No such Future. Friederike Müller-Friemauth
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу No such Future - Friederike Müller-Friemauth страница 5
Die am Mittelmaß Übersättigten und Außer-Gewöhnlichen
Die neuen Propheten entstammen einer jüngeren Generation als die (weiter unten beschriebenen) Wortführer der Branche. Sie kommen aus anderen Milieus und pflegen andere Geisteshaltungen als der dominante Mainstream. Volker Remy, Kjell A. Nordström, Jonas Ridderstråle – um nur einige zu nennen. Zugegeben: Im engeren Sinne sind das noch nicht einmal Zukunftsforscher. Nur: In Bereichen, wo der Denk-Trott seinen eingeschlurften Weg wandelt, darf man sich nicht wundern, wenn man plötzlich von ganz woanders und von ganz anderen überholt wird.
Erster Paukenschlag: Naomi Kleins »No Logo!«
Eine der Pionierinnen dieser neuen Spezies von außergewöhnlichen Entwicklungs-Forscherinnen war Naomi Klein. Im Jahr 2000 veröffentlichte sie mit »No Logo!« die Bibel der Globalisierungskritiker. Hier nahm sie einen Dauerbrenner der Zukunftsbranche ins Visier: das Thema Marke und deren scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg. Sie schilderte den Marken-Hype in westlichen Ländern und beschrieb die Mechanismen, mit denen Konzerne und Marketingexperten die Begierde nach Marken-Produkten pushen. Ein systemkritisches Manifest also, mit dem Naomi Klein es laut The Times schaffte, »quasi über Nacht als die ›einflussreichste Person unter 35 Jahren‹« gehandelt zu werden.
»Fake for Real«: Moderne Eulenspiegeleien
Ihr folgten, mit ähnlichem Duktus, die jungen Agenturfrauen Judith Mair und Silke Becker. In »Fake for Real« knöpften sie sich die altehrwürdige Kunden-»Behandlung« – erstmals bekannt geworden mit den priesterlich aufgewerteten Kommunikationspraktiken von Delphi – in zeitgemäßem Gewand vor und stellten den Echtheitswahn (»Authentizität«) auf den Prüfstand. Dabei heraus kam eine Fundamentalkritik der modernen Kundenfürsorge. Diese wäre nichts anderes als eine abgefeimte Sozialtechnik im Dienste wirtschaftlicher Interessen. Authentizitätswahn, Kult-Marketing oder Kult des Sozialen seien, den Autorinnen zufolge, nur ein Symptom dafür, dass es ein ökonomisches Außerhalb – Kunden-Umsorgung und »Service« hin oder her – gar nicht mehr gäbe. Und das ganze Kult-Gerede: Ein einziger Fake for Money!
Querdenkerfraktion, Managementlehre und Gründerszene
Auf den Bestsellerlisten mit Perspektive Zukunft standen aber zuletzt nicht nur Rabatz machende Rabauken, sondern auch zahmere Zeitgeister. Wie zum Beispiel Anja Förster und Peter Kreuz. Zwar streifen die beiden etwas episodenhaft und ziellos über die Spielfelder innovativer Unternehmen, Marke »Jäger und Sammler«. Sie orten dabei aber immer wieder illustre Vorbilder in unternehmerischem Querdenken und haben sich den Titel »Paradoxie-Künstler« inzwischen redlich verdient.
Auch bei den Management-Vordenkern tut sich was in puncto Zukunft. »Der Blaue Ozean als Strategie« von W. Chan Kim und Renée Mauborgne etwa hat für Aufsehen gesorgt. Beide stammen von der privaten Business School INSEAD (Institut Européen d’Administration des Affaires). Sie bieten eine Methode für unternehmerisches Wachstum, die mit dem klassischen Strategieverständnis gründlich aufräumt. Die Autoren suchen nach Spielregeln jenseits des Horizonts der Betriebswirtschaftler mit ihrem Fokus auf Kunde, Wettbewerb, Marktanteil und so weiter.
»Was Sie hier sehen, ist möglicherweise die Antizipierung für das, was später kommt.«
WILFRIED MOHREN
Und last, but not least ist es die Gründer- und Entrepreneurship-Szene, die innovative und ungewöhnliche Pfade für die Zukunftsvorsorge ausspäht. Günter Faltin gehört dazu, wie auch Ansätze in der Tradition von Saras Saravathy, etwa von Michael Faschingbauer, Stuart Read und anderen. Diese »rebellische« Zukunftsforschung prägt allerdings genauso wenig wie die »seriös«-wissenschaftsnahe Abteilung das Image der Zunft. Dafür sorgt der sichtbare Teil des »Eisbergs«.
… oder: So (exzentrisch) …
Der medial tonangebende Teil der Zukunftsforschung ist jedoch ihr populärwissenschaftlicher Ableger: die Trendforschung. Repräsentiert durch immer und überall öffentlich posierende Vertreter mit Star-Appeal.
Diese Disziplin gibt Fan-Kreisen eine Heimat, die nicht nur dem Morgen auf der Spur sind, sondern darüber hinaus auch nach Orientierung suchen. Denn sie vermittelt einiges, das über rein Zeitlich-Zukünftiges deutlich hinausgeht.
Und warum ex-zentrisch – also vom Zentrum weg? Mit der Attitüde dieser Trendspezi(e)s verbunden ist immer der Anspruch, der Mittelmäßigkeit zu entkommen und mit eigentümlichen Positionen ungläubiges Staunen zu erzeugen. Ihre Vorbilder sind die Hofnarren. Mit den Schellen Alarm schlagen; dem ganz alltäglichen Wahnsinn den Spiegel vorhalten; durch Brechung des Blickwinkels alles einmal ganz anders erscheinen lassen – das gehört zum Habitus.
Von ihren hofnärrischen Urahnen haben die Hauptdarsteller der Zunft aber nicht nur den Willen zur Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit übernommen, sondern auch den Spaßfaktor. Weite Teile der Trendforschung widmen sich einer modern unterhaltenden Prophetie: der Trendverkündung. Die Szene gilt als cool. Sie »zieht« und »bedeutet« etwas, und zwar weit über den engen Bereich der Trendkäufer hinaus.
Propheten der zeitgenössischen Trendforschung
Protagonisten im deutschsprachigen Raum sind zum Beispiel David Bosshart vom schweizerischen Gottlieb Duttweiler-Institut, »Zukunftstrainer« und Redner wie Sven Gábor Jánszky oder Pero Mićić von der FutureManagementGroup AG oder auch Peter Wippermann vom Hamburger Trendbüro. Während es um Gerd Gerken aus Worpswede, den in den 1980er-Jahren berühmt-berüchtigten Ausrufer von fraktaler Marke und Management by Love, still geworden ist, gibt es jedoch einige Nachrücker: etwa Simonetta Carbonaro, Designmanagement-Professorin-Beraterin für Konsum-Psychologie. Oder Peter Kruse, der kollektive Intelligenz sowie die Errungenschaften der Hirnforschung in Richtung Zukunft extrapoliert.
»Die Breite an der Spitze ist dichter geworden.«
BERTI VOGTS
Gehandelt werden sie wie Stars: Horst Opaschowski, ehemaliger Leiter des BAT Freizeitforschungs-Instituts, wird als Zukunftspapst oder Mr. Zukunft verehrt. Norbert Bolz, Dauergast von Trendkongressen und Talkshows, gilt als Dandy der Medientheorie. Und Matthias Horx, der wohl bekannteste deutsche Trendforscher, hat sich den Ehren-Titel Trend-Guru redlich verdient. Alles Experten für Selbstvermarktung: Die eigene Person zur Marke zu stilisieren ist Pflichtprogramm, Kritik unerwünscht.4
Nun gehört Klappern bekanntlich zum Handwerk und Marketing zum Berater. So weit kein Grund zur Beanstandung. Was allerdings definitiv nicht dazugehört, sind mitverkaufte Weltsichten und eine teilweise sektenartige Rhetorik. Das öffentlich präsente Bild der Trendforschung entwächst nämlich einer Mischung aus »postmoderner«, im Duktus bedeutungsschwangerer Orakelei vorgetragener neoliberaler Gesellschafts-Phantastereien. Und nicht zu vergessen: einem gehörigen Maß an religiöser Emphase. Die Szene macht vor allem Selbstoptimierungs-Angebote und bedient sich verschiedener Coaching- und Psycho-Techniken, die sich manchmal arg nach »Post-Theologie« anhören, oft aber auch nur simple marktradikale Glaubenssätze nachbeten.5
Heimlicher Nutzen exzentrischer Trendforschung
Mit der exzentrischen Trendforschung bekommt man also ein spezielles Weltbild vermittelt. Zugestanden: eines der gehobenen Klasse – stupend lässig, philosophisch angehaucht, mit akademischen Weihen und elaboriertem Sprach-Code. Bloß: Wer will das eigentlich?
… oder: So (Besser nicht)?
Ursprünglich