Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde

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Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde

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halb um und sah Dorian Gray zum erstenmal. Als unsere Blicke sich trafen, fühlte ich, dass ich blass wurde. Eine sonderbare Empfindung des Schreckens kam über mich. Ich wusste, dass ich Aug’ in Auge einem Menschen gegenüberstand, dessen blosse Persönlichkeit so faszinierend war, dass sie, wenn ich’s gestattete, meine ganze Natur, meine ganze Seele, ja meine Kunst selbst absorbieren würde. Ich wollte keinen Einfluss von aussen in meinem Leben. Du weisst, Harry, wie unabhängig ich von Natur bin. Ich bin immer mein eigener Herr gewesen; wenigstens bis zu dem Augenblick, wo ich Dorian Gray traf. Da — aber ich weiss nicht, wie ich es dir erklären soll. Etwas schien mir zu sagen, dass ich am Rande einer furchtbaren Krise in meinem Leben stehe. Ich hatte ein seltsames Gefühl, das Schicksal halte auserlesene Freuden und auserlesene Schmerzen für mich bereit. Mir schauderte, und ich wandte mich, um das Zimmer zu verlassen. Es war nicht das Gewissen, was mich so handeln liess: es war eine Art Feigheit. Ich rechne mir’s selbst nicht als Verdienst an, dass ich zu entfliehen suchte.“

      „Gewissen und Feigheit sind in Wirklichkeit dasselbe, Basil. Gewissen ist der Handelsname der Firma. Das ist alles.“

      „Ich glaube das nicht, Harry, und ich glaube nicht einmal, dass du es tust. Aber was auch mein Beweggrund gewesen sein mochte — vielleicht war es Stolz, denn ich pflegte sehr stolz zu sein — sicher ist, dass ich zur Türe strebte. Dort stiess ich natürlich mit Lady Brandon zusammen. ,Sie wollen doch nicht so früh schon fort, Herr Hallward? schrie sie. Du kennst doch ihre sonderbar schrille Stimme?“

      „Ja; sie ist ein Pfau in allem, die Schönheit ausgenommen“, sagte Lord Henry, indes seine schlanken, nervösen Finger das Gänseblümchen zerpflückten.

      „Ich konnte sie nicht los werden. Sie schleppte mich zu Fürstlichkeiten und Leuten mit hohen und höchsten Orden und ältlichen Damen mit riesigen Diademen und Papageiennasen. Sie stellte mich als ihren besten Freund vor. Ich hatte sie nur ein einziges. Mal vorher getroffen, aber sie setzte sich’s in den Kopf, mich zu lancieren. Ich glaube, eins meiner Bilder hatte damals gerade grossen Erfolg gehabt, wenigstens hatte die Tagespresse sich darüber verbreitet, und das ist ja des neunzehnten Jahrhunderts Massstab für Unsterblichkeit. Plötzlich fand ich mich dem jungen Mann gegenüber, dessen Persönlichkeit mich so seltsam aufgewühlt hatte. Wir waren ganz nahe, berührten uns fast. Unsere Blicke begegneten sich wieder. Es war verwegen von mir, aber ich bat Lady Brandon um seine Bekanntschaft. Vielleicht war es im Grunde doch nicht ganz so verwegen. Es war einfach unvermeidlich. Wir hätten auch ohne Vorstellung miteinander gesprochen. Dessen bin ich gewiss. Dorian hat mir später dasselbe gesagt. Er fühlte auch, dass es uns bestimmt war, einander zu kennen.“

      „Und wie hat Lady Brandon diesen wundervollen jungen Mann beschrieben?“ fragte Lord Henry. „Ich weiss, sie hat die Gewohnheit, einen kurzen Abriss aller ihrer Gäste zu geben. Ich erinnere mich, dass sie mich einmal zu einem über und über mit Orden und Bändern bedeckten alten Herrn mit jähzornigem, rotem Gesicht brachte und mir dabei in einem tragischen Flüsterton, der jedem Menschen im Zimmer vollkommen vernehmlich gewesen sein muss, die verblüffendsten Einzelheiten ins Ohr zischte. Ich bin einfach geflohen. Es macht mir Spass, Menschen selbst zu entdecken. Aber Lady Brandon geht mit ihren Gästen geradeso um wie ein Auktionator mit seinen Waren. Entweder sie preist sie so an, dass man nichts mehr von ihnen wissen will, oder sie erzählt einem alles von ihnen mit Ausnahme dessen, was man gerade erfahren möchte.“

      „Arme Lady Brandon! Du bist hart gegen sie, Harry“, sagte Hallward zerstreut.

      „Mein lieber Freund, sie hat versucht, einen Salon zu gründen, und nur fertig gebracht, ein Restaurant zu eröffnen. Wie könnte ich sie bewundern? Aber sag’ mir, was hat sie über Dorian Gray zum besten gegeben?“

      „Oh, etwas wie ,reizender Junge — seine liebe Mutter und ich ganz unzertrennlich. — Vergesse, was er treibt — ich fürchte — gar nichts — o ja, spielt Klavier — oder ist’s die Geige, lieber Herr Gray?‘ Keiner von uns konnte sich des Lachens enthalten, und so wurden wir gleich Freunde.“

      „Lachen ist kein schlechter Anfang für eine Freundschaft und weitaus das beste Ende“, sagte der junge Lord und pflückte noch ein Gänseblümchen.

      Hallward schüttelte den Kopf. „Du verstehst nicht, was Freundschaft ist, Harry,“ murmelte er — „übrigens ebensowenig, was Feindschaft ist. Du hast jeden gern, das heisst, es ist dir jeder gleichgültig.“

      „Wie abscheulich ungerecht von dir!“ rief Lord Henry und warf seinen Hut zurück, indes seine Augen den kleinen Wolken folgten, die wie verwirrte Strähnen glänzender weisser Seide über das Türkisblau des Sommerhimmels glitten. „Ja; abscheulich ungerecht von dir. Ich mache einen grossen Unterschied zwischen Menschen. Ich wähle meine Freunde nach ihrer Schönheit, meine Bekannten nach ihrem Charakter und meine Feinde nach ihrem Verstand. Man kann nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner Feinde sein. Ich habe nicht einen Dummkopf darunter. Es sind lauter Männer von einigem geistigen Vermögen, und daher schätzen sie mich alle. Ist das sehr eitel von mir? Ich glaube fast, es ist hübsch eitel.“

      „Ich sollte meinen, Harry. Aber deiner Einteilung nach müsste ich ein blosser Bekannter sein.“

      „Mein lieber alter Basil, du bist viel mehr als ein Bekannter.“

      „Und viel weniger als ein Freund. Wohl eine Art Bruder?“

      „Ach, Brüder! Ich mache mir nichts aus Brüdern. Mein älterer Bruder will durchaus nicht sterben, und meine jüngeren Brüder tun anscheinend nie etwas anderes.“

      „Harry!“ rief Hallward stirnrunzelnd.

      „Mein lieber Junge, ich scherze ja. Aber ich kann nichts dafür, dass ich meine Verwandten nicht ausstehen kann. Ich vermute, es kommt daher, dass keiner von uns es erträgt, wenn andere Leute dieselben Fehler haben wie wir. Ich hege vollste Sympathie für die Empörung der englischen Demokratie gegen das, was sie die Laster der Oberklassen nennt. Die Massen fühlen, dass Trunkenheit, Dummheit und Unmoral etwas sind, was ihnen allein vorbehalten sein sollte, und dass jeder von uns, der sich wie ein Esel aufführt, auf ihren Jagdgründen wildert. Als der arme Southwark seinen Scheidungsskandal hatte, war ihre Entrüstung geradezu grossartig. Und doch glaube ich nicht, dass auch nur zehn Prozent von den Proletariern einen sittlichen Lebenswandel führen.“

      „Ich unterschreibe nicht ein Wort von dem, was du gesagt hast, Harry, und ich wette, du tust es auch nicht.“

      Lord Henry streichelte seinen kleinen, braunen Spitzbart und klopfte mit seinem Ebenholzstock auf die Spitzen seiner Lackschuhe. „Wie englisch du bist, Basil! Das ist glücklich das zweitemal, dass du diese Bemerkung machst. Unterbreitet man einem echten Engländer einen Gedanken — immer eine gewagte Sache — so fällt es ihm gar nicht ein, zu prüfen, ob der Gedanke falsch oder richtig ist. Das einzige, worauf es ihm ankommt, ist, ob man selbst an ihn glaubt. Nun hat aber der Wert eines Gedankens nicht das mindeste zu tun mit der Aufrichtigkeit des Mannes, der ihm Ausdruck verleiht. Wahrscheinlich wird sogar der Gedanke um so geistig reiner sein, je unaufrichtiger der Mann ist, da er in diesem Fall weder von seinen Wünschen, noch von seinen Begierden, noch von seinen Vorurteilen gefärbt sein wird. Jedoch habe ich nicht vor, Politik, Soziologie oder Metaphysik mit dir zu erörtern. Ich habe Menschen lieber als Grundsätze, und am liebsten habe ich Menschen ohne Grundsätze. Erzähle mir mehr von Herrn Dorian Gray. Wie oft siehst du ihn?“

      „Jeden Tag. Ich kann es nicht aushalten, wenn ich ihn nicht täglich sehe. Er ist mir einfach unentbehrlich.“

      „Wie merkwürdig! Ich dachte, du würdest dich nie um etwas anderes als deine Kunst kümmern.“

      „Er ist mir meine ganze Kunst,“ sagte der Maler ernst. „Ich denke manchmal, Harry, es gibt nur zwei wichtige Epochen in der Weltgeschichte. Die erste ist das Auftreten eines neuen Kunstmittels

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