Freundschaft auf den ersten Blick. Erich Kastner

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Freundschaft auf den ersten Blick - Erich  Kastner

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hatte es uns beide aus Leipzig nach Berlin verschlagen. Damit waren wir, ohne es zu wollen oder auch nur zu ahnen, in die schönste Zeit unseres Lebens hineingestolpert. Und nun trieben wir uns also, mit wenig Geld und großen Augen, für ein paar Wochen in Paris herum. Was kostete die Welt? Sie schien nicht billig zu sein. Aber wir wollten sie ja gar nicht kaufen, sondern nur betrachten! Das allerdings besorgten wir gründlich.

      Wir wohnten in einem billigen, kleinen Hotel am Bahnhof St-Lazare, in der Rue d’Edinbourgh. Hier waren die harten Salami- und Cervelatwürste deponiert, die wir aus Berlin mitgeschleppt hatten und über die wir während der knappen Marschpausen hungrig herfielen. Wir lebten wie die Wanderburschen, und wir waren ja auch welche! Von morgens bis in die Nacht trabten wir kreuz und quer durch die wundervolle Stadt, über die Boulevards zum Bois, von der Place du Tertre zum Café du Dôme und zur Coupole, von der Madeleine zur Place de la Bastille, von den Markthallen zu den Bouquinisten, und kein Winkel konnte sich vor uns verstecken.

      Wir fanden ja nicht nur die Sehenswürdigkeiten sehenswürdig, nicht nur die Isle und den Louvre, nicht nur Trianon und Fontainebleau! Es war keine Kavaliersreise, und Paris war nicht nur ein aus Museen bestehendes Museum! Ein pittoresker Schornstein, eine hinfällige Gaslaterne, ein Harfenspieler und ein Rummelplatz waren uns nicht weniger recht.

      Unsere Neugier war ein Verlangen wie Hunger und Durst und kaum zu stillen. Sie wurde nicht müde. Schon gar nicht zur Schlafenszeit, wenn der Nachthimmel über Paris rot wurde. Nein, wir gingen nicht mit den Hühnern zu Bett. (Auch nicht mit den französischen, die man »poules« nennt.) Wir hielten auch nachts die Augen offen.

      Wir saßen im »Moulin de la Galette« und schauten der kleinbürgerlichen Großstadtjugend zu, wie sie zur Blasmusik Walzer und Twostep tanzte, oft genug die Mauerblümchen miteinander und auch die jungen Burschen paarweise. Wir hockten im weltberühmten »Lido« an der Bar, zählten heimlich unser Geld und freuten uns über das freche und snobistische Durcheinander, hier der Swimmingpool mit Badenixen und Gummitieren, dort die Maharadschas und Fracks und Pariser Modellkleider beim nächtlichen Champagnerfrühstück.

      Ein andermal gerieten wir, in irgendeiner dunklen Seitenstraße, unversehens in ein Lokal mit splitterfasernackter Damenbedienung. Es handelte sich um etwa zwei Dutzend ziemlich hübscher Mädchen in allen Haut- und Haarfarben […], und alle bemühten sich aufs Ungezwungenste um ihre Gäste. Es war eine weibliche Völkerschau auf vollen Touren. Wir kamen uns vor wie in einer Hafenkneipe von Hongkong oder Port Said, und in unserer Runde fehlte eigentlich nur noch ein dritter Sachse, der Vollmatrose Ringelnatz, mit einem Glase Wein und einem hanebüchenen Kuddeldaddeldu-Gesicht.

      Die gleiche Nacht hatte ein weiteres »sündhaftes« Abenteuer in petto. Auf dem Rückmarsch ins Hotel überredete uns, an der Place de la Concorde, ein radebrechender Levantiner, eine Fotoserie zu erwerben. Er tat sehr verrucht und geheimnisvoll. Und er hatte wohl auch recht damit. Denn das Sammelwerk hieß »Les vingtquatre positions«! Das Geschäft kam zustande. Der Mann verschwand im Dunkeln. Ohser trat unter einen Kandelaber, um, bei dessen Schimmer, so schnell wie möglich unvermutete Bildungslücken zu beseitigen, betrachtete die Fotos und brach in schallendes Gelächter aus. Der Levantiner hatte uns vierundzwanzig Posen und Phasen eines Ringkampfes zweier dicker Männer vom Rummelplatz angedreht!

      Das war, wie gesagt, im Jahre 1928. Seitdem ist, weiß der Himmel, viel geschehen. Aber Erich Ohsers jungenhaftes Lachen, das klingt mir noch heute im Ohr. Und nicht nur jenes Lachen unterm Kandelaber in Paris …

      Max und sein Frack

      So sehr es meiner natürlichen Bescheidenheit zuwider ist, muss ich mit einer protzigen Behauptung beginnen, nämlich: Einer meiner Freunde, namens Max, hatte einen Frack. Nun ist zwar statistisch einwandfrei erwiesen, dass der Student nicht einmal ein Mittagessen nötig hat. Aber gar einen Frack? Soll er dies elegante Kleidungsstück dadurch beleidigen, dass er es anlegt? – Nein, ein Frack, den man hat, ist entbehrlicher als ein deutsches Beefsteak, das man nicht hat. Und so ging dieser Frack meinem Freunde Max so lange im Kopfe herum, bis er eine Idee hatte. Der Weg von dieser Idee zu ihrer Verwirklichung führte über, oder besser in das Leihhaus. Fracklos, wie Max nun dastand, kehrte er der feinen Welt den Rücken und, mit 3000 Mark begütert, wandte er sich dem bürgerlichen Mittagstisch zu. Das Geld reichte von Anfang November bis Mitte Januar, tatsächlich.

      Vorgestern erzählte er mir, er brauche für die Dauer von 4 Stunden 3500 Mark, um den Frack einzulösen. Schließlich borgte ihm auch unser Institutsdiener das erwünschte Geld. Max war von seiner Kredittüchtigkeit überrascht und versprach, mir 1000 Mark zu borgen (wir nennen das immer »borgen«), wenn ich vor dem Leihhaus warten wolle.

      Ich wartete vor dem Leihhaus auf Max. Elastischen Schrittes kam er endlich zurück und trug seinen Frack, sorgfältig gefaltet, über dem linken Unterarm. »So«, sagte er, »erledigt! 3000 Mark Einsatz und 500 Mark Gebühren. Das Geld ist alle. – Und nun – nimmst Du den Frack und trägst ihn wieder hinauf.«

      Nachdem ich aus einer tiefen Ohnmacht wieder zu mir gekommen war, trug ich den Frack hinauf und erhielt (noch zittern mir die Knie) – 15000 M.

      Max wartete unten. Wortlos reichte ich ihm das Bündel Geld. Er zählte nach und rechnete vor: »3500 M. dem Institutsdiener, 1000 M. Dir; da bleiben 11500 M., ja. Damit reiche ich wieder drei Monate. Und dann pumpen wir wieder jemanden für 4 Stunden an. Aber dann holst Du den Frack herunter und ich schaffe ihn hinauf.«

      Mir traten Tränen der Bewunderung in die Augen; ich sank vor ihm in die Knie und stammelte nur: »Maximilian, Du bist ein Genie.« Er hob mich gerührt auf. Und dann tranken wir je eine Tasse Milchkaffee; kostete 500 Mark; bleiben noch – 11000 Mark. Jawohl.

      In der Heimat beigesetzt

      Einem anderen gefallenen Freund

      Grau war der Tag – und der Regen rann –

      da haben wir ihn begraben. –

      Das Regiment stellt[e] zwanzig Mann,

      die hatten den Sarg zu tragen.

      Die trugen ihn durch das sterbende Land,

      durch des Dorfes verwinkelte Gassen

      nach dem Kirchhof draußen im Heidesand,

      der lag vergessen, verlassen. –

      Und als dann der Sarg in die Tiefe glitt,

      hub der Kantor an zu singen.

      Die alten Weiber, die sangen mit,

      – ein Lied von den letzten Dingen. –

      Auch Abordnungen waren geschickt

      von Schwimm- und Turnvereinen.

      – Und die Eltern standen beiseite – gebückt –

      und konnten nicht mehr weinen.

      Der Pastor, der »unabkömmlich« war,

      der sollte die Eltern trösten.

      Vom Vaterland sprach er und dessen Gefahr

      und vom Sohn, dem nun Glücklich-Erlösten;

      der spiele im Himmel jetzt täglich Skat,

      und freitags – wär Kegelschieben.

      Und er

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