In Nacht und Eis. Fridtjof Nansen

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In Nacht und Eis - Fridtjof  Nansen Paperback

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Weiter geht es nach Norden, stetig nach Norden mit gutem Wind, so schnell Dampf und Segel uns führen, und auf offener See, Meile auf Meile, Wache um Wache durch diese unbekannten Gebiete. Fast könnte man sagen: Es wird freier und immer freier von Eis! Wie lange wird dies dauern? Immer, wenn man auf der Brücke auf und ab schreitet, wendet sich das Auge nach Norden, blickt es in die Zukunft. Und voraus ist stets derselbe dunkle Himmel, der offenes Wasser anzeigt.

      Mein Plan bestand die Probe. Seit dem 6. September war uns das Glück zur Seite. Wir sahen »nichts als reines Wasser«, wie Hendriksen mir jedes Mal aus der Tonne antwortete, wenn ich ihn anrief. Als er später am Ruder stand und ich auf der Brücke, sagte er plötzlich: »Zu Haus in Norwegen glauben sie jetzt kaum, dass wir in freiem Wasser gerade auf den Pol lossegeln!«

      Und ich würde es selbst nicht geglaubt haben, wenn mir jemand das noch vor vierzehn Tagen gesagt hätte. Alle meine Erwägungen über die Frage des offenen Sibirischen Meeres wurden bestätigt und das machte mich glücklich; denn nur selten erweisen sich die Eingebungen der Menschen als so richtig.

      Nach keiner Richtung hin stand der Widerschein von Eis am Himmel, nicht einmal jetzt am Abend! Wir sahen den Tag über kein Land, aber wir hatten den ganzen Vormittag Nebel und dickes Wetter, sodass wir mit halber Kraft fuhren, weil wir irgendwo aufzustoßen fürchteten. Wir waren jetzt beinahe auf 77° n.Br. Wie lange wird das so weitergehen? Ich würde mich freuen, wenn wir 78° erreichten; allein Sverdrup ist weniger leicht befriedigt, er sagt: über 80°, vielleicht 84° oder 85°. Er spricht sogar ernsthaft von dem offenen Polarmeer, von dem er einmal gelesen hat, und kommt immer wieder darauf zurück, obwohl ich ihn auslache.

      Fast muss ich mich fragen, ob ich nicht träume. Man muss gegen den Strom gekämpft haben, um zu wissen, was es bedeutet, mit dem Strom zu fahren.

      Lebendiges ist hier kaum zu sehen. Heute beobachtete ich in der Ferne einen Alk und später eine Seemöwe. Als ich abends einen Eimer Wasser aufzog, um das Deck abzuspülen, phosphoreszierte das Wasser stark. Man könnte meinen, im Süden zu sein.

      Mittwoch, 20. September. Fast 78° sind erreicht. Aber rau wurde ich aus meinem Traum geweckt! Als ich 11 Uhr vormittags in die Karte blickte und daran dachte, dass mein Kelch wohl bald voll sein würde, luvte das Schiff plötzlich an und ich stürzte hinaus. Vor uns schimmerte die Eiskante durch den Nebel, lang und fest. Ostwärts schien das Eis weiter nach Süden zu reichen. Wahrscheinlich würden wir eine höhere Breite gewinnen, wenn wir westlich hielten; also steuerten wir in dieser Richtung. Die Sonne kam einen Augenblick durch und wir nahmen eine Beobachtung, die 77°44’ n.Br. ergab.

      Wir steuerten jetzt nordwestlich am Rande des Eises entlang. Vögel verschiedener Art, die wir beobachteten, deuteten auf Landnähe. Ein Zug Schnepfen oder Stelzvögel begegnete uns, folgte uns eine Zeit lang und flog dann nach Süden davon. Sicherlich kamen die Vögel von einem Land im Norden. Wir sahen nichts. Hartnäckig lagerte der Nebel über dem Eis. Am nächsten Tag war es klarer, doch immer noch kein Land in Sicht. Wir standen jetzt eine gute Strecke nördlich von der Stelle, auf die Baron von Toll auf der Karte die Südküste von Sannikoff-Land verlegt hat. Wahrscheinlich ist jenes Land also nur eine kleine Insel und jedenfalls kann es sich nicht weit nach Norden ausdehnen.

      Am 21. September hatten wir dichten Nebel. Wir segelten nordwärts bis zum oberen Ende einer Bai im Eis, kamen nicht weiter und beschlossen, hier klares Wetter abzuwarten. Nach meiner Berechnung waren wir jetzt auf etwa 78°30’ n.Br. Im Laufe des Tages loteten wir mehrmals, erreichten aber mit 400 Meter Leine den Grund nicht!

      Heute entdecke ich, dass Wanzen an Bord sind. Sehr angenehm! Wir müssen den Kampf gegen sie aufnehmen.

      Freitag, 22. September. Wieder heller Sonnenschein und glänzend weißes Eis voraus. Zuerst lagen wir im Nebel still, weil wir keinen Weg sahen; jetzt ist es klar, aber wir sind nicht klüger geworden. Es sieht aus, als ob wir uns an der nördlichen Grenze des offenen Wassers befinden. Nach Westen scheint das Eis sich wieder südwärts auszudehnen. Nach Norden ist es fest und weiß und zeigt nur hier und dort kleine, offene Rinnen oder einen Teich und der Himmel ist überall am Horizont bläulich weiß.

      Wir sind von Osten her gekommen, haben dort aber nur wenig gesehen; da wir nichts Besseres zu tun haben, werden wir einen Ausflug nach jener Richtung machen und Öffnungen im Eise suchen. Wenn wir viel Zeit hätten, würde ich gern ostwärts bis nach der Sannikoff-Insel gehen oder noch lieber den ganzen Weg nach Bennet-Land zurücklegen, um dort die Eisverhältnisse zu prüfen. Dazu ist es aber jetzt zu spät. Das Meer wird bald zufrieren und wir würden Gefahr laufen an einer ungünstigen Stelle einzufrieren.

      Früher hielten es arktische Forscher für nötig, sich in der Nähe einer Küste zu halten. Gerade das aber wollte ich vermeiden. Ich wollte vielmehr in die Drift des Eises gelangen, und was ich am meisten fürchtete, war die Fesselung der »Fram« durch Land. Geschah dies, so würden wir weit schlechter fahren, als wenn wir uns dort, wo wir waren, dem Eis überließen, vor allem, da unser Ausflug nach Osten bewiesen hatte, dass wir bald wieder südwärts gedrängt werden würden, wenn wir der Eiskante in jener Richtung folgten. Wir machten daher vorläufig das Schiff an einem großen Eisblock fest und bereiteten uns vor, den Kessel zu reinigen und Kohlen zu trimmen.

      Wir liegen in offenem Wasser mit nur wenigen großen Schollen hier und dort, aber ich habe das Gefühl, als ob dies unser Winterhafen sein wird.

      Heute großer Wanzenkrieg. Wir richten den dicken Dampfschlauch auf Matratzen, Sofakissen und alles, was unserer Meinung nach die Feinde beherbergen könnte. Alle Kleidungsstücke werden in ein Fass getan, das mit Ausnahme der Stelle, an der der Schlauch hineingeleitet ist, fest verschlossen wird. Dann wird Volldampf angesetzt. Im Innern zischt und pfeift es, ein wenig Dampf dringt durch die Fugen und unserer Meinung nach muss es recht hübsch heiß für die Tiere sein. Aber plötzlich explodiert das Fass und der Dampf entweicht. Noch hoffe ich, dass es ein großes Abschlachten war. Es sind schreckliche Feinde.

      Sonnabend, 23. September. Wir liegen noch an derselben Stelle vertäut und trimmen Kohlen. Ein unangenehmer Gegensatz – alles an Bord, auch die Menschen und die Hunde, ist schwarz und schmutzig, und rundherum erglänzt alles weiß im schönsten Sonnenschein. Viel Eis treibt herein.

      Sonntag, 24. September. Noch immer beim Kohlentrimmen. Morgens Nebel. Im Laufe des Tages klart es auf. Wir entdecken dabei, dass wir auf allen Seiten von ziemlich dickem Eis dicht umlagert sind. Zwischen den Schollen liegt Schlammeis, das fester und fester wird. Von der Tonne aus erkennen wir mit dem Fernrohr noch das Meer jenseits des Eises im Süden. Ich glaube, »man« will uns einschließen! Nun, wir müssen selbst das Eis willkommen heißen.

      Eine tote Gegend hier; nirgends ein Anzeichen von Leben außer einer einzigen Robbe (Phoca foetida) im Wasser; auf der Scholle neben uns sieht man eine alte Fährte von einem Eisbären. Wieder loten wir, kommen aber nicht bis zum Grund: Merkwürdig, dass das Meer hier so tief ist!

      Man kann sich kaum eine schmutzigere Arbeit denken als Kohlentrimmen. Bedauerlich, dass ein so nützlicher Stoff wie die Steinkohle so schwarz sein muss! Wir tun weiter nichts, als die Kohlen aus dem Raum hissen und die Bunker damit auffüllen. Jeder Mann an Bord muss dabei helfen und alles ist voll Schmutz.

      Die einen stehen auf dem Kohlenhaufen im Raum und füllen die Eimer und die andern hissen sie auf. Jacobsen eignet sich für das Hissen besonders gut; mit seinen kräftigen Armen zieht er Eimer auf Eimer herauf, als ob es Zündholzschachteln wären. Die Übrigen gehen mit den Eimern zwischen der großen Luke und dem Halbdeck hin und her und schütten die Kohlen in die Bunker und unten steht Amundsen, schwarz wie ein Neger, und verstaut sie. Selbstverständlich fliegt der Kohlenstaub über das ganze Deck; die Hunde verkriechen sich, schwarz und zerzaust, in die Ecken. Einiges Vergnügen schafft uns der gräuliche Anblick unserer Gesichter mit der dunklen Farbe, den schwarzen Streifen an den unwahrscheinlichsten Stellen und den durch den Schmutz hindurchschimmernden Augen und weißen Zähnen. Wer

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