Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 44
So sehn wir denn hier, auf der untersten Stufe, den Willen sich darstellen als einen blinden Drang, ein finsteres, dumpfes Treiben, fern von aller unmittelbaren Erkennbarkeit. Es ist die einfachste und schwächste Art seiner Objektivation. Als solcher blinder Drang und erkenntnißloses Streben erscheint er aber noch in der ganzen unorganischen Natur, in allen den ursprünglichen Kräften, welche aufzusuchen und ihre Gesetze kennen zu lernen, Physik und Chemie beschäftigt sind, und jede von welchen sich uns in Millionen ganz gleichartiger und gesetzmäßiger, keine Spur von individuellem Charakter ankündigender Erscheinungen darstellt, sondern bloß vervielfältigt durch Zeit und Raum, d.i. durch das principium individuationis, wie ein Bild durch die Facetten eines Glases vervielfältigt wird.
Von Stufe zu Stufe sich deutlicher objektivirend, wirkt dennoch auch im Pflanzenreich, wo nicht mehr eigentliche Ursachen, sondern Reize das Band seiner Erscheinungen sind, der Wille doch noch völlig erkenntnißlos, als finstere treibende Kraft, und so endlich auch noch im vegetativen Theil der thierischen Erscheinung, in der Hervorbringung und Ausbildung jedes Thieres und in der Unterhaltung der innern Oekonomie desselben, wo immer nur noch bloße Reize seine Erscheinung nothwendig bestimmen. Die immer höher stehenden Stufen der Objektität des Willens führen endlich zu dem Punkt, wo das Individuum, welches die Idee darstellt, nicht mehr durch bloße Bewegung auf Reize seine zu assimilirende Nahrung erhalten konnte; weil solcher Reiz abgewartet werden muß, hier aber die Nahrung eine specieller bestimmte ist, und bei der immer mehr angewachsenen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen das Gedränge und Gewirre so groß geworden ist, daß sie einander stören, und der Zufall, von dem das durch bloße Reize bewegte Individuum seine Nahrung erwarten muß, zu ungünstig seyn würde. Die Nahrung muß daher aufgesucht, ausgewählt werden, von dem Punkt an, wo das Thier dem Ei oder Mutterleibe, in welchem es erkenntnißlos vegetirte, sich entwunden hat. Dadurch wird hier die Bewegung auf Motive und wegen dieser die Erkenntniß nothwendig, welche also eintritt als ein auf dieser Stufe der Objektivation des Willens erfordertes Hülfsmittel, mêchanê, zur Erhaltung des Individuums und Fortpflanzung des Geschlechts, Sie tritt hervor, repräsentirt durch das Gehirn oder ein größeres Ganglion, eben wie jede andere Bestrebung oder Bestimmung des sich objektivirenden Willens durch ein Organ repräsentirt ist, d.h. für die Vorstellung sich als ein Organ darstellt40. -Allein mit diesem Hülfsmittel, dieser mêchanê, steht nun, mit einem Schlage, die Welt als Vorstellung da, mit allen ihren Formen, Objekt und Subjekt, Zeit, Raum, Vielheit und Kausalität. Die Welt zeigt jetzt die zweite Seite. Bisher bloß Wille, ist sie nun zugleich Vorstellung, Objekt des erkennenden Subjekts. Der Wille, der bis hieher im Dunkeln, höchst sicher und unfehlbar, seinen Trieb verfolgte, hat sich auf dieser Stufe ein Licht angezündet, als ein Mittel, welches nothwendig wurde, zur Aufhebung des Nachtheils, der aus dem Gedränge und der komplicirten Beschaffenheit seiner Erscheinungen eben den vollendetesten erwachsen würde. Die bisherige unfehlbare Sicherheit und Gesetzmäßigkeit, mit welcher er in der unorganischen und bloß vegetativen Natur wirkte, beruhte darauf, daß er allein in seinem ursprünglichen Wesen, als blinder Drang, Wille, thätig war, ohne Beihülfe, aber auch ohne Störung von einer zweiten ganz andern Welt, der Welt als Vorstellung, welche zwar nur das Abbild seines eigenen Wesens, aber doch ganz anderer Natur ist und jetzt eingreift in den Zusammenhang seiner Erscheinungen. Dadurch hört nunmehr die unfehlbare Sicherheit derselben auf. Die Thiere sind schon dem Schein, der Täuschung ausgesetzt. Sie haben indessen bloß anschauliche Vorstellungen, keine Begriffe, keine Reflexion, sind daher an die Gegenwart gebunden, können nicht die Zukunft berücksichtigen. – Es scheint als ob diese vernunftlose Erkenntniß nicht in allen Fällen hinreichend zu ihrem Zweck gewesen sei und bisweilen gleichsam einer Nachhülfe bedurft habe. Denn es bietet sich uns die sehr merkwürdige Erscheinung dar, daß das blinde Wirken des Willens und das von der Erkenntniß erleuchtete, in zwei Arten von Erscheinungen, auf eine höchst überraschende Weise, eines in das Gebiet des andern hinübergreifen. Ein Mal nämlich finden wir, mitten unter dem von der anschaulichen Erkenntniß und ihren Motiven geleiteten Thun der Thiere, ein ohne diese, also mit der Nothwendigkeit des blindwirkenden Willens vollzogenes, in den Kunsttrieben, welche, durch kein Motiv, noch Erkenntniß geleitet, das Ansehn haben, als brächten sie ihre Werke sogar auf abstrakte, vernünftige Motive zu Stande. Der andere diesem entgegengesetzte Fall ist der, wo umgekehrt das Licht der Erkenntniß in die Werkstätte des blindwirkenden Willens eindringt und die vegetativen Funktionen des menschlichen Organismus beleuchtet: im magnetischen Hellsehn. – Endlich nun da, wo der Wille zum höchsten Grade seiner Objektivation gelangt ist, reicht die den Thieren aufgegangene Erkenntniß des Verstandes, dem die Sinne die Data liefern, woraus bloße Anschauung, die an die Gegenwart gebunden ist, hervorgeht, nicht mehr zu: das komplicirte, vielseitige, bildsame, höchstbedürftige und unzähligen Verletzungen ausgesetzte Wesen, der Mensch, mußte, um bestehn zu können, durch eine doppelte Erkenntniß erleuchtet werden, gleichsam eine höhere Potenz der anschaulichen Erkenntniß mußte zu dieser hinzutreten, eine Reflexion jener: die Vernunft als das Vermögen abstrakter Begriffe. Mit dieser war Besonnenheit da, enthaltend Ueberblick der Zukunft und Vergangenheit, und, in Folge derselben, Ueberlegung, Sorge, Fähigkeit des prämeditirten, von der Gegenwart unabhängigen Handelns, endlich auch völlig deutliches Bewußtseyn der eigenen Willensentscheidungen als solcher. Trat nun schon mit der bloß anschauenden Erkenntniß die Möglichkeit des Scheines und der Täuschung ein, wodurch die vorige Unfehlbarkeit im erkenntnißlosen Treiben des Willens aufgehoben wurde, deshalb Instinkt und Kunsttrieb, als erkenntnißlose Willensäußerungen, mitten unter den von Erkenntniß geleiteten, ihm zu Hülfe kommen mußten; so geht mit dem Eintritt der Vernunft jene Sicherheit und Untrüglichkeit der Willensäußerungen (welche am andern Extrem, in der unorganischen Natur, sogar als strenge Gesetzmäßigkeit erscheint) fast ganz verloren: der Instinkt tritt völlig zurück, die Ueberlegung, welche jetzt Alles ersetzen soll, gebiert (wie im ersten Buche ausgeführt) Schwanken und Unsicherheit: