Religionsunterricht. Группа авторов

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Religionsunterricht - Группа авторов Theologisch-praktische Quartalschrift

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gut ist und alles, was ist und zu etwas gut sein kann, aus Güte heraus geschaffen hat.

      Wenn im Religionsunterricht dieser Gott zur Sprache kommt, kann die Schule zum Ort einer radikalen Differenzerfahrung werden. Alle anderen Fächer stellen endliche oder – theologisch gesprochen – geschaffene Wirklichkeit in den Vordergrund. Auch diese können zu Differenzerfahrungen führen oder zu Unterbrechungen des Alltags und zur Infragestellung vorherrschender Betrachtungsweisen. Im christlichen Religionsunterricht kann jedoch etwas Radikaleres geschehen, wenn sich in ihm nämlich eine Dimension eröffnet, die allem Endlichen „vorausgeht“ und dieses zugleich übersteigt und erhält. Der Religionsunterricht kann so Transzendenzerfahrungen ermöglichen – zumindest im Denken, d. h. in dem Gedanken, dass, was auch immer ist, aus dem Nichts von einem liebenden und dem Menschen zugewandten Gott geschaffen wurde.

      Gehört es nicht zu einem gebildeten Menschen, dass er sich mit diesem Gedanken auseinandersetzt und dabei seine innere Logik und Konsequenzen bedenkt – nicht zuletzt, weil die Kultur, in der sich dieser Mensch vorfindet, zutiefst von dem Glauben an den biblischen Gott geprägt ist und weil man viele Herausforderungen und Konflikte im religiösen und weltanschaulichen Bereich oder im Spannungsfeld von Religion und Politik nicht verstehen kann, ohne eine Ahnung von der Erschütterung – des Menschen, des Alltags, aller vorgegebenen Horizonte – zu haben, die mit dem Glauben an einen Gott, der alles, was ist, ins Sein gerufen hat, verbunden ist? Diese Auseinandersetzung setzt zunächst kein persönliches Bekenntnis auf Seiten der Schülerinnen und Schüler voraus.

      Ob man persönlich an Gott glaubt oder nicht, so bleibt dieser Gedanke eine gewaltige Provokation. Doch wo ein Bekenntnis erfolgt, wo also dem Gedanken, dass es einen Gott gibt, der als Schöpfer der Welt gegenübersteht, Wahrheit zugesprochen wird, zeigt sich zugleich eine Quelle von Orientierung und Sinn für das eigene Leben.

      Angesichts eines solchen Gottes verliert der Mensch allerdings nicht, wie man zunächst denken könnte, seine Freiheit. Im Gegenteil erfährt der Mensch sich von diesem Gott her als frei. Zum einen, weil Gott den Menschen als ein freies Gegenüber geschaffen und gewollt hat. Gott will keine Geschöpfe, die ihn sklavisch, also unter Zwang verehren, sondern er will mit dem Menschen in einen Dialog treten und mit ihm eine Geschichte, ja, nach biblischem Zeugnis eine Liebesgeschichte anfangen. Zum anderen aber auch deshalb, weil dieser Glaube den Menschen von falschen, ihn versklavenden Idolen und Götzen befreit. Dass gerade an diesen Idolen auch heute, in einer durchrationalisierten und nüchternen Welt kein Mangel ist, ist kein Geheimnis. Denn wo Gott tot ist, glaubt der Mensch zumeist nicht gar nicht; es tritt nämlich anderes, bloß Endliches an die Stelle Gottes und kann den Menschen verstricken und ihm seine Freiheit nehmen – und sei es die Vernunft selbst, die im Rahmen einer „Dialektik der Aufklärung“ (Adorno/Horkheimer) auch zur Unvernunft werden kann. Nun – im Zeitalter des Todes Gottes – verspricht beispielsweise die Wirtschaft Heil und Erlösung – oder die Wissenschaft, die Technik, die Politik, die Macht oder auch das Selbst des Menschen, das sich, um immer göttlicher zu werden, immer weiter optimieren muss.

      Im Lichte des christlichen Glaubens an Gott zerbrechen diese Idole, die die Gegenwart bestimmen, die insbesondere auch für junge Menschen belastend und einengend sein können und die ihre Heilsversprechen nie einlösen. Alles, was ist, wird nämlich durch den Gedanken eines Gottes, der als Schöpfer der Welt gegenübersteht, eingeklammert: Wie auch immer es verstanden wird, es ist nie das Ganze, und kein einzelner Teil von ihm, und sei dieser noch so groß und umfassend, kann Quelle eines letzten Sinns sein. Diese Botschaft eines ganz anderen Gottes ist antitotalitär und gerade dadurch auch für einen weltanschaulich neutralen Staat und für eine Gesellschaft, die ansonsten die Gottesfrage marginalisiert, von Bedeutung. Denn Staat und Gesellschaft bedürfen jener Menschen, die der verbreiteten Gefahr einer Absolutsetzung des bloß Endlichen widerstehen, die Einspruch erheben und, wo es notwendig wird, Widerstand leisten, wenn etwas bloß Endliches absolut gesetzt wird und dadurch der Mensch in seiner Freiheit – und auch Würde – beschränkt wird, und in denen die Kraft der Prophetie, die Hoffnung auf nicht nur irdische Gerechtigkeit und eine aus dem Geschenk der Schöpfung sich ergebende Verantwortung für andere Menschen und die Natur lebendig sind.

      Der Religionsunterricht garantiert als reflektierte Form der Rechenschaft über den christlichen Glauben genauso wenig wie andere Formen kirchlichen Lebens, dass es solche Menschen gibt. Das zu erwarten, würde bedeuten, dieses Fach wie auch die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler zu überfordern. Vielleicht müsste man sogar selbstkritisch anerkennen, dass der faktische Religionsunterricht von diesem Ideal oft weit entfernt ist. Aber trotzdem ist es wichtig, mit dem Religionsunterricht einen „Ort“ offen zu halten, an dem sich in der Begegnung mit Gott und der Gottesfrage jene beunruhigende, den alltäglichen Horizont durchbrechende Differenz ereignen kann, auf die gerade die spätmoderne Welt angewiesen bleibt, um der allzu menschlichen Verführung, selber Götter und Idole zu schaffen, entgehen zu können.

      4 Sendung, Vorbild und Zeuge

      Der Religionsunterricht ist thematisch äußerst facettenreich. Doch steht hinter allen Themen gleichsam wie ein Wasserzeichen die befreiende Botschaft eines liebenden Gottes, welcher der ganz Andere zur Welt ist und sich in dieser Andersheit zugleich radikal auf die Welt eingelassen hat und in der Welt gegenwärtig ist. Diese Botschaft kann, um wirklich befreiend zu sein, keine abstrakte Lehre sein, die von außen als Theorie vorgetragen wird. Die Logik des Funktionalismus wird von einem solchen bloß dozierten Gott nicht durchbrochen. Radikal in Frage gestellt wird sie jedoch dann, wenn sich Gott in einem erfahrenen Sprechen von ihm, das von einem prinzipiellen Bekenntnis zu ihm und von einem Verhältnis mit ihm getragen ist, als der ganz Andere, der auf keinen Begriff gebracht werden kann, als der Fremde, der alle Idole, die Menschen sich machen, in Frage stellt, und als der zugleich ganz Nahe, der im und beim Menschen wohnt und ihn anspricht und herausfordert, zeigt.

      Aus diesem Grund ist das persönliche Bekenntnis der Lehrerinnen und Lehrer unverzichtbar. Denn sie sind Zeugen (übrigens sollten sie auch in anderen Fächern „Zeugen“ sein, die persönlich für etwas eintreten und aus eigenen Erfahrungen heraus von etwas sprechen – denn ohne eine Pädagogik der Liebe, Leidenschaft und Begeisterung wäre der Unterricht ein sehr zähes und rein äußerlich-technisches Vermittlungsgeschäft). Sie stehen für etwas ein und können darin Vorbild für die Schülerinnen und Schüler sein, die selbst religiös sind oder von einer religiösen Sehnsucht erfasst sind. In dieser Vorbildlichkeit können sie den Schülerinnen und Schülern helfen, selbst eine religiöse Haltung zu entwickeln und weiterzuentwickeln. Auch hier zeigt sich die Herausforderung der res mixta als Chance und Potenzial.

      Zugleich ist die Begegnung mit solchen Lehrerinnen und Lehrern und mit der Gottesfrage auch für Schülerinnen und Schüler wichtig, die selbst nicht religiös sind oder sich als religiös nicht musikalisch verstehen (manchmal entscheiden sich diese ja auch für den konfessionellen Religionsunterricht oder sie begegnen den Religionslehrerinnen und -lehrern in anderen Fächern), und zwar nicht nur als Einübung in die Praxis der Religionsfreiheit – die ihnen gewährt wird und die sie wiederum anderen zusprechen. Denn gerade wer Atheist oder religiös indifferent ist, sollte, um seinen Atheismus oder seine Gleichgültigkeit zu verstehen und so intellektuell redlich und nicht nur aus Mode, geistiger Faulheit oder Protest nicht an Gott zu glauben oder ihm gleichgültig gegenüber zu stehen, sich mit jenem Gott auseinandersetzen, den er leugnet oder dem er mit Desinteresse begegnet, um zu verstehen, an wen er – aus vielleicht sehr guten Gründen – nicht glaubt und was dies bedeutet. Dabei mag er mit einer Sehnsucht nach dem ganz Anderen konfrontiert werden, die ihn dazu führen könnte, die eigenen Überzeugungen kritisch zu hinterfragen. Zumindest aber müsste er in einem Religionsunterricht, der sich auch als inhaltlich anspruchsvolles Fach versteht (was faktisch nicht immer in gleichem Maße garantiert ist), dazu befähigt werden, anzuerkennen, dass der Glaube an Gott nicht unvernünftig oder unplausibel ist. Es sprechen gute Gründe für diesen Glauben, denen man freilich – weil der Glaube ein Freiheitsgeschehen ist – nicht folgen muss.

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