Die Templer im Schatten 2: Blutregen. Stefan Burban
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Christian durchschaute allerdings die Maske, die sein Freund trug, und blickte tiefer. Wie viele andere auch war Karl nicht freiwillig Vampir geworden. Seine Verwandlung war ein Gewaltakt von Frederick DiSalvatino gewesen, der Heinrich lediglich etwas hatte beweisen wollen.
Christian drehte sich um, lehnte sich mit beiden Unterarmen schwer auf das Fensterbrett und sah hinaus auf das leicht aufgewühlte Meer. Er überlegte, was er seinem langjährigen Freund darauf antworten sollte, als ihm etwas am Horizont auffiel.
Er kniff die Augen zusammen. Ein kurzer Lichtschein erschien, nur um nach einer oder zwei Sekunden wieder zu verschwinden. Christian deutete in die Ferne. »Siehst du das auch?«
Karl kam näher und folgte dem Wink. Er wirkte im ersten Augenblick verwirrt, doch dann sah auch er den fernen Lichtschein.
»Ist das ein Schiff?«
»Ja«, erwiderte Christian. »Es hält sich dicht hinter dem Horizont, um nicht gesehen zu werden. Die Wellen heben ab und zu den Mast an. Was wir dort sehen, ist vermutlich eine Lampe im Krähennest. Ich glaube, wir werden verfolgt.«
Karl schürzte die Lippen. »Das kann auch nur Zufall sein. Wir befinden uns auf einer viel befahrenen Handelsstraße.«
Christian dachte einen Augenblick über Karls Worte nach. Es war viel Wahres in ihnen enthalten. Trotzdem durfte er kein Risiko eingehen. Nicht angesichts der heiklen Mission, auf der sie sich befanden.
»Ich gebe dennoch Moreau Bescheid. Er soll dieses Schiff im Auge behalten. Wenn es uns weiterhin folgt, dann ist das ein Grund zu großer Besorgnis.«
»Wie du meinst«, erwiderte Karl wenig überzeugt.
Christian drängte sich an seinen Männern vorbei und begab sich eilig an Deck. Der Wind frischte merklich auf. Bereits mit dem ersten Schritt erkannte er, dass etwas nicht stimmte. Das Deck war merkwürdig leer. Nur wenige Besatzungsmitglieder waren zu sehen. Zwei von ihnen lehnten sich an den Hauptmast und schienen sich zu unterhalten. Sein Blick glitt nach oben. Der Ausguck war besetzt. Oberflächlich betrachtet, gab es keinen Grund für Misstrauen. Dennoch mahnten ihn seine inneren Alarmglocken zur Vorsicht. Irgendetwas war definitiv faul.
Moreau stand auf dem Achterdeck am Ruder. Christian lockerte sein Schwert in der Scheide und ging auf den Kapitän zu. Der Templer stieg die steilen Stufen zum Achterdeck hinauf. Beißender Geruch stieg ihm in die Nase, den er nicht gleich einzuordnen wusste.
Je näher er Moreau kam, desto lauter schrillten die Alarmglocken in seinem Kopf. Christian streckte die Finger nach dem Kapitän aus und berührte diesen leicht an der Schulter. Der Körper des Mannes sackte zur Seite. Christian riss die Augen auf. Moreaus Kehle war durchgeschnitten. Der Mann war mittels eines Seils am Ruder festgebunden und das Ruder selbst mit einem zweiten Seil fixiert worden.
Außerdem war alles mit einer ekelhaft schmierigen Substanz überzogen. Sie klebte an seinen Fingern. Er roch daran. Es handelte sich um Öl.
Christian fluchte und sprang vom Achterdeck. Mit einem Satz war er bei den zwei Besatzungsmitgliedern am Hauptmast. Auch ihnen war die Kehle durchgeschnitten worden. Nur einige Seile hielten sie aufrecht, um den Eindruck zu vermitteln, sie würden stehen. Nun, da seine Sinne hellwach waren, erkannte er allerorts auf dem Schiff den unverwechselbaren metallischen Geruch nach Blut. Der Gestank des Öls hatte diesen übertüncht.
Christian fluchte. Der Feind verfolgte sie nicht. Er war längst hier. Und er hatte vor, sie alle abzufackeln. Der Templer hob die Hand und betätigte die Alarmglocke, deren heller Klang durch die Luft hallte.
»Templer an Deck!«, schrie er. »Wir werden geentert!«
Er hatte noch nicht ausgesprochen, als die Schatten lebendig zu werden schienen und vermummte Gestalten auf ihn zuströmten. Sie alle waren mit Messern oder Schwertern bewaffnet. Ihr Duft stieg Christian in die Nase. Es handelte sich unzweifelhaft um Menschen. Und ganz offensichtlich hatten sie keine Ahnung, mit wem sie sich anlegten. Sein Schwert glitt zischend aus der Scheide.
Zwei vermummte Gestalten stürzten sich auf ihn. Christians Nasenflügel blähten sich auf, als er den verführerischen Duft ihres Blutes auffing. Er knurrte. Menschen gegen Vampire in den Kampf zu schicken – genauso gut konnte man Lämmer zur Schlachtbank führen.
Christian musste sich nicht einmal groß anstrengen. Er wich dem ersten Hieb mit nur einem Bruchteil seiner verfügbaren Geschwindigkeit aus. Sein Schwert kam in einer geraden Linie hoch, wurde aber mit solcher Kraft geführt, dass sein Gegner praktisch in zwei Teile gespalten wurde.
Der unschöne Tod seines Kameraden ließ den zweiten Mann für einen Moment unsicher zögern. Es spielte keine Rolle. Sein Tod war so oder so beschlossene Sache. Christian holte mit der linken Faust aus und im nächsten Moment segelte der Körper seines Gegners in hohem Boden über die Reling und verschwand in den tosenden Fluten. Der Mann versank, ohne einen Laut von sich zu geben und ohne zu strampeln, unter den Wassermassen. Christians Schlag hatte ihm den Kiefer gebrochen und die Luftröhre eingedrückt.
Der Kampflärm lockte die anderen Templer an Deck. Die nächtlichen Angreifer sprangen sie mit blitzenden Klingen an, in der irrigen Annahme, sie hätten leichtes Spiel mit gerade aus dem Schlaf erwachten Soldaten. Als ihnen bewusst wurde, wie ihnen geschah, war es längst zu spät.
Karl durchstieß mit seiner Klinge den Hals eines Angreifers und brach einem zweiten den Schädelknochen, indem er diesem seinen im Helm steckenden Kopf gegen die Stirn rammte.
Die Vampirritter huschten über das Deck und metzelten nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Einer der Gegner nahm eine brennende Fackel und wollte sie auf das Deck werfen. Franz war zur Stelle, fing sie ab und warf sie über die Reling ins Meer. Matthew riss dem verhinderten Feuerteufel mit bloßen Händen den Kopf ab. Nur ein Funke, und das ganze Schiff würde in Flammen stehen. Unter Deck wieherten die Pferde, angestachelt durch Kampflärm und Blutgeruch.
Etwas zischte an Christian vorbei. Direkt neben seinem Fuß steckte ein immer noch zitternder Pfeil im Gebälk. Er hob den Blick. In diesem Moment prallte ein weiteres Geschoss von seinem Brustpanzer ab. Im Krähennest saß ein feindlicher Bogenschütze. Christian verfluchte sich selbst. Er hatte den Mann im ersten Moment übersehen, da der Geruch des toten Besatzungsmitglieds den Duft dieses frechen Kerls überdeckt hatte.
Ein weiterer Pfeil kam geflogen. Er verfehlte Christian nur um Haaresbreite und fügte ihm eine Schramme auf der rechten Wange zu. Die Wunde brannte für einige Sekunden, dann war sie auch schon wieder verheilt. Trotzdem ärgerte ihn der Pirat. Christian hob ein Schwert vom Deck auf, holte durch eine weite Bewegung Schwung und warf die Klinge in steilem Winkel nach oben. Ein erschrockener, schmerzerfüllter Ruf belohnte seine Bemühungen und der Bogenschütze fiel herab. Er prallte mit dumpfem Geräusch auf das Deck auf.
Es blieb ihm aber keine Zeit, sich auf seinem Erfolg auszuruhen. Pascal beugte sich über einen immer noch strampelnden Piraten und mit einem entschlossenen Ruck entblößte er dessen Hals. Pascal fletschte die Zähne und seine Reißzähne kamen zum Vorschein.
Christian reagierte blitzschnell. Er bewegte sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit zu seinem Waffenbruder und hielt diesen gerade noch rechtzeitig davon ab, seine Hauer in das weiche Fleisch seines Opfers zu versenken.
Pascal sah stirnrunzelnd und mit deutlicher Verärgerung auf. Christian musterte diesen ebenso unnachgiebig. »Du kennst die Regeln«, erklärte er ihm. »Wir trinken nicht von Menschen.«
»Das