No such Future. Friederike Müller-Friemauth
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Und das alles unter realen Bedingungen – vor dem Hintergrund notorisch unvollständiger Informationen, einer unsicheren Marktentwicklung und eines durch Zufälle geprägten Geschäftsverlaufs. Deswegen gilt:
Dieses Buch ist ein Anti-Planungsbuch.
Es rät von der klassischen betriebswirtschaftlichen Planung, von »Strategie-Projekten« und »Prozess-Architekturen« entschieden ab. Zudem richtet es sich gegen Zukunftsvorsorge, die mit Kennzahlen-Prognosen, Trend-Monitoring-Daten, »Desk-Research«, ausgefeilten Maßnahmenkatalogen und wirtschaftlichen »Meilensteinen« unternehmerische Kernziele erreichen will. Zukunft entsteht auf unendlich viele Weisen. Aber so? Sicher nicht!
Perspektivwechel: Kluges Taktieren statt brotloser Planungskunst
»Die Zukunft ist das, was wir nicht kennen können«, so der kongeniale Wegbegleiter zukunftsforscherischen Denkens Niklas Luhmann. Und der beste Freund der Zukunft? Ist der Zufall! Zukunft und Zufall – diesem Duo infernale mit festgezurrten Plänen zu Leibe rücken zu wollen, bedeutet Scheitern auf Ansage. Deswegen hat die Zukunftsforschung methodisch das Pferd gewechselt. Sie setzt nicht mehr auf Strategie (laut Duden: »genau geplantes Vorgehen«), sondern auf Taktik (»Ausnutzung einer Lage«). Das ist grundlegend und führt zu einem konsequenten Wechsel der Perspektive: Weg vom vorab fixierten »Gefechtsziel« – hin zum »Manöver«. Hier wird strikt situativ gehandelt und ständig neu entschieden.1
»Der Zufall begünstigt nur den vorbereiteten Geist.«
LOUIS PASTEUR, Naturwissenschaftler
Selbstverständlich sollte man auch weiterhin wissen, was man erreichen will. Aber wenn die Zeiten so »volatil« sind, wie immer behauptet wird, macht es keinen Sinn, sich an der Erreichung »strategischer« Ziele abzuarbeiten. Die Kunst besteht vielmehr in blitzschnellem, flexiblem Taktieren. Das Ziel vor Augen, klar – aber den Weg dorthin? Bahnen Urteilsvermögen und Vorbereitet-Sein. Es geht darum, sofort auf Entwicklungsmöglichkeiten zu reagieren und gegen Unvorhersehbares oder Störfälle gefeit zu sein. Daher lautet die zentrale Regel methodisch seriöser Zukunftsforschung:
Dem Unvorhersehbaren kann man nicht »strategisch« begegnen. Aber man kann »taktisch« klug mit Zukunft umgehen. Und den Zufall? Den kann man manchmal einfach auskontern!
Spiel-Art
Von der Strategie zur Taktik – dieser Perspektivenwechsel hat Konsequenzen. Etwa, dass man das altehrwürdige, auf Zahlen fixierte Instrumentarium zunächst getrost vergessen kann. Oder auch, dass man die Entwicklung eines Unternehmens durchaus selbstständig bewerkstelligen kann, und zwar ohne komplizierte »Tools« oder reflexhafte Marktforschung. Stattdessen geht es um den Rückgriff auf das, was Unternehmer ohnehin am besten können (sollten) – nämlich geschäftlichen Sachverstand mit praktischer Gestaltungskompetenz zusammenzubringen.
Ablenkungsmanöver Social Media
Für wachstumsorientierte Unternehmen zählt allein, wie man Kunden findet und zu Neugeschäften kommt. Dennoch verbringen sie viel Zeit mit Strategien, Skalierungsverfahren, der Balanced Score Card, Softwaretricks und anderem Nebensächlichem.
Der Hype um die Social Media ist ein schönes Anschauungsobjekt des »Nebenkriegsschauplätze-Phänomens«. Entscheider ertrinken in Offerten zu Kongressen, Tagungen und Beratungen, wie man Twitter, Facebook oder Blogs effektiv nutzt. Dabei wären die mit den sozialen Medien angeblich verbundenen, revolutionären Marktvorteile das eigentlich Interessante!
Die immer neuen Trends und Moden erzeugen ein Dauerrauschen, das eine Gestaltung von Zukunft geradezu verhindert: Der Blick wird fixiert auf aufmerksamkeitsheischende Phänomene – ohne markt- oder unternehmensbezogene Beurteilung der angeblich damit einhergehenden Positionsgewinne! Die Gestaltungsebene ist völlig abgeschnitten: »Was bedeutet das Mit-Surfen auf einem Trend für meine Marktchancen? Ist das überhaupt relevant für mich?«
Zukunftsbewältigung mittels Trends ist oft kurios, immer überraschend und macht Spaß. Dem unternehmerischen Zweck angemessen ist sie aber nicht, wenn es nur um neuen Treibstoff für die Aufmerksamkeitsökonomie geht.
Dieses Buch fordert dazu auf, selber zu denken. In Alternativen. Auf Vorrat.2 Den Horizont der eigenen unternehmerischen Möglichkeiten selbstständig und kühn zu öffnen. Warum diese geradezu halsbrecherisch anmutende Empfehlung? Und das in Zeiten, in denen es trendy ist, entweder auf die »Schwarmintelligenz« zu setzen oder wenigstens auf den eigenen Schwarm von Consultants? Harakiri – aus Angst vor dem Tod? Nö. Eine zeitgemäße Zukunftsforschung folgt einem ehernen Grundsatz:
Unter Bedingungen unzureichender Information und unsicherer, dynamischer, komplexer Umfelder gestaltet man sein Handlungsfeld mit den Mitteln, über die man verfügt und die man beeinflussen kann. Das ist nämlich das einzig verlässliche Fundament, das man hat.
Darum gehts – ums Unternehmerische: Das Identifizieren der eigenen »Stellhebel« und die Nutzung des eigenen Potenzials. Dafür besitzen Unternehmer die nötige Erfahrung und Branchenkompetenz. Aber: Sie müssen auch bereit sein, Zeit und Energie in Zukunft zu investieren. Das ist weit mehr als eine Herausforderung. Es ist ein Überlebensprinzip.
Die Kleineren verfügen über eine viel höhere Wendigkeit als die Großen – das ist einer der wichtigsten »Treiber« des Erfolgs kleiner und mittlerer Unternehmen. Deshalb geht es im Folgenden darum, wie sich dieser Treiber konsequent für die Zukunft einsetzen lässt.
Im Kern ist dieses Buch ein Trainingslager für taktisch klugen Unternehmerverstand – in einem Spiel mit künftigen Möglichkeiten.
Selber-Denken tut Not
Und jetzt die schlechte Nachricht: Das mit dem Selber-Denken ist ernst gemeint.3 Ohne großen theoretischen Aufwand lassen sich mit wenigen, aber systematisch aufeinander aufbauenden Schritten die zentralen Stellhebel identifizieren, die ein Unternehmen und dessen Zukunft ausmachen – wir werden zeigen, wie. Das Selber-Denken kann einem dabei allerdings keiner abnehmen. Das ist der Nachteil gegenüber dem »Berater Ihres Vertrauens« oder der Managementmethode EasyQuick 4.0, die jedem kinderleicht aufzeigt, was er noch nie zu fragen wagte.
Das Gerüst für kühnes Denken auf Vorrat ist Gegenstand dieses Buches. Es ist ein Gegenmodell zu den vorgefertigten Standardrezepten für unternehmerischen Erfolg. Dafür braucht man ein intensives Verständnis für die Kräfteverhältnisse, die Regeln und die wechselnden Gegner auf dem ureigenen Spielfeld. Denn davon hängt der erfolgversprechende Zugriff auf Zukunft ab.
Herkunft der Zukunft
Zukunftsforschung ist in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts aus unterschiedlichen Quellen und Impulsen entstanden. Militärstrategie gehörte dazu, Philosophie, Wirtschaftswissenschaft, Biologie, Psychologie und Kybernetik. Zukunftsforschung ist also wahrlich interdisziplinär. Bekanntes Beispiel sind die Shell-Szenarien der 1970er-Jahre. Damit bereitete der Energiekonzern die Lehren aus der ersten »Ölkrise« auf und versuchte, Optionen für das weitere Vorgehen zu erarbeiten.
Heute sind zukunftsforscherische Methoden Bestand in fast allen Planungsstäben der Global Player. Dort beheimatet – und genau für diese Großkonzerne konzipiert.
Zukunftsforschung in KMU: Fehlanzeige!
Im Mittelstand oder bei Kleinunternehmen kommt Zukunftsforschung allerdings nicht vor. Warum? Wie entwickeln sie Innovationen? Haben sie andere Hilfsmittel? Liefern ihnen Trends aus der Zeitung, Tipps vom Branchenverband,