für solchen Fall vorschrieb; bald wurde er uneins mit sich, wünschte an die Unschuld seiner Frau zu glauben

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