Nathan der Weise. Gotthold Ephraim Lessing

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Nathan der Weise - Gotthold Ephraim Lessing

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mich zu sehn.

      Daja. So seid Ihr nun!

      Wenn Ihr nur schenken könnt! Nur schenken könnt!

      Nathan. Nimm du so gern, als ich dir geb’: —

      Und schweig!

      Daja. Und schweig! Wer zweifelt, Nathan, Daß Ihr nicht die Ehrlichkeit, die Großmut selber Seid? Und doch . . .

      Nathan. Doch bin ich nur ein Jude. —

      Gelt, das willst du sagen?

      Daja. Was ich sagen will,

      Das wißt Ihr besser.

      Nathan. Nun so schweig!

      Daja. Ich schweige.

      Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht,

      Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, —

      Nicht kann, — komm’ über Euch!

      Nathan. Komm über mich! —

      Wo aber ist sie denn? Wo bleibt sie? — Daja,

      Wenn du mich hintergehst! — Weiß sie es denn,

      Daß ich gekommen bin?

      Daja. Das frag’ ich Euch!

      Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve.

      Noch malet Feuer ihre Phantasie

      Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht,

      Im Wachen schläft ihr Geist: bald weniger

      Als Tier, bald mehr als Engel.

      Nathan. Armes Kind!

      Was sind wir Menschen!

      Daja. Diesen Morgen lag

      Sie lange mit verschlossnem Aug’, und war

      Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: ,,Horch, horch!

      Da kommen die Kamele meines Vaters!

      Horch! Seine sanfte Stimme selbst!“ — Indem

      Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt,

      Dem seines Armes Stütze sich entzog,

      Stürzt’ auf das Kissen. — Ich, zur Pfort’ hinaus!

      Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! Kommt Ihr Wahrlich!

      Was Wunder! Ihre ganze Seele war

      Die Zeit her nur bei Euch — und ihm.

      Nathan. Bei ihm?

      Bei welchem Ihm?

      Daja. Bei ihm, der aus dem Feuer

      Sie rettete.

      Nathan. Wer war das? Wer? — Wo ist er?

      Wer rettete mir meine Recha? Wer?

      Daja. Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht,

      Und Saladin begnadigt hatte.

      Nathan. Wie?

      Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin

      Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder

      War Recha nicht zu retten? Gott!

      Daja. Ohn’ ihn,

      Der seinen unvermuteten Gewinnst

      Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.

      Nathan. WOist er, Daja, dieser edle Mann?

      Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.

      Ihr gabt ihm doch für’s erste, was an Schätzen

      Ich euch gelassen hatte? Gabt ihm alles?

      Verspracht ihm mehr? Weit mehr?

      Daja. Wie konnten wir?

      Nathan. Nicht? Nicht?

      Daja. Er kam, und niemand weiß woher.

      Er ging, und niemand weiß wohin. — Ohn’ alle

      Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr

      Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,

      Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,

      Die uns um Hülfe rief. Schon hielten wir

      Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme

      Mit eins er vor uns stand, im starken Arm

      Empor sie tragend. Kalt und ungerührt

      Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute

      Er nieder, drängt sich unters Volk und ist —

      Verschwunden!

      Nathan. Nicht auf immer, will ich hoffen.

      Daja. Nachher die ersten Tage sahen wir

      Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,

      Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.

      Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,

      Erhob, entbot, beschwor, — nur einmal noch

      Die fromme Kreatur zu sehen, die

      Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank

      Zu seinen Füßen ausgeweinet.

      Nathan. Nun?

      Daja. Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub;

      Und goß so bittern Spott auf mich besonders . . .

      Nathan. Bis dadurch abgeschreckt . . .

      Daja. Nichts weniger!

      Ich trat ihn jeden Tag von neuem an;

      Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.

      Was litt ich nicht von ihm! Was hätt’ ich nicht

      Noch gern ertragen! — Aber lange schon

      Kommt

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