Die Traumdeutung. Sigmund Freud

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Die Traumdeutung - Sigmund Freud

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Maße, in dem die gewollten Tätigkeiten sich erschwert zeigen, ungewollte Vorstellungen hervortreten, die alle in die Klasse der Bilder gehören. Die Unfähigkeit zu solcher Vorstellungsarbeit, die wir als absichtlich gewollte empfinden, und das mit dieser Zerstreuung regelmäßig verknüpfte Hervortreten von Bildern, dies sind zwei Charaktere, die dem Traum verbleiben und die wir bei der psychologischen Analyse desselben als wesentliche Charaktere des Traumlebens anerkennen müssen. Von den Bildern – den hypnagogischen Halluzinationen – haben wir erfahren, dass sie selbst dem Inhalt nach mit den Traumbildern identisch sind.

      Der Traum denkt also vorwiegend in visuellen Bildern, aber doch nicht ausschließlich. Er arbeitet auch mit Gehörsbildern und in geringerem Ausmaße mit den Eindrücken der anderen Sinne. Vieles wird auch im Traum einfach gedacht oder vorgestellt (wahrscheinlich also durch Wortvorstellungsreste vertreten), ganz wie sonst im Wachen. Charakteristisch für den Traum sind aber doch nur jene Inhaltselemente, welche sich wie Bilder verhalten, d. h. den Wahrnehmungen ähnlicher sind als den Erinnerungsvorstellungen. Mit Hinwegsetzung über alle die dem Psychiater wohlbekannten Diskussionen über das Wesen der Halluzination können wir mit allen sachkundigen Autoren aussagen, dass der Traum halluziniert, dass er Gedanken durch Halluzinationen ersetzt. In dieser Hinsicht besteht kein Unterschied zwischen visuellen und akustischen Vorstellungen; es ist bemerkt worden, dass die Erinnerung an eine Tonfolge, mit der man einschläft, sich beim Versinken in den Schlaf in die Halluzination derselben Melodie verwandelt, um beim Zusichkommen, das mit dem Einnicken mehrmals abwechseln kann, wieder der leiseren und qualitativ anders gearteten Erinnerungsvorstellung Platz zu machen.

      Die Verwandlung der Vorstellung in Halluzination ist nicht die einzige Abweichung des Traumes von einem etwa ihm entsprechenden Wachgedanken. Aus diesen Bildern gestaltet der Traum eine Situation, er stellt etwas als gegenwärtig dar, er dramatisiert eine Idee, wie Spitta (1882, 145) sich ausdrückt. Die Charakteristik dieser Seite des Traumlebens wird aber erst vollständig, wenn man hinzunimmt, dass man beim Träumen – in der Regel, die Ausnahmen fordern eine besondere Aufklärung – nicht zu denken, sondern zu erleben vermeint, die Halluzinationen also mit vollem Glauben aufnimmt. Die Kritik, man habe nichts erlebt, sondern nur in eigentümlicher Form gedacht – geträumt –, regt sich erst beim Erwachen. Dieser Charakter scheidet den echten Schlaftraum von der Tagträumerei, die niemals mit der Realität verwechselt wird.

      Burdach hat die bisher betrachteten Charaktere des Traumlebens in folgenden Sätzen zusammengefasst (1838, 502 f.): »Zu den wesentlichen Merkmalen des Traumes gehört a) dass die subjektive Tätigkeit unserer Seele als objektiv erscheint, indem das Wahrnehmungsvermögen die Produkte der Phantasie so auffasst, als ob es sinnliche Rührungen wären;… b) der Schlaf ist eine Aufhebung der Eigenmächtigkeit. Daher gehört eine gewisse Passivität zum Einschlafen… Die Schlummerbilder werden durch den Nachlass der Eigenmächtigkeit bedingt.«

      Es handelt sich nun um den Versuch, die Gläubigkeit der Seele gegen die Traumhalluzinationen, die erst nach Einstellung einer gewissen eigenmächtigen Tätigkeit auftreten können, zu erklären. Strümpell (1877) führt aus, dass die Seele sich dabei korrekt und ihrem Mechanismus gemäß benimmt. Die Traumelemente sind keineswegs bloße Vorstellungen, sondern wahrhafte und wirkliche Erlebnisse der Seele, wie sie im Wachen durch Vermittlung der Sinne auftreten (S. 34). Während die Seele wachend in Wortbildern und in der Sprache vorstellt und denkt, stellt sie vor und denkt im Traum in wirklichen Empfindungsbildern (S. 35). Überdies kommt im Traum ein Raum-Bewusstsein hinzu, indem, wie im Wachen, Empfindungen und Bilder in einen äußeren Raum versetzt werden (S. 36). Man muss also zugestehen, dass sich die Seele im Traume ihren Bildern und Wahrnehmungen gegenüber in derselben Lage befindet wie im Wachen (S. 43). Wenn sie dabei dennoch irregeht, so rührt dies daher, dass ihr im Schlafzustand das Kriterium fehlt, welches allein zwischen von außen und von innen gegebenen Sinneswahrnehmungen unterscheiden kann. Sie kann ihre Bilder nicht den Proben unterziehen, welche allein deren objektive Realität erweisen. Sie vernachlässigt außerdem den Unterschied zwischen willkürlich vertauschbaren Bildern und anderen, wo diese Willkür wegfällt. Sie irrt, weil sie das Gesetz der Kausalität nicht auf den Inhalt ihres Traumes anwenden kann (S. 50–1). Kurz, ihre Abkehrung von der Außenwelt enthält auch den Grund für ihren Glauben an die subjektive Traumwelt.

      Zum selben Schlusse gelangt nach teilweise abweichenden psychologischen Entwicklungen Delboeuf (1885, 84). Wir schenken den Traumbildern den Realitätsglauben, weil wir im Schlafe keine anderen Eindrücke zum Vergleiche haben, weil wir von der Außenwelt abgelöst sind. Aber nicht etwa darum glauben wir an die Wahrheit unserer Halluzinationen, weil uns im Schlafe die Möglichkeit entzogen ist, Proben anzustellen. Der Traum kann uns alle diese Prüfungen vorspiegeln, uns etwa zeigen, dass wir die gesehene Rose berühren, und wir träumen dabei doch. Es gibt nach Delboeuf kein stichhaltiges Kriterium dafür, ob etwas ein Traum ist oder wache Wirklichkeit, außer – und dies nur in praktischer Allgemeinheit – der Tatsache des Erwachens. Ich erkläre alles für Täuschung, was zwischen Einschlafen und Erwachen erlebt worden ist, wenn ich durch das Erwachen merke, dass ich ausgekleidet in meinem Bette liege. Während des Schlafes habe ich die Traumbilder für wahr gehalten infolge der nicht einzuschläfernden Denkgewohnheit, eine Außenwelt anzunehmen, zu der ich mein Ich in Gegensatz bringe. Einen ähnlichen Versuch wie Delboeuf, die Traumtätigkeit zu erklären durch die Abänderung, welche eine abnorm eingeführte Bedingung an der sonst korrekten Funktion des intakten seelischen Apparats zur Folge haben muss, hat Haffner (1887, 243) unternommen, diese Bedingung aber in etwas anderen Worten beschrieben. Das erste Kennzeichen des Traums ist nach ihm die Ort- und Zeitlosigkeit, d. i. die Emanzipation der Vorstellung von der dem Individuum zukommenden Stelle in der örtlichen und zeitlichen Ordnung. Mit diesem verbindet sich der zweite Grundcharakter des Traums, die Verwechslung der Halluzinationen, Imaginationen und Phantasiekombinationen mit äußeren Wahrnehmungen. »Da die Gesamtheit der höheren Seelenkräfte, insbesondere Begriffsbildung, Urteil und Schlussfolgerung einerseits und die freie Selbstbestimmung anderseits, an die sinnlichen Phantasiebilder sich anschließen und diese jederzeit zur Unterlage haben, so nehmen auch diese Tätigkeiten an der Regellosigkeit der Traumvorstellungen teil. Sie nehmen teil, sagen wir, denn an und für sich ist unsere Urteilskraft, wie unsere Willenskraft, im Schlafe in keiner Weise alteriert. Wir sind der Tätigkeit nach ebenso scharfsinnig und ebenso frei wie im wachen Zustande. Der Mensch kann auch im Traume nicht gegen die Denkgesetze an sich verstoßen, d. h. nicht das ihm als entgegengesetzt sich Darstellende identisch setzen usw. Er kann auch im Traume nur das begehren, was er als ein Gutes sich vorstellt (sub ratione boni). Aber in dieser Anwendung der Gesetze des Denkens und Wollens wird der menschliche Geist im Traume irregeführt durch die Verwechslung einer Vorstellung mit einer anderen. So kommt es, dass wir im Traum die größten Widersprüche setzen und begehen, während wir anderseits die scharfsinnigsten Urteilsbildungen und die konsequentesten Schlussfolgerungen vollziehen, die tugendhaftesten und heiligsten Entschließungen fassen können. Mangel an Orientierung ist das ganze Geheimnis des Fluges, mit welchem unsere Phantasie im Traume sich bewegt, und Mangel an kritischer Reflexion, sowie an Verständigung mit anderen, ist die Hauptquelle der maßlosen Extravaganzen unserer Urteile wie unserer Hoffnungen und Wünsche im Traum.«.

      Wird so die Abwendung von der Außenwelt zu dem bestimmenden Moment für die Ausprägung der auffälligsten Charaktere des Traumlebens erhoben, so lohnt es sich, einige feinsinnige Bemerkungen des alten Burdach anzuführen, welche auf die Beziehung der schlafenden Seele zur Außenwelt Licht werfen und dazu angetan sind, vor einer Überschätzung der vorstehenden Ableitungen zurückzuhalten. »Der Schlaf erfolgt nur unter der Bedingung«, sagt Burdach, »dass die Seele nicht von Sinnesreizen angeregt wird, … aber es ist nicht sowohl der Mangel an Sinnesreizen die Bedingung des Schlafes, als vielmehr der Mangel an Interesse dafür. Man vergleiche hierzu das »désintérêt«, in dem Claparede (1905) den Mechanismus des Einschlafens findet.; mancher sinnliche Eindruck ist selbst notwendig, insofern er zur Beruhigung der Seele dient, wie denn der Müller nur dann schläft, wenn er das Klappern seiner Mühle hört, und der, welcher aus Vorsicht ein Nachtlicht zu brennen für nötig hält, im Dunkeln nicht einschlafen kann.«

      »Die Seele isoliert sich im Schlafe gegen die Außenwelt und zieht sich von der Peripherie … zurück … Indes ist der Zusammenhang

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