Führen ohne Psychotricks. Frank Hagenow

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Führen ohne Psychotricks - Frank Hagenow Dein Business

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realen Berufsleben geht es ja meistens nicht darum, eine Performance mit Unterhaltungswert vorzuführen – außer Sie sind Zauberkünstler. Im Berufsleben hinterlässt ein Manipulationsversuch beim Gegenüber jedoch sehr schnell das Gefühl, hereingelegt worden zu sein. Der vermeintliche Vorteil wird dem Anwender missgönnt. Das hat mit dem Vergnügen einer Zaubertrickvorführung nichts mehr zu tun. Für den kurzen Moment wird zwar eine Illusion erzeugt, die im Idealfall vielleicht sogar ihr Ziel erreicht und damit zunächst die gewünschte Wirkung erzielt. Langfristig lässt sich der erschlichene Erfolg aber beim selben Mitarbeiter ebenso wenig wie beim selben Publikum reproduzieren. Vollkommen gleichgültig, wie ausgefeilt der Trick auch sein mag: Er ist und bleibt eine Illusion. Und Illusionen sind in der Realität nun einmal nicht dazu geeignet, eine dauerhafte, stabile Beziehung zu etablieren. Auf die Täuschung folgt die Ent-Täuschung. Diese ist vorprogrammiert, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Opfer dem Täter auf die Schliche kommt. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, ob es sich um die Beziehung zu unserem Mitarbeiter, Chef, Lebenspartner oder Kunden handelt.

       Der hohe Preis der Manipulation

      Weil wir gerade so nett mit den Zaubertricks unterwegs waren, fällt mir eine weitere Episode aus meiner Kindheit ein, in die wir nun kurz zurückreisen: Ende der 1960er-Jahre gibt es bei uns Zu Hause einen einfachen Schwarz-Weiß-Fernseher und drei Programme. Der ist fast so groß wie unser Kühlschrank und braucht nach dem Einschalten aufgrund seiner vorsintflutlichen Röhrentechnik noch etwa drei Minuten Vorglühzeit, bis das Bild mit einem Knistern auf der Mattscheibe aufflackert. Und es gibt wohl auch schon den Begriff der Fernbedienung, denn eine Bedienung dieses Geräts vom Sessel aus liegt noch in weiter Ferne. Da muss man schon aufstehen und direkt am Gerät einen der fünf Knöpfe drücken. Meine Eltern leisten sich eine Fernsehzeitschrift, in der sich der kleine Frank gern die bunten Bilder zu den kommenden Filmen anschaut. Aber der kleine Frank kennt die Uhr mit dem großen und dem kleinen Zeiger noch nicht so richtig. Und deshalb weiß er auch erst recht nicht, was sich hinter den kryptischen Zahlen verbirgt, die die Anfangszeiten der Fernsehsendungen verkünden. 13:30, 16:45 oder 20:00 (»zwanzig-nullnull«). Relativ schnell wird nun aber selbst dem kleinen Frank klar, dass die wirklich interessanten Sendungen auffallend häufig um zwanzig-nullnull gesendet werden. Spannend, spannend. Wenn der kleine Frank doch nur wüsste, ob zwanzignullnull noch eine Uhrzeit ist, zu der kleine Kinder noch fernschauen dürfen. Und an welche unerschöpfliche Quelle der Weisheit wendet man sich im zarten Kindesalter mit einem so quälenden Informationsdefizit? Na sicher doch: an Mama. Mama kennt nicht nur die Uhr schon ganz genau, sondern sie kann unter günstigen Voraussetzungen auch eine Zuschau-Erlaubnis erteilen. Und was bekommt der kleine Frank zu hören, wenn er danach fragt, ob er den Cowboy-Film um zwanzig-nullnull noch anschauen darf? Dann sagt Mama: »Das ist so spät, kleiner Frank, das schauen sich sogar Mama und Papa nicht mehr an.« Aha, zwanzig-nullnull ist also offenbar mitten in der Nacht. Ganz, ganz spät, wenn auch von den Großen keiner mehr wach ist.

      Lange habe ich in dem Bewusstsein gelebt, dass zwanzig-nullnull eine fremde Zeitgalaxie sein muss ist, in der nur ganz verwegene Gestalten noch vor dem Fernseher sitzen, und ich habe mich damit getröstet, dass auch Mama und Papa so spät nicht mehr wach sind. Und dann passiert es. Eines Abends. Der kleine Frank wird durch irgendetwas aus dem Schlaf geweckt und schlurft schlaftrunken ins elterliche Wohnzimmer. Und was muss er da vollkommen überrascht feststellen? Da ist doch tatsächlich die große Fernseh-Party im vollen Gange. Kerzenschimmer, Mama und Papa, Chips, Wein, Gelächter – und der Film von zwanzig-nullnull …

      Der elterliche Schwindel flog auf und meine Enttäuschung war riesengroß. Zum einen über die vielen Sendungen, die ich bis dahin verpasst hatte, während meine Eltern sich schamlos und unentdeckt vor dem Fernseher vergnügt hatten. Viel schwerer aber wog der Vertrauensverlust, der für mich mit dieser Entdeckung einherging. Ich habe mich regelrecht betrogen gefühlt. Und das von den Personen, die mir am nächsten standen und denen ich am meisten vertraute. Ich hätte sicher viel besser damit leben können, wenn man mir klar gesagt hätte, dass es eine Zeit gibt, zu der Kinder ins Bett gehören, während Erwachsene Filme anschauen, die für Erwachsene gemacht sind. Und die zu einer Uhrzeit laufen, zu der auch andere Kinder bereits schlafen. Das wäre klar, unmissverständlich und vor allem ehrlich gewesen, weil es der Wahrheit bzw. der Realität entsprochen hätte.

      Gut, ich habe von dieser Episode elterlicher Flunkerei wohl keinen, zumindest keinen bleibenden Schaden davongetragen und bin auch später nicht aufgrund meiner unglücklichen Fernseh-Kindheit zum TV-Junkie geworden. Vielmehr habe ich vor vielen Jahren meinen Fernseher sogar verkauft und lebe heute sehr gut ohne Fernsehprogramm. Ich habe also den Abschied vom allabendlichen »Daumen-breit-Zappen« und dem »Für-dumm-verkauft-Werden« durch sinnfreie Werbung für unnötige Produkte als enormen Zugewinn an Lebenszeit und -qualität erlebt. Dennoch zeigt allein der Umstand, dass ich diese Begebenheit aus meiner Kindheit sogar hier niederschreibe, wie eindrücklich sie in meiner Erinnerung geblieben ist.

      Bestimmt kennen Sie ähnliche Geschichten aus Ihrer eigenen Erinnerung. Genau genommen sind dies unsere ersten eigenen Erfahrungen mit Psychotricks, weil wir schon im zarten Kindesalter durch unsere Eltern manipuliert wurden. Manchmal erzählt man uns mit voller Absicht Dinge, die überhaupt nicht stimmen, nur um uns ruhig zu stellen oder um die eigenen Interessen durchzusetzen. Die harmlose Variante der Traumgestalten ist da noch der Osterhase, während Knecht Ruprecht mit der Rute schon gelegentlich zur Unterstützung elterlicher Autorität herangezogen wird (»Wenn du nicht brav bist, dann kommt der mit der Rute …«). Da werden Horrorszenarien von finsteren Gestalten kreiert, um uns zu gegebener Zeit möglichst ohne große Widerrede auf Spur zu bringen oder dort zu halten. Auf die Spitze getrieben wird dies etwa im Ostalpenraum und in Österreich. Das Pendant zum Knecht Ruprecht ist dort der »Krampus«; er begleitet alljährlich Anfang Dezember den Heiligen Nikolaus auf seiner Tour durch die Städte und Dörfer. Während die Lichtgestalt des Heiligen Nikolaus die braven Kinder beschenkt, ist der Krampus ein finsterer Geselle und für deren Bestrafung zuständig. Und wer schon einmal bei einem der zahlreichen Krampus-Umzüge dabei sein durfte – oder dabei sein musste –, fühlt sich in den finsteren Teil der »Herr der Ringe«-Trilogie versetzt, wenn eine Horde wild gewordener Krampusse in Fellkostümen mit großen Glocken und rasselnden Ketten behängt durch sie Straßen berserkert.

      Zugegeben, wir sind inzwischen aus dem Alter raus, in dem man uns mit fragwürdigen Schauergeschichten oder Flunkereien bei der Stange halten konnte. Wenn wir ehrlich sind, hat das auch schon im Kindesalter nur kurz funktioniert. Denn wenn der Schwindel erst einmal aufgeflogen war, waren wir augenblicklich für immer aus dem Paradies der Gutgläubigkeit vertrieben. Dennoch begegnen wir auch in unserer heutigen Erwachsenenwelt immer wieder den Manipulationsversuchen unseres Umfelds.

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       In den allermeisten Fällen wiegt der kurzfristige vermeintliche Erfolg, den wir uns durch den Manipulationsversuch erkaufen, den damit einhergehenden späteren Vertrauensverlust nicht auf. Und in vielen Fällen gilt: Einmal enttäuscht – für immer verloren.

      Doch der Bumerang kommt zurück, denn der Einsatz von Psychotricks hat seinen Preis. Wer sich als Mitarbeiter von seinem Chef über den Tisch gezogen, ausgenutzt oder manipuliert fühlt, ist in der Regel nicht begeistert oder von großer Dankbarkeit erfüllt. Ganz im Gegenteil. Der Management- und Unternehmensberater Reinhard K. Sprenger bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: »Menschen kommen zu Unternehmen, aber sie verlassen Vorgesetzte.« (Sprenger 2012, S. 122). Wir werden noch näher betrachten, mit welchen Sturmschäden und Nebenwirkungen Sie bei der Anwendung von Psychotricks rechnen müssen, denn es gibt eine Vielzahl von denkbaren Reaktionen, die in ihren Auswirkungen alle nicht besonders attraktiv für Führungskräfte bzw. Unternehmen sind.

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