Motivorientiertes Führen. Frauke Ion
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Viele Vorgesetzte wollen im Alltag immer noch direkt Einfluss nehmen auf das Ende dieser Kette. Sie fokussieren sich nicht als Multiplikator auf die Mitarbeiter, sondern direkt auf das zu lösende Problem. Sie verpassen es, als Führungskraft und Multiplikator die anderen dazu zu bewegen, gute Ergebnisse zu erzielen. Mit einem Satz: Sie führen zu wenig die Mitarbeiter als Menschen und managen zu stark Aufgaben und Probleme. Sie sind Manager und nicht Führungskraft. Als Letztere werden sie aber in der Regel eingestellt und bezahlt.
Stephen Covey, der mit seinen Ideen und Ansätzen zum Thema Selbstmanagement und Persönlichkeitsentwicklung als einer der einflussreichsten Amerikaner des 20. Jahrhunderts gilt, habe ich bei einem Mittagessen gefragt: »Stephen, wenn Sie nur einen Satz hätten, um die ideale Grundeinstellung einer Führungskraft auszudrücken – welcher wäre das?« Covey hat daraufhin in seiner Antwort das Prinzip der Gegenseitigkeit und die Notwendigkeit der Fokussierung auf den Mitarbeiter treffend zusammengefasst. Seiner Ansicht nach soll sich jede Führungskraft in Bezug auf jeden Mitarbeiter immer wieder aufs Neue fragen: »How can I serve you?«
Anforderungen an die Führungskraft
Das ist oft leichter gesagt als getan, denn zusammen mit den immer anspruchsvolleren Aufgaben sind gleichzeitig auch die Anforderungen an Führungskräfte gestiegen. Die folgende Auflistung zeigt in Anlehnung an Comelli und Rosenstiel, welche Anforderungen an eine Führungskraft bestehen und wie sich diese in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben:
• Fachkompetenz: Vor allem in den 70er Jahren wurde jemand ausschließlich dann in eine Führungsposition befördert, wenn er ein guter Fachmann war – so wurde z.B. nur der beste Verkäufer zum Verkaufsleiter ernannt. Fachkompetenz wurde lange als hinreichendes Kriterium für Führungserfolg gesehen. In dieser Position jedoch sind heute vollkommen andere Kompetenzen gefragt: nicht mehr das gute eigene Verkaufen eines Vertriebsleiters steht im Vordergrund, sondern das Führen einer Gruppe durch Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche, das Treffen von strategischen Entscheidungen, Ressourcenplanung etc.
• Soziale Fähigkeiten: Das Führen eines Teams bedeutet immer auch, dass der Führungskraft die wertvollste Ressource des Unternehmens anvertraut wird – das humane Kapital, die Mitarbeiter. In den 80er Jahren stieg das Bewusstsein dafür, dass Führungskräfte auch ein »gutes Händchen« im Umgang mit ihren Mitarbeitern benötigen, da Führung immer ein Interaktionsprozess zwischen Führer und Geführtem ist. Zu diesen sozialen Fähigkeiten zählt unter anderem Kommunikations- und Konfliktkompetenz, aber auch die Entwicklung eines entsprechenden Einstellungsund Wertesystems.
• Management Skills: In den 90er Jahren erweiterte sich das Spektrum an Führungsanforderungen neben Fachkompetenz und sozialen Fähigkeiten zusätzlich um das Bewusstsein dafür, dass auch Management Skills für einen langfristigen Führungserfolg erworben und ausgebaut werden sollten. Zu diesen Management-Skills zählen u.a. Zielsetzung und -vereinbarung (Management by Objectives), Delegation, Moderation, Kreativitätstechniken etc. Noch heute werden Führungskräfte in weltweiten Konzernen wie kleinen und mittelständischen Unternehmen schwerpunktmäßig in diesen Kompetenzen trainiert.
• Selbstkontroll-Kompetenz: In der heutigen Zeit steht zusätzlich zu den bereits aufgeführten Anforderungen die Selbstkontroll-Kompetenz im Zentrum des Führungsbewusstseins. Dazu zählt die Fähigkeit, seine Arbeit und Angelegenheiten zu planen und zu organisieren und somit sozusagen »sich selbst einzuteilen«. Die Selbstkontroll-Kompetenz ist ganzheitlich zu verstehen, sie umfasst nicht nur das unmittelbare Arbeitsumfeld, sondern ebenso den Umgang mit dem eigenen Leben in all seinen Facetten: Selbstkontrolle, Umgang mit Stress, Verantwortungsübernahme für die eigenen Handlungen, Wertebewusstsein, Prioritätensetzung und vieles mehr.
Persönlichkeit entwickeln
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich also die Anforderungen an Führungskräfte von der reinen Beherrschung der fachlichen Kompetenzen in den Bereich der kontinuierlichen Persönlichkeitsentwicklung verlagert. Comelli und Rosenstiel zitieren treffend einen Unternehmer in einer Diskussion über die Besetzung von Führungspositionen: »Wollen wir eigentlich Leute in Vorgesetzten-Positionen haben, die mit sich selbst, ihrer Familie und ihrem eigenen Leben nicht klarkommen? Das heißt doch, kaputten Typen die Zukunft eines Unternehmens anzuvertrauen!« Ganz im Sinne der motivorientierten Führung gilt somit:
Wer andere erfolgreich führen will, muss zuerst sich selbst führen können.
Auf diesen Punkt gehen wir später ausführlicher ein (siehe “Ihre Führungspersönlichkeit – sich selbst erfahren”). Wie oben ausgeführt, ist die Selbstkontroll-Kompetenz jedoch nur ein Teilbereich der Kompetenzanforderungen, die in der heutigen Zeit an eine Führungskraft gestellt werden. Wie können Führungskräfte diesen immensen Anforderungen gerecht werden? In der Führungs- und Managementliteratur werden zahlreiche Ansätze beschrieben, die Vorgesetzte dabei unterstützen sollen, Führung in der Praxis zu meistern.
Verwandlung durch Führen
Der von Bernhard M. Bass und Ronald E. Riggio (2006, 6ff.) entwickelte und in den letzten Jahren verstärkt diskutierte Ansatz der transformationalen Führung versteht Führung als einen Prozess der »Verwandlung« des Geführten. Dieser setzt sich durch den Einfluss des Führenden höhere Ziele und handelt so nicht mehr nur aus reinem Eigeninteresse. Eine transformationale Führungskraft verändert also die Denkweisen und Wünsche des Geführten. Indem sie den ganzen Menschen (emotional) anspricht, weckt sie die Begeisterung des Geführten für neue Werte, Ziele und Aufgaben und macht ihn so zum »Mitunternehmer« bei der gemeinsamen Zielerreichung. Dabei unterscheidet Bass vier Elemente der transformationalen Führung:
• Idealized Influence bzw. Charisma drückt aus, dass der Führende dem Geführten ein Vorbild ist, dem Bewunderung, Respekt und Vertrauen entgegengebracht wird. Der Geführte identifiziert sich mit dem Führenden und seinen ethischen Standards.
• Der Geführte erfährt Inspiration durch (erreichbare) Visionen des Führenden. Dazu ist es Aufgabe des Führenden, durch eine optimistische und enthusiastische Einstellung die Bedeutung und Herausforderung der Arbeit zu vermitteln und den Teamgeist zu fördern. So werden die Ziele und Visionen des Führenden zu gemeinsamen Zielen und Visionen.
• Durch intellektuelle Stimulierung fördert der Führende die Innovativität und Kreativität des Geführten. Der Führende fördert das Umsetzen neuer Ideen, indem er dem Geführten Eigenverantwortung überträgt, ihn selbst zum »Unternehmer im Unternehmen« macht und ihn in Problemlösungsprozesse und das Hinterfragen von Annahmen einbezieht.
• Das vierte Element der individuellen Ansprache beinhaltet, dass der Führende gleichzeitig auch Coach und Mentor des Geführten ist und ihn als ganzen Menschen kennt und akzeptiert. Indem er eine zweiseitige Kommunikation praktiziert und seinem Geführten aktiv zuhört, betrachtet er den Mitarbeiter als Individuum, statt ihn lediglich als Gruppenmitglied zu behandeln. Es gilt: »Gleichbehandlung ist nicht gleiche Behandlung«, denn der Kernpunkt der individuellen Ansprache ist die Akzeptanz von und Arbeit mit Unterschiedlichkeit.
Individuelle Ansprache entscheidend
Welche Erkenntnisse lassen sich daraus für den Führungsalltag ableiten? Eine Studie von Dumdum / Lowe / Avolio (2002) hat gezeigt, dass die Korrelation zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Führungsstil beim vierten Element, der individuellen Ansprache, am höchsten ist. Und das sind für den Führungsalltag