Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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und mehr zu brechen und zu tödten, den er als die Quelle des eigenen und der Welt leidenden Daseyns erkennt und verabscheut. – Kommt endlich der Tod, der diese Erscheinung jenes Willens auflöst, dessen Wesen hier, durch freie Verneinung seiner selbst, schon längst, bis auf den schwachen Rest, der als Belebung dieses Leibes erschien, abgestorben war; so ist er, als ersehnte Erlösung, hoch willkommen und wird freudig empfangen. Mit ihm endigt hier nicht, wie bei Andern, bloß die Erscheinung; sondern das Wesen selbst ist aufgehoben, welches hier nur noch in der Erscheinung und durch sie ein schwaches Daseyn hatte;96 welches letzte mürbe Band nun auch zerreißt. Für Den, welcher so endet, hat zugleich die Welt geendigt.

      Und was ich hier mit schwacher Zunge und nur in allgemeinen Ausdrücken geschildert habe, ist nicht etwan ein selbsterfundenes philosophisches Mährchen und nur von heute: nein, es war das beneidenswerthe Leben gar vieler Heiligen und schöner Seelen unter den Christen, und noch mehr unter den Hindus und Buddhaisten, auch unter andern Glaubensgenossen. So sehr verschiedene Dogmen auch ihrer Vernunft eingeprägt waren, sprach dennoch sich die innere, unmittelbare, intuitive Erkenntniß, von welcher allein alle Tugend und Heiligkeit ausgehn kann, auf die gleiche und nämliche Weise durch den Lebenswandel aus. Denn auch hier zeigt sich der in unserer ganzen Betrachtung so wichtige und überall durchgreifende, bisher zu wenig beachtete, große Unterschied zwischen der intuitiven und der abstrakten Erkenntniß. Zwischen beiden ist eine weite Kluft, über welche, in Hinsicht auf die Erkenntniß des Wesens der Welt, allein die Philosophie führt. Intuitiv nämlich, oder in concreto, ist sich eigentlich jeder Mensch aller philosophischen Wahrheiten bewußt: sie aber in sein abstraktes Wissen, in die Reflexion zu bringen, ist das Geschäft des Philosophen, der weiter nichts soll, noch kann.

      Vielleicht ist also hier zum ersten Male, abstrakt und rein von allem Mythischen, das innere Wesen der Heiligkeit, Selbstverleugnung, Ertödtung des Eigenwillens, Askesis, ausgesprochen als Verneinung des Willens zum Leben, eintretend, nachdem ihm die vollendete Erkenntniß seines eigenen Wesens zum Quietiv alles Wollens geworden. Hingegen unmittelbar erkannt und durch die That ausgesprochen haben es alle jene Heiligen und Asketen, die, bei gleicher innerer Erkenntniß, eine sehr verschiedene Sprache führten, gemäß den Dogmen, die sie ein Mal in ihre Vernunft aufgenommen hatten und welchen zufolge ein Indischer Heiliger, ein Christlicher, ein Lamaischer, von seinem eigenen Thun, jeder sehr verschiedene Rechenschaft geben muß, was aber für die Sache ganz gleichgültig ist. Ein Heiliger kann voll des absurdesten Aberglaubens seyn, oder er kann umgekehrt ein Philosoph seyn: Beides gilt gleich. Sein Thun allein beurkundet ihn als Heiligen: denn es geht, in moralischer Hinsicht, nicht aus der abstrakten, sondern aus der intuitiv aufgefaßten, unmittelbaren Erkenntniß der Welt und ihres Wesens hervor, und wird von ihm nur zur Befriedigung seiner Vernunft durch irgend ein Dogma ausgelegt. Es ist daher so wenig nöthig, daß der Heilige ein Philosoph, als daß der Philosoph ein Heiliger sei: so wie es nicht nöthig ist, daß ein vollkommen schöner Mensch ein großer Bildhauer, oder daß ein großer Bildhauer auch selbst ein schöner Mensch sei. Ueberhaupt ist es eine seltsame Anforderung an einen Moralisten, daß er keine andere Tugend empfehlen soll, als die er selbst besitzt. Das ganze Wesen der Welt abstrakt, allgemein und deutlich in Begriffen zu wiederholen, und es so als reflektirtes Abbild in bleibenden und stets bereit liegenden Begriffen der Vernunft niederzulegen: dieses und nichts anderes ist Philosophie. Ich erinnere an die im ersten Buche angeführte Stelle des Bako von Verulam.

      Aber eben auch nur abstrakt und allgemein und daher kalt ist meine obige Schilderung der Verneinung des Willens zum Leben, oder des Wandels einer schönen Seele, eines resignirten, freiwillig büßenden Heiligen. Wie die Erkenntniß, aus welcher die Verneinung des Willens hervorgeht, eine intuitive ist und keine abstrakte; so findet sie ihren vollkommenen Ausdruck auch nicht in abstrakten Begriffen, sondern allein in der That und dem Wandel. Daher um völliger zu verstehn, was wir philosophisch als Verneinung des Willens zum Leben ausdrücken, hat man die Beispiele aus der Erfahrung und Wirklichkeit kennen zu lernen. Freilich wird man sie nicht in der täglichen Erfahrung antreffen: nam omnia praeclara tam difficilia quam rara sunt, sagt Spinoza vortrefflich. Man wird sich also, wenn nicht durch ein besonders günstiges Schicksal zum Augenzeugen gemacht, mit den Lebensbeschreibungen solcher Menschen begnügen müssen. Die Indische Litteratur ist, wie wir schon aus dem Wenigen, was wir bis jetzt durch Uebersetzungen kennen, sehn, sehr reich an Schilderungen des Lebens der Heiligen, der Büßenden, Samanäer, Saniassis u.s.w. genannt. Selbst die bekannte, wiewohl keineswegs in jeder Hinsicht lobenswerthe »Mythologie des Indous par Mad. de Polier« enthält viele vortreffliche Beispiele dieser Art. (Besonders im 13. Kapitel des zweiten Bandes.) Auch unter den Christen fehlt es nicht an Beispielen zu der bezweckten Erläuterung. Man lese die meistens schlecht geschriebenen Biographien derjenigen Personen, welche bald heilige Seelen, bald Pietisten, Quietisten, fromme Schwärmer u.s.w. genannt sind. Sammlungen solcher Biographien sind zu verschiedenen Zeiten gemacht, wie Tersteegen's »Leben heiliger Seelen«, Reiz's »Geschichten der Wiedergeborenen«, in unsern Tagen eine Sammlung von Kanne, die unter vielem Schlechten doch auch manches Gute enthält, wohin ich besonders das »Leben der Beata Sturmin« zähle. Ganz eigentlich gehört hieher das Leben des heiligen Franciscus von Assisi, dieser wahren Personifikation der Askese, und Vorbildes aller Bettelmönche. Sein Leben, von seinem jungem Zeitgenossen, dem auch als Scholastiker berühmten heiligen Bonaventura beschrieben, ist neuerlich wieder aufgelegt worden: »Vita S. Francisci a S. Bonaventura concinnata« (Soest 1847), nachdem kurz vorher eine sorgfältige, ausführliche und alle Quellen benutzende Biographie desselben in Frankreich erschienen war: »Histoire de S. Francois d'Assise, par Chavin de Mallan« (1845). – Als Orientalische Parallele zu diesen Klosterschriften haben wir das höchst lesenswerthe Buch von Spence Hardy: »Eastern monachism, an account of the order of mendicants founded by Gotama Budha« (1850). Es zeigt uns die selbe Sache in einem andern Gewände. Auch sieht man, wie gleichgültig es ihr ist, ob sie von einer theistischen, oder einer atheistischen Religion ausgeht. – Vorzüglich aber kann ich, als ein specielles, höchst ausführliches Beispiel und eine faktische Erläuterung der von mir aufgestellten Begriffe, die Autobiographie der Frau von Guion empfehlen, welche schöne und große Seele, deren Andenken mich stets mit Ehrfurcht erfüllt, kennen zu lernen und dem Vortrefflichen ihrer Gesinnung, mit Nachsicht gegen den Aberglauben ihrer Vernunft, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, jedem Menschen besserer Art eben so erfreulich seyn muß, als jenes Buch bei den Gemeindenkenden, d.h. der Mehrzahl, stets in schlechtem Kredit stehn wird, weil durchaus und überall Jeder nur Das schätzen kann, was ihm einigermaaßen analog ist und wozu er wenigstens eine schwache Anlage hat. Dies gilt wie vom Intellektuellen, so auch vom Ethischen. Gewissermaaßen könnte man als ein hiehergehöriges Beispiel sogar die bekannte französische Biographie Spinoza's betrachten, wenn man nämlich als Schlüssel zu derselben jenen herrlichen Eingang zu seiner ungenügenden Abhandlung »De emendatione intellectus« gebraucht, welche Stelle ich zugleich als das wirksamste mir bekannt gewordene Besänftigungsmittel des Sturms der Leidenschaften anempfehlen kann. Endlich hat selbst der große Goethe, so sehr er Grieche ist, es nicht seiner unwürdig gehalten, uns diese schönste Seite der Menschheit im verdeutlichenden Spiegel der Dichtkunst zu zeigen, indem er uns in den »Bekenntnissen einer schönen Seele« das Leben der Fräulein Klettenberg idealisirt darstellte und später, in seiner eigenen Biographie, auch historische Nachricht davon gab; wie er uns denn auch das Leben des heiligen Philippo Neri sogar zwei Mal erzählt hat. – Die Weltgeschichte wird zwar immer und muß von den Menschen schweigen, deren Wandel die beste und allein ausreichende Erläuterung dieses wichtigen Punktes unserer Betrachtung ist. Denn der Stoff der Weltgeschichte ist ein ganz anderer, ja entgegengesetzter, nämlich nicht das Verneinen und Aufgeben des Willens zum Leben, sondern eben sein Bejahen und Erscheinen in unzähligen Individuen, in welchem seine Entzweiung mit sich selbst, auf dem höchsten Gipfel seiner Objektivation, mit vollendeter Deutlichkeit hervortritt, und nun uns bald die Ueberlegenheit des Einzelnen durch seine Klugheit, bald die Gewalt der Menge durch ihre Masse, bald die Macht des sich zum Schicksal personificirenden Zufalls, immer die Vergeblichkeit und Nichtigkeit des ganzen Strebens vor Augen bringt. Uns aber, die wir hier nicht den Faden der Erscheinungen in der Zeit verfolgen, sondern als Philosophen die ethische Bedeutung der Handlungen zu erforschen suchen und diese hier zum alleinigen Maaßstabe für das uns Bedeutsame und Wichtige nehmen, wird doch wohl keine Scheu

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