Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Noch möchte ich diese Gelegenheit zu der Bemerkung benützen, daß meine Kritiker häufig von der Annahme ausgehen, ich schriebe alle Abänderungen des körperlichen Baues und der geistigen Kräfte der natürlichen Zuchtwahl häufig spontan genannter Abänderungen zu, während ich doch, selbst schon in der ersten Ausgabe der »Entstehung der Arten« ausdrücklich gesagt habe, daß viel Gewicht auf die vererbten Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs, sowohl in Bezug auf den Körper als auf den Geist, gelegt werden müsse. Ein gewisses Maß der Modifikation habe ich auch der directen und fortgesetzten Wirkung veränderter Lebensbedingungen zugeschrieben. In etwas muß auch den gelegentlichen Rückschlägen des Baues Rechnung getragen werden; ebenso dürfen wir das nicht vergessen, was ich »correlatives« Wachsthum genannt habe, worunter ich die Erscheinung verstehe, daß verschiedene Theile des Organismus in irgend einer unbekannten Weise so mit einander verbunden sind, daß, wenn der eine Theil abändert, es auch andere thun, und wenn Abänderungen in einem Theile durch Zuchtwahl gehäuft werden, andere Theile modificiert werden. Mehrere Kritiker haben ferner gesagt, daß ich, nachdem ich gefunden hätte, daß viele Einzelnheiten des Baues beim Menschen nicht durch natürliche Zuchtwahl erklärt werden könnten, die geschlechtliche Zuchtwahl erfunden hätte. Ich habe indessen eine ziemlich klare Skizze dieses Princips in der ersten Auflage der »Entstehung der Arten« gegeben und dort schon gesagt, daß es auf den Menschen anwendbar sei. Dieser Gegenstand, die geschlechtliche Zuchtwahl, ist ausführlich im vorliegenden Werke behandelt worden, einfach deshalb, weil sich mir hier zuerst eine Gelegenheit dazu darbot. Mir ist aufgefallen, wie ähnlich viele der halbgünstigen Kritiken über die geschlechtliche Zuchtwahl denen waren, welche zuerst über die natürliche Zuchtwahl erschienen, z. B. daß sie einige wenige Details erklären könne, aber sicherlich nicht in dem Umfange anwendbar sei, in dem ich sie benützt habe. Meine Überzeugung von der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl bleibt unerschüttert; doch ist es wahrscheinlich, oder beinahe sicher, daß mehrere meiner Überzeugungen sich später als irrthümlich herausstellen werden; dies kann bei der ersten Behandlung eines Gegenstandes kaum anders sein. Wenn die Naturforscher mit der Idee der geschlechtlichen Zuchtwahl vertrauter geworden sein werden, wird sie, wie ich glaube, in viel ausgedehnterem Maße angenommen werden; und bereits ist sie von mehreren competenten Richtern vollständig und günstig aufgenommen worden.
Down, Beckenham, Kent.
September 1874.
Einleitung.
Das Wesen des vorliegenden Buches wird man am besten beurtheilen können, wenn ich kurz angebe, wie ich dazu kam, es zu schreiben. Viele Jahre hindurch habe ich Notizen über den Ursprung oder die Abstammung des Menschen gesammelt, ohne daß mir etwa der Plan vorgeschwebt hätte, über den Gegenstand einmal zu schreiben, vielmehr mit dem Entschlusse, dies nicht zu thun, da ich fürchtete, daß ich dadurch nur die Vorurtheile gegen meine Ansichten verstärken würde. Es schien mir hinreichend, in der ersten Ausgabe meiner »Entstehung der Arten« darauf hingewiesen zu haben, daß durch dieses Buch auch Licht auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte geworfen werden würde; diese Andeutung schloß ja doch den Gedanken ein, daß der Mensch bei jedem allgemeinen Schluß in Bezug auf die Art seiner Erscheinung auf der Erde mit anderen organischen Wesen zusammengefaßt werden müsse. Gegenwärtig trägt die Sache ein vollständig verschiedenes Ansehen. Wenn ein Naturforscher wie Carl Vogt in seiner Eröffnungsrede als Präsident des Nationalinstituts von Genf (1869) sagen darf: »personne, en Europe au moins, n'ose plus soutenir la création indépendante et de toutes pièces, des espèces«, so muß doch offenbar wenigstens eine große Zahl Naturforscher der Annahme zugethan sein, daß Arten die modificierten Nachkommen anderer Arten sind; und vorzüglich gilt dies für die jüngeren und aufstrebenden Naturforscher. Die größere Zahl derselben nimmt die Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl an, obschon Einige, ob mit Recht, muß die Zukunft entscheiden, hervorheben, daß ich deren Wirksamkeit bedeutend überschätzt habe. Von den älteren und angeseheneren Häuptern der Naturwissenschaft sind leider noch viele gegen eine Entwicklung in jeglicher Form.
In Folge der von den meisten Naturforschern, denen schließlich, wie in jedem anderen Falle, noch andere nicht wissenschaftlich Gebildete folgen werden, jetzt angenommenen Ansichten bin ich darauf geführt worden, meine Notizen zusammenzustellen, um zu sehen, wie weit sich die allgemeinen Schlußfolgerungen, zu denen ich in meinen früheren Schriften gekommen war, auf den Menschen anwenden lassen. Dies schien um so wünschenswerther, als ich diese Betrachtungsweise noch niemals ausdrücklich auf eine Art einzeln genommen angewendet hatte. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf irgend eine Form beschränken, so entbehren wir die gewichtigen Beweismittel, die aus der Natur der Verwandtschaft, welche große Gruppen von Organismen unter einander verbindet, aus ihrer geographischen Verbreitung in der Gegenwart und in vergangenen Zeiten und aus ihrer geologischen Aufeinanderfolge fließen. Es bleiben dann die homologen Bildungen, die embryonale Entwicklung und die rudimentären Organe einer Art, mag dies nun der Mensch oder irgend ein anderes Thier sein, auf welches sich unsere Aufmerksamkeit richtet, zu betrachten übrig; und diese großen Classen von Thatsachen bieten gerade, wie es mir scheint, umfassende und endgültige Zeugnisse zu Gunsten des Princips einer stufenweisen Entwicklung dar. Indessen sollte man die kräftige Unterstützung durch die andern Argumente sich deshalb doch immer vor Augen halten.
Die einzige Aufgabe dieses Werkes ist, zu untersuchen, erstens ob der Mensch, wie jede andere Species, von irgend einer früher existierenden Form abstammt, zweitens, welches die Art seiner Entwicklung war, und drittens, welchen Werth die Verschiedenheiten zwischen den sogenannten Menschenrassen haben. Da ich mich auf diese Punkte beschränken werde, so wird es nicht nothwendig sein, im Einzelnen die Verschiedenheiten zwischen den verschiedenen Rassen zu beschreiben; es ist dies ein äußerst umfangreicher Gegenstand, welcher in vielen werthvollen Werken ausführlich erörtert worden ist. Das hohe Alter des Menschen ist in der neueren Zeit durch die Bemühungen einer Menge ausgezeichneter Männer nachgewiesen worden, zuerst von Boucher de Perthes; und dies ist die unentbehrliche Grundlage zum Verständnis seines Ursprungs. Ich werde daher diesen Beweis für erbracht annehmen und darf wohl meine Leser auf die vorzüglichen Schriften von Sir Charles Lyell, Sir John Lubbock und Anderen verweisen. Auch werde ich kaum Veranlassung haben, mehr zu thun, als auf den Betrag der Verschiedenheit zwischen dem Menschen und den anthropomorphen Affen hinzuweisen; denn nach der Ansicht der competentesten Beurtheiler hat Professor Huxley überzeugend nachgewiesen, daß der Mensch in jedem einzelnen sichtbaren Merkmale weniger von den höheren Affen abweicht, als diese von den niederen Gliedern derselben Ordnung, der Primaten, abweichen.
Das vorliegende Werk enthält kaum irgend welche originelle Thatsachen in Bezug auf den Menschen; da aber die Folgerungen, zu welchen ich nach Vollendung einer flüchtigen Skizze gelangte, mir interessant zu sein schienen, so glaubte ich, daß sie auch Andere interessieren dürften. Es ist oft und mit Nachdruck behauptet worden, daß der Ursprung des Menschen nie zu enträthseln sei. Aber Unwissenheit erzeugt viel häufiger Sicherheit, als es das Wissen thut. Es sind immer Diejenigen, welche wenig wissen, und nicht Die, welche viel wissen, welche positiv behaupten, daß dieses oder jenes Problem nie von der Wissenschaft werde gelöst werden. Die Schlußfolgerung, daß der Mensch, in gleicher Weise wie andere Arten, ein Nachkomme von irgend welchen anderen niedrigeren und ausgestorbenen Formen sei, ist durchaus nicht neu. Lamarck kam schon vor langer Zeit zu dieser Folgerung, welche neuerdings von mehreren ausgezeichneten Naturforschern und Philosophen zu der ihrigen gemacht worden ist, z. B. von Wallace, Huxley, Lyell, Vogt, Lubbock, Büchner, Rolle etc.
1 und besonders von Haeckel. Der letztgenannte Naturforscher