Werde besser!. Todd Davis
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Solange Sie nicht durch die richtige Brille schauen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …
• Sie sich in Ihrem Handeln auf unzutreffende Informationen stützen,
• Sie nicht die Ergebnisse erzielen, die Sie sich wünschen,
• Sie sich dämlich vorkommen, weil Sie erkennen müssen, dass Ihre Version der Wahrheit unvollständig und fehlerhaft ist.
Perfekt gekleidet und große Eile ausstrahlend kam Jon in mein Büro. Er leitete ein Team, das permanent unter Druck stand. Seine Leute mussten hohe Qualitätsziele erreichen und enge Fristen einhalten. Jon hatte den Ruf, sich über jeden und alles zu ärgern, was den Gang der Dinge verlangsamte. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel zu: Er war unzufrieden.
»Todd, hast du einen Augenblick?«, fragte er und schloss die Tür hinter sich. Dabei wusste er ganz genau, dass ich als Chief People Officer eine Politik der offenen Tür praktizierte.
»Natürlich«, erwiderte ich und bot ihm einen Platz an. Er zögerte einen Augenblick. Jon war es gewohnt, während des Sprechens ständig auf und ab zu gehen. Schließlich nickte er. Er setzte sich und sah aufgrund des plötzlichen Mangels an Bewegung noch gestresster aus.
»Worum geht es?«, half ich ihm auf die Sprünge. Jon rieb sich die Augen und ordnete seine Gedanken.
»Es ist wegen Isabel«, sagte er sichtlich frustriert. »Sie werkelt gemächlich vor sich hin und gefährdet damit unsere Deadline. Und das nicht zum ersten Mal!«
Isabel war Projektmanagerin und Jons Kollegin. Umsichtig, intelligent und mit einem Blick für die größeren Zusammenhänge war sie ein wertvolles und verlässliches Mitglied unseres Unternehmens. Zudem schien sie immun gegenüber Jons Dringlichkeitswahn zu sein.
»Ich verstehe. Wie kann ich helfen?«
»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon.« Ich bin nicht der Menschen-Typ.«
Bei Jons Erklärung, er sei kein »Menschen-Typ«, musste ich daran denken, dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Menschen um uns herum durch eine Brille sehen. Und wie das bei Brillen nun mal so ist, stellen sie die Wirklichkeit entweder viel schärfer oder aber ziemlich verzerrt dar. Ich weiß, warum ich diesen Vergleich hier bringe. Denn ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, als ich als Kind eine Brille bekam. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Zweitklässler zum ersten Mal eine Brille trug: Plötzlich konnte ich die Blätter an den Bäumen mehrerer Straßenblocks vor mir erkennen. Tausende weitere Details, die mir bislang komplett entgangen waren, wurden sichtbar. Auf einmal zeigte sich mir die ganze Welt in nie geahnter Klarheit.
Das Komische war, dass ich früher gar nichts vermisst hatte. Für mich hatte alles so ausgesehen, wie es aussehen sollte. Alles schien seine Richtigkeit zu haben. Kein Wunder, dass mir mein Kunstlehrer vorgeschlagen hatte, Buchhalter zu werden. Erst die Brille machte mir bewusst, was mir bislang alles entgangen war. Vielleicht denken Sie, ein paar zusätzliche Blätter an irgendwelchen Bäumen machen keinen großen Unterschied. Doch hier geht es um etwas wesentlich Grundsätzlicheres. Etwas, das der Philosoph Thomas Kuhn ganz wunderbar beschreibt: »Alle entscheidenden Durchbrüche gehen mit einem Bruch alter Denkweisen einher.« Oder anders ausgedrückt: Unsere Sicht der Dinge beeinflusst unser Denken und unser Fühlen. Das wirkt sich wiederum auf unser Tun und unsere Ergebnisse aus. Das zeigt auch die folgende Geschichte:
Vor etlichen Jahren beschloss ein Bekannter von mir, etwas für seine Figur zu tun und regelmäßig joggen zu gehen. Dieser Entschluss war für ihn aus zwei Gründen sehr wichtig: Erstens wollte er gesünder leben und zweitens wünschte er sich mehr Schwung und Energie, um für seine Familie da sein zu können. Zwei Tage lang hielt er durch. Doch am dritten Tag stolperte er und verstauchte sich das Sprunggelenk. Das war äußert schmerzvoll. An Joggen war erst mal nicht zu denken. Im Gegenteil: Die Verletzung brauchte mehrere Monate, um auszuheilen.
Als die Zeit gekommen war, die Krücken gegen die Joggingschuhe zu tauschen, konnte er sich allerdings nicht dazu entschließen. Er verzichtete aufs Joggen, obwohl es der Schlüssel zu einer gesünderen, verantwortungsvolleren Lebensweise war. Woran das lag? Mein Bekannter nahm die Welt durch eine Brille wahr, die ihm vorgaukelte, dass er kein sportlicher Typ und die Welt ohnehin voller Fallstricke sei. Diese Sichtweise beeinflusste sein Denken: Er glaubte, dass die Joggingidee von Anfang an ein großer Fehler gewesen war. Dieses Denken wiederum löste bestimmte Gefühle bei ihm aus: Er fühlte sich antriebslos und ängstlich. Und diese Gefühle beeinflussten sein Verhalten: Er wurde wieder zum Couchpotato. Die Ziele, die ihm so wichtig gewesen waren, waren schnell vergessen.
Wie wir uns selbst und die Welt um uns herum sehen, bezeichnen wir als Paradigma. Dieser Begriff ist mittlerweile stark verbreitet. Wahrscheinlich sind Sie beim Buzzword-Bingo-Spielen in der Meeting-Pause schon mal dem Wort »Paradigmenwechsel« begegnet. Was das genau bedeutet? Hier möchte ich gerne Dr. Covey zitieren:
Solange wir uns lediglich kleinere Veränderungen wünschen, genügt es, wenn wir an unserem Verhalten arbeiten. Wollen wir jedoch Veränderungen, die einem Quantensprung gleichkommen, müssen wir an unseren grundlegenden Paradigmen arbeiten.
Wenden wir uns wieder meinem Bekannten zu und schauen genauer hin, was hier passiert ist. Sein Sprunggelenk war wieder in Ordnung. Er hatte zwei funktionierende Beine und war in guter, wenn auch nicht in überragender gesundheitlicher Verfassung. Sein Arzt meinte, dass er wieder mit dem Joggen beginnen könnte – besser gesagt: sollte! Und im Schrank wartete ein fast neues Paar Laufschuhe darauf, endlich wieder getragen zu werden. Sicher, die Welt ist voller Stolpersteine. Aber er hätte nur die Augen offen halten und seine Schritte sorgfältiger setzen müssen. Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn mein Bekannter seine »Brille« gegen eine hilfreichere eingetauscht hätte:
• Sehen: Ich bin in der Lage zu joggen und dabei den kleinen Hindernissen, die sich mir in den Weg stellen, auszuweichen.
• Denken: Ich kann, soll, will und werde wieder mit dem Joggen beginnen.
• Fühlen: Ich bin zuversichtlich, dass ich die Ziele, die mir so wichtig sind, erreichen kann.
• Tun: Ich hole die Schuhe aus dem Schrank und laufe einfach los.
Es genügt schon, dass wir beschließen, uns selbst durch eine andere Brille zu sehen. Allein dadurch lösen wir einen Dominoeffekt aus, der unser Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich beeinflusst. Hier haben wir es mit einem grundlegenden, universellen Prinzip zu tun. Es hilft uns, bedeutsame Veränderungen in unserem Leben anstoßen. Haben Sie auch immer wieder ein unzutreffendes Bild von sich selbst? Denken Sie beispielsweise:
• Ich gehöre nicht dazu.
• Ich bin zu faul.
• Ich habe keine Geduld.
• Ich werde niemals gut genug sein.
• Ich kann mich nicht ändern – ich bin, wie ich bin.