Der neue Dr. Laurin Staffel 1 – Arztroman. Viola Maybach
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der neue Dr. Laurin Staffel 1 – Arztroman - Viola Maybach страница 5
Jemand schob sich auf den Barhocker neben ihm. Wie üblich hatte er sich an den Tresen gesetzt, bloß keinen Umstand beim Trinken machen! Je schneller sich sein Hirn vernebelte, desto besser.
»Mir auch ein Bier«, hörte Marco. Ohne den Kopf zu wenden, wusste er, wer sich neben ihn gesetzt hatte: Tom Fröbel. Der hatte ihm gerade noch gefehlt! Tom war auch mal in Eva verliebt gewesen, aber Eva hatte ihn abblitzen lassen, sie mochte Tom nicht. Marco mochte ihn auch nicht. Tom war ein Aufschneider, außerdem war er gewalttätig. Mit solchen Leuten hatte er nicht gern zu tun.
»Also hat sie dich jetzt auch sitzen lassen«, sagte Tom.
Marco biss die Zähne zusammen. Bloß nicht provozieren lassen, dachte er. Er hielt es für das Beste, überhaupt nicht zu antworten.
»Bist du taub?«, fragte Tom.
»Keine Lust auf Unterhaltung«, erwiderte Marco.
Aber natürlich ließ Tom nicht locker. »Eva ist eine Schlampe«, sagte er. »Das war sie schon immer. Erst macht sie dich heiß, dann zeigt sie dir die kalte Schulter. Verdammte Weiber.«
Marco merkte, dass er unwillkürlich die Fäuste ballte, aber natürlich wusste er, dass Tom es nur darauf anlegte, ihn aus der Reserve zu locken. Tom prügelte sich gern, dafür war er bekannt. Er bekam zu Hause Prügel von seinem Alten, und den Frust darüber musste er dann woanders loswerden.
»Hör auf, über Eva zu reden«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ich kann reden, über wen ich will. Und über Eva schon sowieso. Andere reden auch über sie, und sie sagen genau das Gleiche wie ich.«
»Gut, dann geh zu den anderen und rede mit denen über sie, aber nicht mit mir. Lass mich einfach in Ruhe, in Ordnung?«
»Ich kann sitzen und trinken, wo ich will. Und ich kann auch sagen, was ich will. Du hast mir überhaupt nichts zu befehlen.«
Marco legte einen Geldschein auf den Tresen und winkte dem Mann am Zapfhahn. Wenn Tom nicht ging, würde eben er selbst gehen.
Er bekam sein Wechselgeld, ließ einen Euro liegen und rutschte von seinem Barhocker. Ohne ein weiteres Wort bahnte er sich seinen Weg zur Tür. Bloß weg hier!
Aber als er draußen auf der Straße stand, war Tom wieder neben ihm. »Ich hab gehört, du weinst der Schlampe nach?« Seine Stimme war höhnisch. »Das hat sie überhaupt nicht verdient, die Eva. Je eher du sie vergisst, desto besser.«
Die klare Luft traf Marco nach dem alkoholgeschwängerten Dunst in der Kneipe wie ein Keulenschlag. Anders konnte er sich hinterher nicht erklären, wieso seine Faust nach vorn geschossen war, mitten in Toms höhnisches Gesicht hinein. Es krachte, Tom schrie auf und taumelte.
Marco drehte sich um und ging. Endlich fühlte er sich besser.
*
Um Mitternacht war es endlich ruhig in der Notaufnahme der Kayser-Klinik.
Eckart Sternberg und sein Assistent Michael Hillenberg freuten sich über dieses unerwartete Geschenk, denn bis dahin hatten sie mehr als genug zu tun gehabt: zwei Verkehrsunfälle, eine Prügelei, ein häuslicher Sturz von einer Leiter, Verbrennungen, Prellungen, ein gebrochener Arm, ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt. Nicht eine Minute Pause hatten sie sich gönnen können – bis jetzt. Auch Schwester Marie war zufrieden, bedeutete die Ruhe doch, dass sie sich besser um die Patientinnen und Patienten kümmern konnte, die die Nacht über in der Notaufnahme bleiben würden.
Nur Robert Semmler, der junge Pfleger, der ebenfalls Dienst hatte, langweilte sich. Ihm war es lieber, wenn er zu tun hatte. Robert war wegen seines heiteren Gemüts allgemein sehr beliebt. Zum Glück war er aber auch sehr fit in medizinischen Belangen. Marie arbeitete gern mit ihm zusammen. Robert hatte immer einen Scherz auf den Lippen, das half, besonders, wenn die Arbeit hart war.
Die Ruhe war bald wieder vorüber. Kurz nach Mitternacht wurde eine hochschwangere Frau eingeliefert, die vor Schmerzen schrie und deren nervöser Ehemann so aussah, als bräche er jeden Moment zusammen. »Meine Frau erwartet Zwillinge!«, rief er. »Es ist zwei Wochen zu früh, aber sie hat schon Wehen. Wo ist Herr Dr. Laurin? Bei ihm ist meine Frau in Behandlung, Herr Dr. Laurin muss kommen!«
Eckart Sternberg versuchte, den Mann zu beruhigen, während Michael sich um die schwangere Frau kümmerte, doch die schrie weiter, und die Aufregung des Mannes nahm eher noch zu. Da gleich darauf ein schwer verletztes junges Paar eingeliefert wurde, das von einem zu schnell fahrenden Motorradfahrer angefahren worden war und die ganze Aufmerksamkeit der beiden Ärzte beanspruchte, rief Eckart seinen Chef an. Wie üblich meldete sich Leon bereits nach dem zweiten Klingeln.
»Frau Müthen hat schon Wehen?«, rief er. »Ach, du liebe Güte. Ich bin gleich da, Eckart!«
Eckart Sternberg atmete erleichtert auf. Wie oft hatte er Leon schon als ›verrückt‹ bezeichnet, weil er sich so für seine Patientinnen und Patienten aufrieb, dabei war er selbst nicht anders – und in Situationen wie dieser war er einfach nur dankbar dafür, dass der Klinikchef nicht lange zögerte, sondern sich einfach auf den Weg machte. An einem großen Krankenhaus ging es sicherlich ganz anders zu.
Keine Viertelstunde später war Leon Laurin zur Stelle. »Frau Müthen, was machen Sie für Geschichten? Ich glaube, Sie haben Ihre Zwillinge nicht im Griff. Sagen Sie denen mal, dass sie jetzt Ruhe geben sollen. Und Sie, Herr Müthen, ziehen sich jetzt bitte einen Kaffee am Automaten und machen einen kleinen Spaziergang draußen durch den Park. Geben Sie uns eine halbe Stunde!«
Eckart Sternberg bekam das nur noch am Rande mit, aber ihn wunderte nicht, dass es seinem Chef innerhalb kürzester Zeit gelang, nicht nur die Patientin zu beruhigen, sondern auch deren Ehemann. Es war ein Phänomen, das er schon öfter hatte beobachten können. Er war selbst ein ausgezeichneter Arzt, das wusste er, aber diese Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, die Leon auszeichnete, besaß er nicht, darüber machte er sich keinerlei Illusionen: Er war viel zurückhaltender, konnte nicht so gut aus sich herausgehen. Und ihm fehlte auch Leons Lockerheit. Aber er haderte nicht damit. Die Talente waren nun einmal ungleich verteilt, er fand das in Ordnung so.
Robert Semmler kam herein. »Der Chef meint, es dauert noch bei Frau Müthen, Marie hilft ihm, deshalb kann ich mich hier nützlich machen.«
»Dann legen Sie der Patientin bitte eine Infusion mit Kochsalz an, während wir den jungen Mann für die OP vorbereiten«, bat Eckart.
Robert nickte nur und machte sich an die Arbeit.
Es war wieder ruhig in der Notaufnahme, seit Flora Müthen aufgehört hatte zu schreien.
*
Antonia war aufgestanden und hatte sich in der Küche Milch warm gemacht. Wie oft schon war sie mit Leon aus dem Schlaf gerissen worden und hatte hinterher nicht wieder einschlafen können? All die Notfälle in den vergangenen Jahren … Sie hatte das ja schon von ihrem Vater gekannt, aber es war noch einmal etwas anderes, wenn der eigene Ehemann nachts angerufen wurde, damit er in der Klinik ein Leben rettete. Oder auch mehrere.
Sie saß am Küchentisch und trank die Milch, in die sie einen Esslöffel Honig gegeben hatte, als Kevin auftauchte. Er sah nicht einmal verschlafen aus, sondern eher so, als hätte er bis jetzt heimlich unter der Bettdecke gelesen. Das machte er oft, wie sie wusste.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte sie.
»Doch,