Günter, der innere Schweinehund, rettet die Welt. Stefan Frädrich
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»Okay, durch manche Veränderungen müssen wir also durch!« Brav, Günter. Wobei Disruptionen zwar starke Kräfte sind, die unsere Welt umformen, ob das der Einzelne will oder nicht – aber sie sind vergleichsweise langsam. Fitte innere Schweinehunde könnten sich deshalb gut auf sie einstellen. Könnten.
Weitaus heftiger sind da schon die schwarzen Schwäne. Die kommen ganz plötzlich über uns.
Schwarze Schwäne sind selten, unvorhergesehen – und verändern die Welt.
5. Schwarze Schwäne
»Was sind denn schwarze Schwäne?«, wundert sich Günter. So nennt man sehr seltene (schwarze Schwäne eben), scheinbar zufällige Ereignisse, die unvorhergesehen eintreten, enorme Veränderungen nach sich ziehen – und von denen man hinterher oft denkt, man hätte sie kommen sehen müssen.
Viele Erfindungen oder Entdeckungen, die uns heute normal erscheinen, waren zu ihrer Zeit solche schwarzen Schwäne, die viel verändert haben: zum Beispiel dass Penicillin Bakterien tötet – eine schöne Überraschung. Oder dass zwischen Europa und Asien Amerika liegt – Kolumbus wollte ja nach Indien. Oder die Erfindung von Klettverschluss, Röntgenstrahlen, Post-its und Viagra. Alles Zufällen zu verdanken, die zu Fortschritten führten.
Andere schwarze Schwäne hingegen führten zu Katastrophen: die Anschläge vom 11. September 2001 zu Kriegen mit Millionen Toten. Oder das Tōhoku-Erdbeben 2011 zur Nuklearkatastrophe von Fukushima. Oder das Coronavirus 2020 zur weltweiten Gesundheits- und Wirtschaftskrise. Wie bei umfallenden Dominosteinen: eine Ursache, viele üble Folgen.
Obwohl wir die Zukunft nicht kennen, können wir Risiken sehen und eindämmen.
6. Vorsicht, Risiko!
»Na ja, shit happens.« Ganz so einfach ist es nicht, Günter. Viele Katastrophen hätten nämlich verhindert werden können – mittels Prävention: Stell dir mal vor, man hätte bei allen Flugzeugen bereits vor dem 11. September 2001 die Cockpit-Türen so umgerüstet, dass kein Passagier auf den Pilotensitz kann – das World Trade Center stünde wohl noch. Oder die ersten Corona-Infizierten hätten Wuhan, den Ort des Ausbruchs, nicht verlassen dürfen – die Pandemie wäre im Keim erstickt worden. Oder man hätte das AKW in Fukushima ein paar Nummern sicherer gebaut – es wäre nicht zur Nuklearkatastrophe gekommen.
»Aber dafür muss man die Zukunft vorhersehen können, und das geht nicht.« Nein, man muss sich die Zukunft zunächst mal nur vorstellen wollen – und merkt dann, dass es klug ist, große Risiken zu erkennen und sie bestmöglich zu vermindern, statt darauf zu vertrauen, dass schon nichts Schlimmes passieren wird. Denn wie hast du es so treffend formuliert? Shit happens.
Gelungene Prävention verhindert Schlimmes, bevor es passiert. Doch ihre Effekte sind unsichtbar, deshalb wird sie unterschätzt.
7. Das Präventionsdilemma
»Einfach so alle Flugzeuge umrüsten? Nen Atommeiler umbauen? Eine Stadt auf Corona-Verdacht von der Außenwelt abriegeln? Was das alles kostet!« Es hat leider viel mehr gekostet, all das nicht zu tun. Zwar gab es jeweils vorher Warnungen, aber man dachte: Wird schon alles gut gehen. Fehler!
Und damit sind wir mitten im Präventionsdilemma: Solange nichts Schlimmes passiert, erscheinen Maßnahmen überflüssig. Und passiert doch etwas, heißt es hinterher: »Warum hat vorher niemand etwas getan?«
Jetzt aber wird es kompliziert: Wenn nur deshalb nichts Schlimmes passiert, weil Präventionsmaßnahmen genau das verhindern, erscheinen sie ebenfalls oft überflüssig – es sieht ja keiner, was ohne sie wäre: »Sparen ist doof!«, sagen innere Schweinehunde – bis mal die Kasse leer ist. »Sport ist Mord!« – bis die Herzkranzgefäße verklumpt sind. »Umweltschutz ist lästig!« – bis wir am Urlaubsstrand in Plastikmüll waten.
Naturkatastrophen kommen plötzlich über uns. Wir können nichts gegen sie tun.
8. Naturkatastrophen
»Aber wir können doch nicht immer alles verhindern!«, entrüstet sich Günter. Das stimmt. Tatsächlich gibt es immer wieder Katastrophen, die wie eine Apokalypse über die Welt kommen: gigantische Vulkanausbrüche, fiese Meteoriteneinschläge, schlimme Erdbeben, tödliche Seuchen oder schreckliche Tsunamis. Die Geschichte unserer Erde ist voll davon.
Als zum Beispiel 1980 der Mount St. Helens ausbrach, der schlimmste Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts, stieß er 1,2 Kubikkilometer heißes, flüssiges Magma aus. Während der neun heftigsten Stunden seines Ausbruchs verteilten sich 540 Millionen Tonnen vulkanischer Asche auf mehr als 60 000 Quadratkilometern. Seine Explosionswolke breitete sich zum Teil mit einer Geschwindigkeit von über 1000 Stundenkilometern aus. Die Zerstörung war gigantisch.
Oder als im Indischen Ozean 2004 die Erde bebte, löste das eine ganze Reihe furchtbarer Tsunamis aus. Dabei starben 230 000 Menschen und 1,7 Millionen Küstenbewohner wurden obdachlos.
Unsere Erdgeschichte ist voller apokalyptischer Katastrophen.
9. Hallo Apokalypse!
Weiter mit den Naturkatastrophen: Als sich zwischen 1918 und 1920 die Spanische Grippe verbreitete, infizierten sich weltweit 500 Millionen Menschen, von denen je nach Schätzung zwischen 20 und 100 Millionen starben. (Damals gab es noch keine Virentests wie heute.)
Oder als vor 66 Millionen Jahren ein 14 Kilometer dicker Asteroid im Norden Mexikos einschlug, hatte er etwa die Explosivkraft von 200 Millionen Hiroshima-Bomben. Dadurch entstand nicht nur der berühmte Chicxulub-Krater mit 180 Kilometern Durchmesser, der Einschlag löste auch eine weltweite Zerstörungswelle aus, der etwa drei Viertel aller damaligen Arten zum Opfer fielen, unter anderem die Dinosaurier.
Unsere Erdgeschichte ist voll von solchen Katastrophen. Und so manche haben zu Massenaussterben geführt. Ursachen waren immer wieder Erdbeben, Meteoriteneinschläge, Klimawandel, Vulkanismus, Seuchen oder Strahlung. All das kann jederzeit wieder passieren, wir können nichts dagegen tun. Natur ist Natur. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Hallo Apokalypse!